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Geschichte des Altertums, Band 1

Vollständige Ausgabe

AutorEduard Meyer
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl690 Seiten
ISBN9783849625160
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Dies ist Band 1 von 5, 'Das Altertum.' Meyer war einer der letzten Historiker, der allein versuchte, eine Universalgeschichte des Altertums zu schreiben. Er versucht die historische Entwicklung in Vorderasien, Ägypten und Griechenland bis um 366 v. Chr. in einen Gesamtrahmen zu stellen und befreit damit die griechische Geschichte von der bislang üblichen isolierten Betrachtung. 'Die Geschichte des Altertums' gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke der Altertumswissenschaft, wenngleich das Werk freilich durch den modernen Forschungsstand in Teilen überholt ist. Meyer war ein Vertreter der Zyklentheorie, die er aufgrund von Analogien in den äußeren Formen über den Fortschritt der Menschheit setzte (weshalb er auch 1925 in einem Buch entsprechenden Titels Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes guthieß). Über die Atlantis-Geschichte von Platon urteilte er: Atlantis sei eine reine Fiktion ohne zugrunde liegende geschichtliche oder naturwissenschaftliche Kenntnisse. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

I. Die staatliche und soziale Entwicklung


 


Die Entwicklungsgeschichte des Menschen

 

1. Die Anthropologie, d.h. die Lehre von den allgemeinen Formen menschlichen Lebens und menschlicher Entwicklung (oft auch mißbräuchlich Geschichtsphilosophie genannt), hat durch die Forschungen der neueren Zeit eine festere Gestaltung erhalten und ist aus dem Bereiche logischer Deduktionen hinweg auf den Boden gesicherter Tatsachen gestellt worden. Die Sprachwissenschaft führt uns nicht nur in Zeiten hinauf, in denen die ethnographischen Verhältnisse in ganz anderer Weise gestaltet waren als in den ältesten historischen Epochen, und läßt gelegentliche Schlaglichter fallen auf Völkerbewegungen und Kulturverhältnisse weit früherer Zeiten, sondern sie ermöglicht uns zugleich, zwar nicht bis zum Ursprung der Sprache vorzudringen – denn dies ist ein rein psychologisches, keiner historischen Forschung zugängliches Problem –, aber doch zu erkennen, wie mit und in der Sprache zugleich die menschliche Vernunft wächst und sich bewegt, immer freier sich ausbildet und für jede neue Wahrnehmung und für jeden neuen Gedanken sich neue Formen schafft. Die prähistorischen Funde gewähren uns einen Einblick in die langsam fortschreitende Geschichte der Werkzeuge und Waffen, der Wohnungen, der Lebensmittel, des Verkehrs, der Bestattungsgebräuche. Die vergleichende Ethnologie sucht die Zustände und die Organisation der Gruppen, in denen das menschliche Leben sich abspielt, ihre Anschauungen und Sitten bis in die primitivsten Formen zurückzuverfolgen und, von hier aus hinabsteigend, die Bedingungen zu ermitteln, unter denen ihre fortschreitende Entwicklung sich vollzogen hat, und so die überall wiederkehrenden Grundformen dieser Entwicklung aufzuzeigen. Die allgemeine Entwicklungstheorie endlich, gibt uns zwar über die geistigen Anfänge des Menschen keinen Aufschluß – denn indem sie denselben aus den nächstverwandten organischen Wesen sich herausbilden läßt, postuliert sie ein Geschöpf, dessen inneres Leben, auf das es der historischen Erkenntnis allein ankommt, uns niemals erschlossen werden kann; aber indem sie den Menschen in den großen Zusammenhang der organischen Wesen einordnet, läßt sie auch in seiner Entwicklung dieselben Bedingungen erkennen, welche diese beherrschen: eine fortwährende Differenzierung und eine fortwährende Anpassung.

 

 Die in den Anfängen der modernen Sprachwissenschaft sehr wirksame Vorstellung, durch die Erforschung der geschichtlichen Entwicklung eines Sprachstamms könne man zu einem historischen Einblick in den Ursprung und die Anfangsstadien der Sprache überhaupt gelangen, hat sich  längst als Illusion erwiesen. Jede Sprache, die wir rekonstruieren können, ist ein in sich eben so abgeschlossener Organismus wie die geschichtlich überlieferten und die gegenwärtig lebenden, zugleich aber ebenso wie diese in ständigem Fluß und immer in zahllose dialektische und individuelle Variationen gespalten. Die Sprache an sich, d.h. die unlösbare Verbindung einer Lautgruppe mit einer bestimmten Bedeutung, ist für die Sprachwissenschaft etwas schlechthin Gegebenes, dessen Entstehung sie mit ihren Mitteln nicht zu erklären vermag. Jedes dieser beiden Elemente geht seinen eigenen Weg; sowohl die Laute wie die Bedeutung ändern sich fortwährend; aber die Verbindung zwischen beiden bleibt unabänderlich bestehen und kann niemals unterbrochen werden. Daher besteht jede Sprache, auch die älteste rekonstruierbare, immer aus Worten; die "Wurzeln", welche die Sprachwissenschaft aufstellt, sind lediglich abstrakte Hilfskonstruktionen, die niemals Realität gehabt haben, und eine "Wurzelsprache", wie sie früher für die Urzeit des Indogermanischen und des Semitischen so vielfach postuliert wurde, ist ein Unding. Auch den Ursprung der Bildungselemente in Flexion und Wortbildung (Präfixe und Suffixe) kann die Sprachwissenschaft nur zum Teil erklären; die früher darüber vielfach aufgestellten Hypothesen haben sich großenteils als unhaltbar erwiesen. Wohl aber zeigt die Sprachforschung, wo sie die Entwicklung einer Sprachgruppe durch Jahrtausende verfolgen kann, wie solche Elemente immer neu entstehen und sich verwandeln, und deutet damit den Weg an, auf dem die ältesten uns erkennbaren Sprachelemente dieser Art entstanden sein werden; aber vor ihnen haben immer wieder noch ältere gelegen. Gewiß erfordert das Bedürfnis, die Entwicklung der organischen Wesen als Einheit zu erfassen, auch das Postulat, daß die Sprache einmal entstanden ist, so gut wie der physische Mensch selbst; und die Tatsachen der  Paläontologie beweisen, daß der Mensch in der Tat ein sehr spätes Produkt der Erdgeschichte ist (vgl. § 596. 600). Aber zu diesen Problemen führt keine historische Forschung hinauf; für sie ist, wie die Existenz des leiblichen Menschen, so auch die des denkenden und redenden Menschen die gegebene Voraussetzung (und ebenso die der sozialen und staatlichen Gemeinschaft, der Religion, der Sitte), die sie eben darum nicht weiter aufklären kann. – Die ehemals von SCHLEICHER, MAX MÜLLER u.a. eifrig verfochtene Behauptung, die Sprachwissenschaft sei eine Naturwissenschaft, beruhte einmal auf einer naiven Überschätzung der Naturwissenschaften und ihrer Methode, andrerseits auf einer ganz einseitigen Betonung des mechanischen Lautwandels, der sich allerdings, rein äußerlich betrachtet, zu vollziehen schien wie ein chemischer Prozeß. Ein tieferes Eindringen hat gezeigt, daß auch hier die mechanischen Vorgänge überall durchkreuzt werden durch psychische Faktoren (Analogie, Assoziation, Nachahmung), und daneben durch die ganz individuellen Wirkungen der redenden Einzelpersönlichkeit und ihre psychische und physische Veranlagung. Auch auf rein lautlichem Gebiet besteht also, wie in allen historischen Prozessen, die fortwährende Kreuzung der allgemeinen Momente, die sich als Gesetze formulieren lassen, mit rein individuellen, deren Wesen eben darin besteht, daß sie nicht gesetzmäßig sind. – Auf der rein mechanischen Betrachtung des Lautwandels beruhte auch die seltsame Behauptung SCHLEICHERS, daß Sprachbildung und Geschichte sich ablösende Tätigkeiten des menschlichen Geistes seien, und daß die Sprache in geschichtlichen Zeiten verfalle. In Wirklichkeit vollzieht sich die größte Schöpfung der Sprachgeschichte, die Ausbildung des logisch gegliederten Satzbaus (der Periode), durch die die Sprache erst zum vollendeten Werkzeug des menschlichen Denkens wird, überall im hellsten Licht  des geschichtlichen Lebens. – Einen Teil der in den folgenden Paragraphen gegebenen Ausführungen habe ich unter dem Titel: Die Anfänge des Staats und sein Verhältnis zu den Geschlechtsverbänden und zum Volkstum bereits Ber. Berl. Ak. 1907 veröffentlicht. Bei der Anführung von Beispielen habe ich mich im wesentlichen auf Völker beschränkt, die dem Bereich der Geschichte und Ethnographie des Altertums angehören.

 

Die sozialen Verbände und die Anfänge des Staats

 

2. Sowohl nach seiner Körperbeschaffenheit wie nach seiner geistigen Veranlagung kann der Mensch nicht als Einzelwesen existieren, etwa mit zeitweiliger geschlechtlicher Paarung: der isolierte Mensch, den das Naturrecht und die Lehre vom contrat social an den Anfang der menschlichen Entwicklung stellte, ist eine Konstruktion ohne jede Realität und daher für die theoretische Analyse der menschlichen Lebensformen eben so irreführend wie für die geschichtliche Erkenntnis. Vielmehr gehört der Mensch zu den Herdentieren, das heißt zu denjenigen Tiergattungen, deren einzelne Individuen dauernd in festen Verbänden leben. Solche Verbände können wir, eben weil sie eine Anzahl gleichartiger Einzelwesen zu einer Genossenschaft vereinigen, als soziale Verbände bezeichnen. Jeder solche Verband (Rudel, Schwarm, Herde u.ä.) – mögen wir ihn uns rein instinktiv durch einen angeborenen Naturtrieb entstehend oder bereits mit einem, wenn auch noch nicht begrifflich formulierten und daher in unserem Denken nicht reproduzierbaren Bewußtsein gebildet vorstellen – dient der Verwirklichung eines bestimmten Zwecks, nämlich der Ermöglichung und Sicherung der Existenz seiner Glieder, und ist daher beherrscht von einer bestimmten Ordnung. Indem er eine Anzahl von Einzelwesen zu einer sozialen Einheit zusammenfaßt, sondert er sie zugleich von allen anderen gleichartigen Gruppen derselben Gattung ab und ordnet sie einem Gesamtwillen unter. Nur innerhalb der von diesem gesetzten Grenzen hat, in scharfem Unterschied z.B. vom Raubtier, das Einzelwesen Bewegungsfreiheit; sollte es sich dem Gesamtwillen entziehen wollen, so wird es von diesem unter seine Gebote gezwungen, oder ausgestoßen und vernichtet. Dadurch ist ein rein geistiges Moment gegeben, das zwar aus konkreten Bedürfnissen erwachsen, aber nicht sinnlich wahrnehmbar ist; trotzdem hat es volle Realität und wirkt als solche ununterbrochen, aber nur durch psychische (unbewußte oder bewußte) Vorgänge, durch die Einwirkung der Idee des Verbandes auf das Handeln des Einzelnen. Das gilt von allen Tierverbänden: das Einzelindividuum, z.B. die Biene oder die Ameise, ist nur als Glied eines größeren Ganzen begreifbar, dessen Zwecken seine Handlungen dienen, oft genug bis zur Aufopferung seiner eigenen Existenz.

 

 Wie weit die Ausbildung organischer Gruppen bei Tieren gehen kann, habe ich vor 30 Jahren oft in Constantinopel an den Straßenhunden beobachtet: sie haben sich in scharf gegen einander abgegrenzten Quartieren organisiert, in die sie keinen fremden Hund hineinlassen, und jeden Abend halten sämtliche Hunde eines jeden Quartiers auf einem öden Platz eine etwa eine halbe Stunde dauernde Versammlung ab, mit lebhaftem...

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