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E-Book

Kanadisches Scherzo

AutorCurt Mehrhardt-Ilow
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783440161777
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Im Norden Kanadas, fernab der Zivilisation, führte Curt Mehrhardt-Ilow Anfang des letzten Jahrhunderts ein Leben als Jäger und Trapper. Über seine Erlebnisse und Begegnungen schrieb er vor Humor sprühende Geschichten. Diese Jagderzählungen zusammengefasst, sind ein Klassiker, der in jede Jagdbibliothek bereichert.

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Leseprobe

ZWEITES KAPITEL
Hill Farm


Freds Haus lag auf einem Hügel mit weiter Fernsicht. In der Nähe waren einige sloughs, kleinere, mit Gebüsch umgebene Seen und Teiche, die nach dem Waldgebirge zu zahlreicher wurden.

Das Haus, aus doppelten Brettern, bestand aus einem großen unteren Raum und zwei Zimmern im ersten Stock. Nur in dem großen Raum unten war ein Heizofen, außerdem stand dort der große Küchenherd.

An der einen Seite war ein Anbau, der als eine Art Vorratsraum diente, wo sich auch die typische kanadische Waschgelegenheit befand, bestehend aus einer alten Kiste, einer blechernen Waschschüssel, einem Handtuch, einem Stück Seife in einer an die Wand genagelten alten Konservendose, einem Bleikamm, der an einer Kette hing, und einem Spiegel!

Im Zimmer stand außer dem Tisch, mehreren Stühlen, einer riesigen Kommode und einigen Koffern das Prachtstück, ein Sofa!

In dem großen Raum oben schlief Fred mit seiner Familie, Frau und vier kleinen Mädchen. Das kleine Zimmer daneben erhielt ich, möbliert mit einem riesigen, zweischläfrigen Bett, fast so groß wie der ganze Raum.

Die Fenster waren, wie überall in Kanada, Schiebefenster, deren untere Hälfte nach oben hochgeschoben wurde, wenn man das Fenster öffnen wollte.

An einer Seite war das Renommierfenster, ein Riesending mit bunten Scheiben, das von der Schneidemühle, die derartige Farmhäuser fix und fertig herstellte, als Gratisbeilage mitgeliefert und von den Farmern hoch geschätzt wird!

Dieses Renommierfenster sollte sich gelegentlich eines Schneesturmes höchst unangenehm bemerkbar machen und soll deshalb hiermit erwähnt werden.

Wollte man ein Fenster nun zum Teil öffnen, so mußte die untere Hälfte hochgeschoben und ein Gegenstand daruntergestellt werden. Gewöhnlich benutzte man auf der Farm dazu die Kleiderbürste, da sie doch kaum anderweitig Verwendung fand!

Alle Familienmitglieder, wie auch gelegentlich Gäste, wuschen sich im Vorraum in der Blechschüssel und trockneten sich an dem einen Handtuch ab!

Wasser wurde in einer auf einem primitiven Schlittengestell stehenden Tonne aus dem ungefähr zweihundert Meter entfernten Ziehbrunnen herangefahren. Aus dieser Tonne, in der eine Kelle lag, schöpfte jeder nach Bedarf das köstliche Naß! Wer die Tonne leerte, musste sich Hilfe suchen, um sie wieder zu füllen.

Um das Haus herum zog sich ein gepflügter Streifen Land als Schutz gegen Präriefeuer, in dem aber bei dem sorglosen Fred Gerste wuchs, da er, als er gerade seine Sämaschine, in der noch Gerste war, für Weizen brauchte, über diesen Feuerschutzstreifen fuhr, damit nichts umkomme!

Die landwirtschaftlichen Maschinen, zum Teil wertvolle Geräte, standen oder lagen überall im Freien herum, rostig und verdreckt, ebenso die Wagen und Schlitten.

Ungefähr sechzig Schritte entfernt lag der Stall, an einem Abhang zu drei Vierteln in die Erde eingegraben, die Wände halb zerfallen. Darin standen die Acker-, Reit- und Wagenpferde, darunter meine spätere Freundin, das Sattelpony Dora, einer der größten Gauner von ganz Kanada! Ferner hausten dort die Hühner und Puten, wie es ihnen gerade paßte!

Freds erstes Wohnhaus, eine Bretterhütte mit schmaler Tür und zwei Fenstern, diente als Futterraum. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, die Tür, ein neues Patent, wurde jedesmal mit einem Stein, der zu diesem Zweck dort lag, und einem Riesennagel lose angenagelt, da Fred die ehemaligen Angeln anderweitig gebraucht hatte!

Die Scheune war ein Ding für sich! Fred hatte sie vor Jahren erbaut. Als er die Dachsparren aufgesetzt hatte, überraschte ihn der Winter, er kam nicht mehr dazu, das Dach zu vollenden, und so diente die Scheune denn seit dieser Zeit als »dachloser« Getreidespeicher!

Der Brunnen war weiter nichts als ein fünf Meter tiefes, quadratisches Loch, innen mit Brettern verkleidet. Am Rande lag ein Eimer, der an einem Strick mit kühnem Schwunge, der gelernt sein wollte, hinabgeworfen und gefüllt wieder heraufgezogen wurde!

Ein großer, mit Draht eingezäunter Platz diente den Kühen als Nachtquartier, die »pasture«.

Kühe, Pferde und Schweine, darunter das urkomische Tier Munko und das Shealdsschwein, von denen ich mehr zu erzählen habe, trieben sich nach Belieben frei herum.

Die Kühe kamen jeden Abend entweder von selbst zurück, um gemolken zu werden, wohl auch der Kälber wegen, die um das Haus herum angepflockt waren, solange sie noch tranken, oder sie mußten geholt werden.

Das Sattelpony war ganz wild darauf, die Kühe nach Hause zu treiben! Es machte das ganz allein, man brauchte es nur laufen zu lassen. Die letzten und langsamsten biß es sogar ins Hinterteil!

Ferner gab es noch einige Katzen und Bob, einen großartigen Köter!

Fred und seine Frau hatten es schwer, sehr schwer! Abgesehen von der Arbeitszeit im Sommer, wo Erntearbeiter und ein Hausmädchen angenommen wurden, machten sie alles allein!

Man denke: Morgens zwölf Kühe melken, Vieh und Pferde besorgen und Frühstück zurechtmachen. Dann fuhr Fred aufs Feld, die Frau versorgte das Kleinvieh, kochte Mittag und kümmerte sich um die vier Kinder von einhalb bis fünf Jahren! Mittags wieder Pferde füttern, am Abend nochmals, dazu das Vieh, Abendbrot machen, die Kühe holen, und, zum Schluß, wieder die zwölf Kühe melken!

Dazu die Milch entrahmen, buttern, backen, schlachten, Holz besorgen und klein hacken, das Haus reinigen, nähen, ausbessern, kurz, es war harte, schwere Arbeit, und es konnte eben nur das Allernotwendigste gemacht werden. Diese für unsere Begriffe haarsträubenden Zustände sind auf den meisten Farmen, soweit es sich um Ansiedler handelt, die Regel!

Der Leutemangel und der dadurch bedingte sehr hohe Lohn zwingt den Farmer, allein fertig zu werden.

Geheizt wird mit Holz, das aus dem Walde im Winter in ganzen Stämmen mit dem Schlitten geholt und mit der Axt zerkleinert wird.

Alle sonstigen Bedürfnisse mußten in der nächsten »town« W., einer deutschen Siedlung, die an einer anderen Bahnlinie, zwanzig Meilen entfernt, lag, gekauft werden.

Post gab es bei dem zwölf Meilen entfernt wohnenden Mister Whiteside, der zugleich Friedensrichter war.

Die nächsten Nachbarn, je drei Meilen entfernt, waren eine deutsche Familie namens Roloff und ein Engländer, John Little, der als Junggeselle in einer drei mal vier Meter großen Bretterbude hauste.

Der jungfräuliche Prärieboden war schwer und fruchtbar. Flachs, Weizen, Gerste, Hafer und Kartoffeln gediehen glänzend, aber Frost, Dürre und Hagelschlag vernichteten jedes Jahr wenn nicht alles, so doch einen Teil der Ernte.

Siebenundzwanzig Pferde und sechsundachtzig Kühe nebst Kälbern und Schweine hatte Fred selbst, aber ganze Herden von Vieh und Pferden trieben sich frei auf den endlosen Grasflächen der Prärie herum, verschiedenen Besitzern gehörend.

Das Ackerland war entweder durch Drahtzäune geschützt, oder das Vieh wurde bei seinem Erscheinen mit dem Sattelpony und den Hunden verjagt. Die Tiere wußten ganz genau, daß bestelltes Land »tabu« war, und nur selten versuchten sie, die verbotenen Fruchtfelder zu betreten.

Die ganz vorzügliche Milch wurde täglich zweimal entrahmt, d. h. durch die Zentrifuge gedreht, die Sahne in großen Blechkannen gesammelt und wöchentlich zur Post gebracht, von wo sie zur Molkerei versandt wurde. Es war dies die einzige regelmäßige Einnahme des Farmers!

Das Getreide mußte im Winter mit Schlitten zur Station gefahren werden, wo es von den Speichergesellschaften aufgekauft wurde. Vieh und Pferde konnten an gelegentlich vorsprechende Aufkäufer verhandelt werden.

Sämtliche landwirtschaftlichen Arbeiten wurden mit Maschinen ausgeführt, die fertig geschnittenen Ernten von Kolonnen, die mit Dreschmaschinen herumreisten, gedroschen, wobei sich die Nachbarn gegenseitig halfen, das fertig gedroschene Getreide einzufahren.

Futter, z. B. Hafer, wurde gleich in Garben, in großen Haufen aufgeschichtet, dicht beim Stall aufbewahrt und so verfüttert. Das Heu blieb da, wo es geschnitten worden war, in riesigen Mieten liegen, zum Schutz gegen das herumlaufende Viehzeug mit Stacheldraht eingezäunt.

Abgesehen von den mit niedrigem Buschwerk und vereinzelten Birkenstämmchen umgebenen Wasserlöchern war die Prärie öde und leer, trostlos in ihrer unendlichen Weite!

Vögel in allen Farben bevölkerten die Büsche, und Schmetterlinge wiegten sich über den Blumen. Alle paar Schritte traf man die Erdbaue der Gopher, einer Art Ziesel, vom Dachs und, hol᾿s der und jener, vom Stinktier!

Abends erhob sich das kläffende Heulen der Präriewölfe, die überall und nirgends ihr Unwesen trieben, eine fröhliche, unverschämte Gesellschaft!

In den Wasserlöchern und Teichen wohnten die Moschusratten und eine Art Molch, bis vierzig Zentimeter lang, aber keine Fische, da das Wasser alkalisch war, dazu riesige Mengen von Enten, seltener Gänse.

Auf den Feldern trieben sich die Kraniche umher, überall lockten die Präriehühner, während Hasen und Kaninchen seltener waren. Riesige Raubvögel zogen am Himmel ihre Kreise, und fast auf jedem Holzpflock oder Stein, der aus dem Boden hervorragte, saß ein amselgroßer Vogel mit gelb und braun gesprenkelter Brust und sang sein wehmütig ergreifendes Liedchen: die Prärielerche!

Unmassen von Fliegen und Moskitos, darunter einer mit drei...

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