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E-Book

Mit Gift und Genen

Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert

AutorMarie-Monique Robin
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783641025403
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Monsanto - ein Skandalkonzern manipuliert unsere Nahrung
Der Chemie- und Biotech-Riese Monsanto gelangte bisher kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, obwohl er mit seinen Produkten wie Pestiziden und genmanipulierten Pflanzen eine fundamentale und höchst umstrittene Rolle in der Weltnahrungsmittelproduktion spielt. In ihrem brisanten Buch schildert die Journalistin Marie-Monique Robin, welche Gefahren von den Produkten und der Macht des Konzerns weltweit und vor unserer Haustür ausgehen.

Der amerikanische Chemie- und Biotech-Konzern Monsanto hat sich zum weltweiten Marktführer bei genmanipuliertem Saatgut vorgekämpft. Schädlingsresistente Monsanto-Pflanzen werden jedoch vielerorts, auch bei uns, als gesundheitliche, biologische und wirtschaftliche Bedrohung angesehen. Andere Produkte sind nicht weniger umstritten: Mit sogenanntem Hybridsaatgut etwa, das nach der Ernte nicht wieder zur Aussaat verwendet werden kann, geraten Bauern nach Ansicht vieler Beobachter in ruinöse Abhängigkeit. Der Multi ist berüchtigt für seine rücksichtslose Geschäftspolitik, die Einschüchterung von Kritikern und den Eingriff in demokratische Prozesse. Er betreibt aggressive Lobbyarbeit auch in Deutschland.

Marie-Monique Robin hat bei ihrer langjährigen Recherche Fakten, Aussagen und Untersuchungsergebnisse zusammengetragen, die erstmals umfassend das Geschäftsgebaren und die Ziele von Monsanto darlegen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Nahrungsmittelkrise gewinnen ihre Erkenntnisse noch an Brisanz.

• Enthüllt die umstrittenen Aktivitäten des global agierenden Biotech-Konzerns

• Auch in Deutschland versucht Monsanto mit genmanipulierten Produkten Fuß zu fassen

Marie-Monique Robin, geboren 1960, ist Journalistin und Dokumentarfilmerin. 1995 erhielt sie den renommierten französischen Albert-Londres-Preis für investigativen Journalismus. Ihr Film über Monsanto (2008) war ein großer Erfolg.

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Leseprobe
1 PCB: Verbrecher mit weißem Kragen
»Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Dollar Umsatz
zu verlieren.«
Pollution Letter,
von Monsanto freigegebenes Dokument,
16. Februar 1970
Anniston, Alabama, am 12. Oktober 2006. Mit zitternder Hand legt David Baker die Kassette in den Videorecorder ein: »Ein unvergesslicher Tag«, murmelt der 1,90 Meter große Mann und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, »der größte Tag meines Lebens, der Tag, an dem die Leute in unserer Gemeinde entschieden haben, ihre Würde zurückzuerobern und einen der größten Konzerne der Welt zu bezwingen, der immer nur Verachtung für sie übrig hatte...« Auf dem Fernsehschirm ziehen die Bilder vorbei, die am 14. August 2001 in Anniston im Staate Alabama entstanden. Goldenes Abendlicht. Der sichtlich überforderte Amateurkameramann weiß nicht mehr, wohin er das Objektiv richten soll: Von überall her strömen Gruppen von Afroamerikanern zusammen und streben entschlossen und schweigsam auf das Kulturzentrum an der 22. Straße zu. »Der Anniston Star schrieb am nächsten Tag, dass es 5000 Menschen waren. Es war der größte Menschenauflauf in der Geschichte der Stadt.«

David gegen Goliath


»Warum sind Sie gekommen?«, erkundigt sich der angehende Journalist.
»Weil mein Mann und mein Sohn an Krebs gestorben sind«, erklärt eine Frau um die fünfzig.
»Und Sie?«
»Wegen meiner Tochter«, antwortet ein Mann und zeigt auf ein Mädchen, das auf seinen Schultern sitzt, »sie hat einen Hirntumor... Wir hatten die Hoffnung verloren, dass wir Monsanto je dafür bezahlen lassen könnten, was es uns alles angetan hat, aber wenn sich Johnnie Cochran für uns einsetzt, dann sieht die Sache schon anders aus...«
Johnnie Cochran: Der Name ist in aller Munde. 1995 hatte der Anwalt mit der Tenorstimme die USA in Atem gehalten, als er den ehemaligen Footballstar und späteren Schauspieler Orenthal James Simpson verteidigte, der beschuldigt worden war, an einem Abend des Jahres 1994 seine Exfrau und ihren Liebhaber ermordet zu haben. Nach einem Mammutprozess, der von großem Medienrummel begleitet worden war, wurde O. J. Simpson dank seines geschickten Anwalts freigesprochen. Dieser, Urenkel eines schwarzen Sklaven, hatte alles dafür getan, seinen Mandanten als Opfer rassistischer Manipulationen durch die Polizei darzustellen. Seitdem war Johnnie Cochran bis zu seinem Tod im März 2005 der Held der Afroamerikaner: »Ein Gott«, wie David Baker mir sagt, »deswegen wusste ich, dass ich in dem Moment, wo ich ihn überreden konnte, nach Anniston zu kommen, von dem er noch nie gehört hatte, die Partie quasi schon gewonnen hatte...«
»Johnniiiiiie!«, schrie die Menge, als der Anwalt, der in seinem makellosen Anzug eine elegante Erscheinung war, auf die Tribüne kletterte. Und Johnnie sprach in die andächtige Stille hinein. Er fand die richtigen Worte für diese Südstaaten-Kleinstadt, die lange Zeit vom Kampf um die Bürgerrechte zerrissen gewesen war. Er beschwor die historische Rolle herauf, die die aus Alabama stammende Rosa Parks im Kampf gegen die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten2 gespielt hatte. Er zitierte aus dem Matthäusevangelium: »Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.«
Dann erinnerte er an die Geschichte von David und Goliath und damit an David Baker, den Mann, dem wir diese Zusammenkunft verdanken, die lange nicht für möglich gehalten worden war. »Ich schätze diese Hilfe sehr, und ich erkenne viele Davids unter euch«, begeisterte er sich. »Ich weiß nicht, ob ihr euch der Macht bewusst seid, die ihr habt... Jeder Bürger hat das Recht, frei von Umweltverschmutzung zu leben, frei von PCB, von Quecksilber oder Blei, das ist ein Grundsatz der Verfassung! Ihr erhebt euch gegen die Ungerechtigkeit, die Monsanto an euch begangen hat, denn diese Ungerechtigkeit bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen Ort der Welt! Ihr erweist dem Land einen Dienst, das nicht länger von den Privatinteressen der Industrieriesen regiert werden darf!«
»Amen! Hallelujah!«, jubelte die Menge und spendete tosenden Beifall. In den folgenden Tagen marschierten 18 233 Einwohner Annistons, darunter 450 Kinder mit spastischen Störungen des Nerven- und Muskelsystems, in das kleine Büro des Komitees »Community against Pollution«, das David Baker 1997 gegründet hatte, um ihre Klage gegen das Chemieunternehmen registrieren zu lassen. Sie gesellten sich zu 3516 weiteren Klägern, darunter David Baker, die bereits vier Jahre früher eine Sammelklage eingereicht hatten. Nach einem halben Jahrhundert stillen Leidens erhob sich fast die gesamte schwarze Bevölkerung der Stadt gegen einen der größten Umweltverschmutzer des Planeten und zwang ihn bald darauf, die höchsten Entschädigungssummen zu zahlen, die jemals einem Industrieunternehmen in den Vereinigten Staaten auferlegt worden waren: 700 Millionen Dollar!
»Es war eine schwierige Schlacht«, kommentiert David Baker, immer noch tief bewegt. »Aber kann man sich vorstellen, dass sich ein Unternehmen derart kriminell verhält? Verstehen Sie das? Mein kleiner Bruder Terry ist mit 17 Jahren gestorben, an einem Hirntumor und an Lungenkrebs.1 Er ist gestorben, weil er das Gemüse aus unserem Garten gegessen hat und die Fische, die er in einem stark kontaminierten Bach gefangen hat! Monsanto hat aus Anniston eine Geisterstadt gemacht.«

Monsanto – so fing alles an


Dennoch hat Anniston schon bessere Tage erlebt. Lange wegen der Qualität seiner städtischen Infrastruktur als »Modellstadt« oder »Welthauptstadt der Kanalisation« bekannt, galt das bürgerliche Südstaatenstädtchen mit seinen Eisenerzvorkommen als Vorreiter der industriellen Revolution. Offiziell 1879 gegründet und nach der Gattin eines reichen Gießereibesitzers benannt, wird »Annie’s Town« 1882 in der Atlanta Constitution als »schönste Stadt Alabamas« gelobt. Von einer Minderheit geschäftstüchtiger Weißer regiert, die ihr Geld klugerweise wieder vor Ort investieren und so den sozialen Frieden fördern, zieht sie Unternehmer an – zum großen Verdruss von Birmingham, einer Industriestadt, die nur unweit entfernt liegt. Deshalb beschließt die Southern Manganese Corporation 1917, dort ein Werk zu eröffnen, in dem Artilleriegranaten hergestellt werden. 1925 wird das Unternehmen in Swann Chemical Company umbenannt und verlegt sich vier Jahre später auf die Produktion von PCB, einhellig als »Wunder der Chemie« gefeiert, das bald das Glück Monsantos und das Unglück Annistons werden sollte.
PCBs oder polychlorierte Biphenyle sind chlorierte chemische Verbindungen, die das große industrielle Abenteuer des ausgehenden 19. Jahrhunderts verkörpern. Während man die Verfahren zum Raffinieren von Rohöl weiterentwickelte, um daraus den Treibstoff für die entstehende Automobilindustrie gewinnen zu können, stießen die Chemiker auf die besonderen Eigenschaften des Benzols, eines Kohlenwasserstoffs, der breite Verwendung als Lösungsmittel für die chemische Synthese von Medikamenten, Kunststoffen und Färbemitteln finden sollte. In den Laboratorien der siegreichen Chemieindustrie mischten die Zauberlehrlinge es mit Chlor und erhielten ein neues Produkt, das eine bemerkenswerte thermische Stabilität und Feuerfestigkeit aufwies. So wurden die PCBs geboren, die innerhalb von 50 Jahren den ganzen Planeten erobern sollten: Sie dienten als Kühlflüssigkeit in Transformatoren und der industriellen Hydraulik, aber auch als Zusätze in so unterschiedlichen Materialien wie Kunststoff, Malfarben, Tinte oder Papier.
1935 wurde die Swann Chemical Company von einem aufstrebenden Unternehmen aus St. Louis im Staat Missouri aufgekauft: der Monsanto Chemicals Company. Die 1901 von John Francis Queen, ebenfalls einem Autodidakten auf dem Gebiet der Chemie, mit einem persönlichen Kredit von 5000 Dollar gegründete kleine Firma – die zu Ehren seiner Frau Olga Mendez Monsanto benannt worden war -, produziert zunächst Saccharin, den ersten synthetischen Süßstoff, den sie dann exklusiv an ein anderes aufstrebendes Unternehmen aus Georgia losschlägt: Coca-Cola. Bald darauf versorgt sie Coca-Cola auch mit Vanille und Koffein, bevor sie sich auf die Produktion von Aspirin verlegt, dessen wichtigster Hersteller in den Vereinigten Staaten sie bis in die 1980er Jahre bleibt. 1918 erwirbt Monsanto erstmals ein anderes Unternehmen, eine Firma aus Illinois, die Schwefelsäure produziert.
Im Zuge der Hinwendung zu industriellen Grunderzeugnissen und dem Gang des Unternehmens an die New Yorker Börse 1929 – nur einen Monat vor dem großen Krach an der Wall Street, den die Firma, die jetzt »Monsanto Chemical Company« heißt, überlebt – übernimmt es mehrere Chemieunternehmen in den USA und Australien. In den 1940er Jahren ist Monsanto einer der weltgrößten Produzenten von Kautschuk, Kunststoffen und Kunstfasern wie Polystyrol, aber auch von Phosphaten. Gleichzeitig baut das Unternehmen sein Monopol...
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