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E-Book

Gewaltprävention und soziale Kompetenzen in der Schule

AutorHeinz Cornel, Roland Büchner, Stefan Fischer
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl158 Seiten
ISBN9783170327139
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Children and young adults are often viewed as being 'difficult' - and also violent. Both teachers and parents are pushed to their limits and feel uncertain about how to respond nonviolently. This book explains new strategies for action and innovative practical models for preventing violence, instead of applying punishments and humiliation, and shows how early and targeted action can promote social competences and prevention of violence through respect, esteem and transparent firmness. This approach allows new and successfully tested action skills to be acquired. The concepts involved are explained and supplemented with practical examples, exercises and working materials.

Roland Büchner is a political scientist and social worker and worked for several decades at a school in Kreuzberg, Berlin. Dr. Heinz Cornel is a social education worker, lawyer and criminologist who is Professor of Juvenile Law, Criminal Law and Criminology at the Alice Salomon College (ASH) in Berlin. Stefan Fischer is a social education worker who works at a school in Wedding, Berlin.

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Leseprobe

 

1          Einleitung oder zum Anlass dieses Buches


 

 

 

Immer wieder werden Kinder und Jugendliche von LehrerInnen sowie Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe als »schwierig«, »auffällig« und auch gewaltbereit erlebt. Dabei handelt es sich vor allem um als »auffällig« erlebtes Sozial-, Lern- und Arbeitsverhalten, das einen Unterricht lahmlegen und das soziale Klima einer ganzen Schule belasten kann. Manche Kinder und Jugendlichen mit diesen Verhaltensweisen, entlang der verschiedenen Schulformen, geraten in eine Spirale von Schulschwänzen, Schulverweigerung, psychischen Problemen, Ausbildungsabbruch, Integrations- und Selbstausgrenzungsproblemen sowie Gewalt und Kriminalität. Diese jungen Menschen fordern nicht nur LehrerInnen, sondern auch die Fachkräfte der Schulsozialarbeit in ihrer fachlichen Kompetenz und oft genug der ganzen Persönlichkeit heraus und machen sie immer wieder ratlos. Sie fühlen sich überfordert und sind unsicher, wie auf die komplexen Erscheinungsformen von abweichendem Verhalten zu reagieren ist. Die Erfahrung zeigt, dass einerseits entgegen mancher Erwartungen viele dieser Kinder und Jugendlichen trotz zeitweiliger Probleme und dem Ausprobieren von Grenzen letztlich doch so viele Ressourcen entwickeln und mobilisieren, dass sie gut integriert in das Erwachsenenleben starten, andererseits aber auch bei einigen wenigen allein mit »herkömmlichen« Mitteln im Sinne von schulischen »Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen« sowie polizeilichem Eingreifen und juristischen Sanktionen heute keine dauerhaften pro-sozialen Verhaltensänderungen erreicht werden. Diese wenigen dürfen aber nicht aufgegeben werden – um ihrer selbst willen nicht, weil sie die Arbeits- und Lernbedingungen anderer stören und auch um späteren Gewalteskalationen vorzubeugen. Die Institution Schule und ihre LehrerInnen selbst müssen lernen, dass sich ihre Rolle insbesondere im Verhältnis zu den Eltern geändert hat.

In der Fachliteratur gibt es dazu viele Klagen, Vorschläge, Konzepte und Programme für alle Zielgruppen in der Schule, doch wenige sind erprobt. Der Informationsstand und die Kompetenzen der Nutzung dieser Konzepte und Programme sind aber insbesondere bei den Lehrkräften gering, weil sie wenig Hoffnung haben, dass sich an ihrer Alltagssituation etwas ändern wird.

Wenn die Schule ihre Rolle und Aufgabe als Ort der Förderung von sozialer und interkultureller Kompetenz sowie Gewaltprävention wahrnehmen soll, dann darf die Zielgruppe der Maßnahmen und Programme nicht mehr nur die Schülerschaft sein – wie bei der ganz überwiegenden Zahl der auf dem Markt vorhandenen Konzepte und Modelle –, sondern dann müssen auch die anderen in der und für die Schule Verantwortlichen zu Zielgruppen werden, insbesondere die Lehrkräfte, Schulleitung und Schulaufsicht, aber auch die Eltern, die jeweiligen Gemeinden (»Unterstützungssysteme«) und nicht zuletzt die Schulpolitik.1

In diesem Buch geht es nicht um eine Skandalisierung von Gewalt in der Schule, sondern um neue Handlungsstrategien und innovative Praxismodelle sowie eine sachliche Verständigung darüber, wie durch frühzeitiges und gezieltes Handeln ein kompetentes »Fallverständnis« und abgestimmte Interventionen zur Förderung der sozialen Kompetenz, Verhinderung und Reduzierung von Gewalt, schwierige Schulkarrieren sowie ›Opfer‹ vermieden werden können und nicht am Ende das »Warten auf die Jugendhilfe, Polizei oder Justiz« steht. Mit »Strategien« sind innovative Handlungskonzepte und Praxismodelle gemeint, die in der Praxis der Schule erfolgreich erprobt wurden und von den Lehrpersonen mit Unterstützung der Fachkräfte der Schulsozialarbeit überwiegend selbst realisiert werden können. Damit können sie – unabhängig von möglichen wünschenswerten Kooperationen – den Lernort Schule positiv verändern und sind dabei nicht vorrangig auf externe Hilfen von Fachkräften der öffentlichen und freien Jugendhilfe (Jugendamt, speziell Jugendgerichtshilfe, Erziehungsberatung, Jugendberatung, Jugendberufshilfe, Jugendmigrationsdienste etc.), der Schulpsychologie oder gar der Polizei angewiesen.

Allerdings bestehen die vorliegenden Handlungsansätze nicht aus sofort umsetzbaren Rezepten mit Erfolgsgarantie. Dieses Buch kann zum einen Informationen und Wissen vermitteln und damit eine Grundlage für das Handeln schaffen. Aber das Handeln selbst erfordert häufig mehr als Handlungswissen. Es erfordert Selbstbeobachtung, Selbstreflexion und gute Planung, zuweilen auch hilfreiche BeobachterInnen und nicht zuletzt: üben, üben, üben! Entsprechend werden in diesem Band nicht nur Theorien und Konzeptionen präsentiert, sondern auch Übungen, Beispiele und Arbeitsmittel. Und wer darüber hinaus vertiefend gemeinsam üben, Problemsituationen analysieren und Lösungskonzeptionen diskutieren will, der kann dies in entsprechenden Weiterbildungsveranstaltungen tun.2 Niemand kann einen plötzlichen Wandel insbesondere bei ungünstigen, seit langem eingefahrenen Konfliktkonstellationen garantieren – aber wir können von hunderten positiven Erfahrungen berichten.

Das Anliegen der Verfasser ist die Erweiterung der individuellen Handlungskompetenz und (Wieder-)Herstellung der professionellen Präsenz im Umgang mit herausfordernden und als »auffällig« erlebten Kindern und Jugendlichen vor allem in der Schule. Obwohl die meisten Methodenbausteine im Kontext der pädagogischen Alltagsarbeit der Schulen entstanden und zuerst erprobt wurden, haben inzwischen viele Fachkräfte der Jugendhilfe sie auch in offenen Jugendtreffs, in der Heimerziehung und im betreuten Wohnen erfolgreich implementiert und angewendet. Dass sie dabei kreativ, situations- und institutionsangemessen vorgehen mussten, zeichnet Pädagogen und Pädagoginnen aus und grundsätzlich ist die Übertragung von erfolgreichen Arbeitsansätzen auf andere Berufsfelder oft vielversprechend.

Jenseits konkreter Problemlösungen bei Unterrichtsstörungen, Konflikten und Gewaltvorfällen ist die Schule aber ohnehin für die Vermittlung sozialer Kompetenzen und für die Gewaltprävention ein idealer Ort, weil er von allen Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird und Hilfe ohne Stigmatisierung als »Fall« geleistet werden kann. Es mag von Jahr zu Jahr schwerer werden – aber zunächst sind die Kinder und Jugendlichen tatsächlich Tag für Tag da, können angesprochen und ihr Verhalten thematisiert werden. Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gegenüber solchen Jugendhilfemaßnahmen dar, die den jungen Menschen erst zur Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit motivieren müssen und ihn dazu als »Fall nach Vorkommnissen« oder gar Delinquenz definieren mit häufig zusätzlichen Problemen und Konflikten im Verhältnis zu den Sorgeberechtigten.

Heute sind ein neues Selbstverständnis und Veränderungen in der Haltung und Zusammenarbeit von Lehrkräften ebenso gefragt, wie moderne schulische Organisationsstrukturen, um eine positive und aggressionsfreie Lernumgebung gemeinsam mit den SchülerInnen zu gestalten. Der Umgang miteinander muss hinsichtlich Sozialkompetenz fördernder und gewaltpräventiver Maßnahmen ebenso kritisch reflektiert werden, wie die eigene Organisationsstruktur der Schule.3 Daher geht es in diesem Buch um ein erweitertes Leitbild aller in der Schule Beteiligten und in diesem Zusammenhang vorrangig um ein neues Selbstverständnis, ein Umdenken der LehrerInnen sowie um die Erweiterung des Methodenspektrums im Umgang mit »auffällig« und gewaltbereit erlebten Kindern und Jugendlichen.

Um diese Ziele für Sie, die Leser und Leserinnen zu erreichen, werden wir im zweiten Kapitel dieses Buches zunächst die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Gewaltprävention als Aufgabe der Schule definieren, diese Zielstellungen ausbreiten und vor dem Hintergrund zeitgemäßer Erziehungsmittel Methodenbausteine zur Vermittlung vorstellen. Diese Methodenbausteine werden dann in den folgenden fünf Kapiteln praxisnah konzeptionell beschrieben und mit vielen Beispielen, Übungen und Arbeitsmaterialien den Lesern und Leserinnen zur Verfügung gestellt. Abschließend geben wir in zwölf Punkten einen Ausblick.

1     Steffen 2004, S. 354; zur Notwendigkeit einer »systemischen Gewaltprävention/-intervention« siehe Schubarth 2004, S. 243–253; Hanke 2007, S. 104–130

2     Informationen zum Interventions- und Weiterbildungsprogramm »Selbstwertstärkende konfrontierende Pädagogik und Neue Autorität in der Schule & Jugendhilfe« im...

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