Unternehmen operieren in einem Spannungsfeld verschiedenartiger Ansprüche; dies macht es somit nicht immer leicht, alle Ansprüche der verschiedenen Interessengruppen zu erfüllen. Um dieses Informationsbedürfnis jedoch decken zu können, publizieren Unternehmen – meistens gesetzlich dazu verpflichtet – eine große Anzahl von externen Unternehmensberichten.[127] Wesentliche Grundlagen, um diese Berichterstattung zu standardisieren, sind gesetzlich verankerte Informations- und Publizitätspflichten. Diese Anforderungen an die externe Berichterstattung unterliegen einem ständigen Wandel, da sich aufgrund der vergangenen Finanzkrisen das regulatorische Umfeld von Unternehmen stetig verschärft und den handels-, gesellschafts- sowie kapitalmarktrechtlichen Informations- und Publizitätspflichten immer mehr Bedeutung zugesprochen werden.[128]
Auch im Mittelstand steigt aufgrund von steigenden Informationsbedürfnissen seitens der Kreditgeber oder Investoren stetig der Informationsbedarf, welchen die Unternehmen erfüllen müssen. Zwar unterliegen der Jahresabschluss und die Publizitätspflichten von Unternehmen auch gesetzlichen Pflichten, jedoch haben mittelständische Unternehmen oftmals aufgrund der Größe vereinfachte Informations- und Publizitätspflichten und geben daher – getreu dem Motto „je weniger, desto besser“ – nur die nötigsten Informationen aufgrund von externem Druck heraus.[129]
Um die Notwendigkeit einer Umsetzung des IR-Ansatzes aufzuzeigen, sollen die nachfolgenden Kapitel eine Einführung in die Berichterstattungspflichten sowie die Problematik bei der aktuellen Berichterstattung darstellen. Zunächst soll eine allgemeine Darstellung der Berichterstattungspflichten erfolgen, bevor nach einer Definition des deutschen Mittelstands dessen Spezifika bei der Berichterstattung dargestellt werden.
Neben aktuellen Standards werden grundsätzlich die Informations- und Publizitätspflichten an externe Anspruchsgruppen in zwei große Blöcke unterschieden, den Pflichten auf Basis von handels- und gesellschaftsrechtlichen Gesetzen sowie den Pflichten, welche aus kapitalmarktrechtlichen Gesetzen resultieren.
Zentrales Element der Finanzberichterstattung ist der Jahresabschluss eines Unternehmens. § 264 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 242 HGB bildet dazu den Einstieg in die Berichterstattungspflichten einer Gesellschaft, da dieser besagt, dass die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft einen Jahresabschluss erstellen müssen, diesen um einen Anhang – welcher mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet – zu erweitern sowie all dies mit einem Lagebericht zu ergänzen haben.[130] Der Sinn und Zweck der gesetzlichen Verpflichtungen zur Aufstellung des Jahresabschlusses sind im Wesentlichen:
Die Dokumentation der Geschäftsvorfälle des Geschäftsjahres und der damit verbundenen Vermögen (Bilanz) und Erfolge (GuV) mit dem Ziel, diese zum Zwecke der Beweisführung zu sichern,
die gesellschaftsrechtliche Vermögens- und Gewinnverteilung darzustellen sowie
die Basis für die Informationen oder Rechenschaft gegenüber Dritten, insbesondere Kapitalgebern und Gläubigern zu legen.[131]
Oben genannter Umfang der Berichterstattung ist abhängig von den verschiedenen Größenklassen, welche in § 267 HGB definiert werden.[132] Mit steigender Unternehmensgröße nimmt der Umfang der zu beachtenden Vorschriften zu. Diese Größenklassen werden zusammenfassend in Tabelle 3 dargestellt:
Tabelle 3: Größenklassen von Unternehmen gemäß § 267 HGB[133]
Unabhängig von den Größenklassen werden Gesellschaften, welche an einer Börse notiert sind, immer als große Kapitalgesellschaft angesehen und sind daher voll offenlegungspflichtig gemäß § 267 Abs. 3 HGB.
Im Gegensatz zu den strengen Erstellungsvorschriften des Jahresabschlusses bietet der Lagebericht relativ große Gestaltungsspielräume für Erläuterungen, weswegen dieser auch eine große Rolle bei der Umsetzung des IR-Ansatzes spielt.[134]
Im Rahmen der Unternehmenskommunikation gewinnt der Lagebericht, welcher gemäß § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB von allen mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften sowie haftungsbeschränkten Personengesellschaften erstellt werden muss, immer mehr an Bedeutung, da dieser neben quantitativen Angaben auch qualitative Aussagen enthält.[135] So regelt § 289 HGB den Inhalt des Lageberichts einer Einzelgesellschaft. Die parallele Vorschrift zum Erstellen eines Konzernlageberichts ist § 315 HGB, welcher bis auf kleine Ausnahmen, inhaltlich § 289 HGB entspricht.[136]
Der (Konzern-) Lagebericht hat neben der Rechenschafts- auch eine Informationsfunktion, da gemäß § 289 bzw. § 315 Abs. 1 HGB ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens/ Konzerns vermittelt werden soll. Unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) sollen der Abschluss und insbesondere der Lagebericht ein wahrheitsgemäßes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darstellen. Da dieser jedoch mit seinem Bestandteil des Prognoseberichts sowohl über die Zukunftsaussichten, als auch über die Chancen und Risiken des Unternehmens berichten soll, geht der Zweck des Konzernabschlusses einschließlich des Lageberichts immer mehr in Richtung Informationsvermittlung.[137] Hier wird der Lagebericht oftmals dazu benutzt, um durch die Veröffentlichung von Informationen Vertrauen bei den Anspruchsgruppen zu schaffen. Im Gegensatz zu den reinfinanziellen Abschlusszahlen bietet der Lagebericht den Unternehmen die Möglichkeit, umfassend über Gründe der Entwicklung sowie der damit korrespondierenden Strategien anhand zusätzlicher nichtfinanzieller Leistungsindikatoren zu berichten.[138]
Diese genannten Vorschriften gelten des Weiteren auch für Personengesellschaften, sofern nicht mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche oder eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. Dies betrifft in der Praxis häufig mittelständische Gesellschaften, welche in der Rechtsform der GmbH & Co. KG bestehen und somit von den Rechnungslegungs- und Offenlegungsplichten betroffen sind.[139] Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle erwähnt, dass die Größenklassen des § 267 HGB auch auf eingetragene Genossenschaften (eG) sowie alle unter das Publizitätsgesetz (PublG) fallenden Gesellschaften anzuwenden sind, welche aus diesem Grund auch einen Lagebericht aufzustellen haben. Unabhängig von der Größe und Rechtsform müssen alle Finanz-, Kredit- und Versicherungsunternehmen einen Lagebericht erstellen.[140]
Neben dem klassischen Bankkredit gewinnen alternative Finanzierungsformen wie z.B. Unternehmensanleihen gerade im Mittelstand immer mehr an Bedeutung. Für Unternehmen, welche damit Zugang zu einem Kapitalmarkt haben,[141] gelten verschärfte Vorschriften. Als Folge des Handelns am Kapitalmarkt müssen diese Gesellschaften regelmäßig Halbjahresfinanzberichte, Zwischenmitteilungen und Quartalsfinanzberichte veröffentlichen, um die Transparenz von Seiten der Unternehmen zu stärken.[142] Diese Halbjahresberichte müssen mindestens aus einem verkürzten Abschluss, einem Zwischenlagebericht und einer Erklärung über den Bilanzeid gemäß § 264 Abs. 2 S. 3 und § 289 Abs. 1 S. 5 HGB bestehen. Um die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt zu sichern, müssen diese Berichte der Öffentlichkeit im Rahmen der Übermittlung an das Unternehmensregister gemäß § 37w Abs. 1 S. 4. WpHG zugänglich gemacht werden.[143] Die gesetzlich geforderte Erstellung von regelmäßigen Berichten zeigt auf, wie wichtig es für die Unternehmen ist, eine konsequente Kommunikation mit den Schlüsselanspruchsgruppen zu betreiben. Daher ist es umso wichtiger, prägnante und verknüpfte Informationen bereits vorliegen zu haben, um die Erstellung der Berichte so kurz wie möglich zu halten.
Damit ein Bericht für alle Adressatengruppen als Entscheidungsgrundlage dient, muss dieser so aufgebaut sein, dass ein standardisierter Vergleich mit...