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Geschichte der Frühen Neuzeit

AutorThomas Maissen
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783406654732
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Von der Erfindung des Buchdrucks und der Entdeckung Amerikas schlägt Thomas Maissen den Bogen bis zur Industriellen und Französischen Revolution. In jeweils wechselnden Perspektiven erläutert er die entscheidenden Entwicklungen wie Humanismus, Reformation, das spanische Weltreich KarlsV. und PhilippsII., den Dreißigjährigen Krieg und die höfische Gesellschaft LudwigsXIV., schließlich die Aufklärung und den Aufstieg Großbritanniens und Preußens im europäischen Mächtegleichgewicht. In der spannenden Überblicksdarstellung wird der politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Wandel dieser Epoche in den wechselseitigen Bedingtheiten deutlich.

Thomas Maissen ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Heidelberg, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie Direktor des Exzellenzclusters «Asia and Europe in a Global Context». Seit September 2013 wirkt er als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Paris.

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Leseprobe

2. Das Jahrhundert der Habsburger:
Imperium und konfessionelle Einheit


Im Herbst 1494 zog der französische König Karl VIII. mit rund 14.000 Soldaten über die Alpen; fast die Hälfte davon waren Schweizer Söldner. Seine 70 neuartigen mobilen Bronzekanonen zerschlugen mit Eisenkugeln die Mauern der wenigen Städte und Festungen, die sich seinem Feldzug durch Italien entgegenstellten. Unter Berufung auf weit zurückliegende Erbansprüche eroberte Karl so beinahe kampflos das Königreich Neapel, das als Basis für einen Kreuzzug dienen sollte. Doch der gestürzte Herrscher von Neapel war ein Vetter des spanischen Königs Ferdinand, der sich nun Karl VIII. entgegenstellte. Ferdinand konnte auf eine breit abgestützte «Heilige Liga» zählen: Papst Alexander VI., Venedig und Mailand sowie der deutsche König Maximilian I. Der französische Herrscher musste sich bereits 1495 fluchtartig zurückziehen. Dennoch erlangte Neapel seine Unabhängigkeit nicht zurück. Der zuvor mächtigste Staat Italiens, der von den Abruzzen bis Sizilien reichte, wurde ein spanisches Vizekönigreich. Danach diente bis zum Frieden von Cateau-Cambrésis 1559 vor allem Oberitalien als Schlachtfeld im Ringen zwischen der französischen Valois-Dynastie und den spanischen und österreichischen Habsburgern. Dieser epochale Gegensatz sollte bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs 1756 die europäische Allianzpolitik prägen und die Staatenwelt erst eigentlich ausbilden.

Dafür lieferte das italienische Staatensystem in mancher Hinsicht das Modell. So entsandten die spanischen Könige 1487 erstmals einen residierenden Botschafter in ein anderes Land. Stilbildend wirkten auch die kulturellen Schätze der Renaissance, welche die ausländischen «Barbaren», wie sie nicht nur Machiavelli nannte, ins Land gelockt hatten. Kulturell setzten Rom, Venedig und auch andere Städte in Spätrenaissance und Barock weiterhin Standards. Politisch geriet dagegen die Halbinsel, bis auf den Kirchenstaat und Venedig, dauerhaft unter die Kontrolle fremder Mächte. Für Spanien wurde Italien die wichtigste Basis seiner imperialen Macht, und seine Herrscher und Granden verbanden sich eng mit führenden Familien wie den Medici, Gonzaga oder Doria. Genua mit seiner bedeutenden Flotte bildete den wichtigsten Brückenkopf und bot als Finanzplatz viele Dienstleistungen, von denen es zugleich stark profitierte.

Im politischen Abstieg erlahmte allerdings allmählich die wirtschaftliche Kreativität. Die im Mittelalter dominanten italienischen Städte verloren wegen der Verschiebung der Handelsströme im 16. und vor allem im 17. Jahrhundert an relativer Bedeutung gegenüber den Häfen am Atlantik. Sie gehörten, anders als die italienischen Stadtstaaten, zu großen Erbmonarchien, die sich in einem immer heftigeren Dauerwettbewerb befanden. Häufig handelte es sich gleichsam um Familienstreitigkeiten, denn die Dynastien achteten immer stärker darauf, nur untereinander zu heiraten: Kinder von Königen oder Kurfürsten. Das spanische Herrscherhaus verband sich im 16. und 17. Jahrhundert wiederholt mit englischen und französischen Prinzessinnen, vor allem aber mit den österreichischen Habsburgern. Diese Inzucht trug zum Aussterben der spanischen Habsburger bei. Der behinderte Karl II., der 1700 kinderlos sterben sollte, hatte wegen der innerfamiliären Heiraten nur zehn Urururgroßeltern; normalerweise sind es 32.

Die Heiratskreise wurden enger, weil der Aufstieg unter die Herrscherdynastien kaum mehr möglich war – anders als bei den Medici in der Renaissance. Eine Kluft entstand zwischen den Königen und ihrem Hochadel, den französischen Pairs, englischen Peers und spanischen Grandes. Abgesehen von der berühmten Ausnahme Heinrichs VIII. heirateten die Könige nicht mehr einheimische Partnerinnen, deren mächtige Familien den Hof in Beschlag zu nehmen drohten. Damit bewiesen sie zugleich, dass ihre Stellung so stark war, dass sie auf innenpolitische Alliierte verzichten konnten, die sich allzu oft als Konkurrenten offenbart hatten. So erschütterten die Kämpfe Ludwigs XI. gegen seinen Vetter, den Burgunderherzog Karl den Kühnen, Frankreich zutiefst. Nach Karls Schlachtentod im Jahr 1477 wollte Ludwig XI. deshalb dessen Tochter Maria ehelichen, um das burgundische Erbe an Frankreich zu binden. Doch Maria wählte Maximilian, den Sohn Kaiser Friedrichs III., mit dem 1452 das bis 1806 nahezu lückenlose Kaisertum des Hauses Habsburg begann. Maximilian erlangte durch die lukrative Heirat die Siebzehn Provinzen der Niederlande (die heutigen Benelux-Länder), die vor allem in Flandern und Brabant reich an Städten und Tuchgewerbe waren. Sie alimentierten den prächtigen Hof mit seiner zentralisierten Verwaltung, mit dem die Burgunderherzöge Maßstäbe gesetzt hatten.

Der verschmähte Ludwig XI. sicherte sich aus dem Erbe Karls des Kühnen mit militärischen Mitteln immerhin das eigentliche Herzogtum Burgund. Sein Nachfolger Karl VIII. heiratete nach einem analogen Konkurrenzkampf gegen den verwitweten Kaiser Maximilian die Alleinerbin des Herzogtums Bretagne. Damit war das französische Kerngebiet in königlicher Hand vereint, zugleich aber von habsburgischen Besitzungen weitgehend umzingelt: von den Niederlanden über das Elsass und die Freigrafschaft Burgund bis zu den Pyrenäen. Die gescheiterte burgundische Staatsbildung signalisierte, dass selbst ein kriegstüchtiger Herzog wie Karl der Kühne kaum noch Aussichten hatte, zu den Fürsten aufzusteigen, die immer seltener persönlich an die Front zogen. Nicht nur das Beispiel des Burgunderherzogs lehrte, dass es fahrlässig war, das Schicksal einer Dynastie, ja eines Landes dem Kriegsglück anzuvertrauen. Die Schlacht bei Mohács von 1526 gegen die Osmanen brachte den Tod Ludwigs II. und das Ende seiner Jagiellonen-Dynastie. Von seinen Erbländern fiel der Großteil Ungarns an die siegreichen Türken, das restliche Ungarn sowie Böhmen dagegen an die mit Ludwig verschwägerten Habsburger. Nicht der Kaisertitel, sondern diese beiden Kronen bildeten mit den österreichischen Erblanden die erheiratete Grundlage für die künftige Machtpolitik der deutschen Habsburger.

So gefährdet eine Erbmonarchie bei einem Schlachtentod des Herrschers sein konnte, so offensichtlich waren demnach ihre Vorteile für die Zeitgenossen. Der Thronfolger stand frühzeitig fest: Bei Primogenitur fielen die Besitzungen ungeteilt an den erstgeborenen Sohn. Er hatte kein Legitimationsproblem, keine Erbschaftsansprüche von Brüdern oder unterlegene Konkurrenten zu fürchten, gegen die er sich nach der Wahl mühselig behaupten musste wie viele mittelalterliche Könige im deutschen Wahlkönigtum. Weil ein Thronfolger nicht nur dynastische, sondern auch staatliche Legitimität, Kontinuität und Stabilität garantierte, bestand die Hauptaufgabe der Königin darin, einen legitimen Erben zu gebären. Im Falle des erwähnten Heinrich VIII. von England führte diese Obsession dazu, dass er sechs Frauen ehelichte und zwei davon wegen Ehebruchs hinrichten ließ. Auch die Abspaltung einer eigenen, anglikanischen Kirche erfolgte durch die Suprematsakte von 1534 nur deshalb, weil der Medici-Papst Clemens VII. die Ehe- und Scheidungspolitik Heinrichs nicht abgesegnet hatte, der nun Oberhaupt der neuen Nationalkirche wurde. Zwar blieben die Anglikaner lange in einer theologischen Mittelstellung zwischen der alten Kirche und den Protestanten, doch die Säkularisation und Veräußerung des Kirchenguts bescherte der Krone nicht nur gewaltige Ressourcen, sondern in der «Gentry» auch den sozialen Rückhalt für die neue Dynastie und ihre Staatskirche. Diese Mischung aus niederem Adel und gehobenem Bürgertum erwarb sich mit den säkularisierten Kirchengütern die Basis für ein standesgemäßes Leben auf dem Land.

Der alte Hochadel hatte sich dagegen in den Rosenkriegen um die Thronfolge aufgerieben, bis das Haus Tudor, dem Heinrich VIII. entstammte, 1485 an die Macht gelangt war. In Frankreich gelang es kurz davor Ludwig XI., Karl den Kühnen und andere rebellische Herzöge auszuschalten. Auch im bislang eher peripheren Spanien war die gleichzeitige Zähmung der Granden in einem «Bürgerkrieg» Voraussetzung für expansive Machtpolitik. 1469 wurde Isabella von Kastilien-León mit Ferdinand von Aragon verheiratet. Kastilien und Aragon waren zwei unabhängige Königreiche, die sich gegen Frankreich zusammenschlossen, das zu den Pyrenäen vordrängte. Nachdem das Königspaar im kastilischen Erbfolgekrieg eine profranzösische Adelsfraktion unterworfen hatte, wirkten die kastilische Landmacht und die katalonische Flotte zusammen, als sie 1492 das Emirat Granada eroberten. Solche Unternehmungen lenkten die Kampffreude und Gewaltbereitschaft des Adels von den Königen weg gegen äußere Feinde. Isabella unterstützte im selben Geist die Expedition von Kolumbus. Ihrer Landmacht Kastilien wurden deshalb später die beiden Vizekönigreiche Neuspanien (Mittelamerika) und Peru direkt unterstellt und auch nach kastilischem Recht verwaltet. Aragon dagegen blieb auf Italien und das Mittelmeer ausgerichtet.

Kastilien-León und Aragon blieben selbst dann eigenständige...

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