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Klärungshilfe 3

Das Praxisbuch

AutorChristian Prior, Christoph Thomann
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
ReiheMiteinander reden Praxis 
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783644519312
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Konflikte - sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld - sind manchmal unvermeidlich. Trotzdem geht man ihnen gerne aus dem Weg. Das löst sie aber selten. Viel wichtiger wäre es, sich mit ihren Ursachen auseinanderzusetzen und Lösungswege zu erarbeiten. Hier setzt die Klärungshilfe an, indem sie besonderes Augenmerk auf die Beziehungsebene legt. In diesem Praxisbuch wird eine echte Konfliktmediation vom Anfang bis zur Lösung geschildert. In den Gang der Darstellung fließen zudem Überlegungen zur Methode, Hinweise auf Techniken und Fallstricke sowie die Gedanken des Klärungshelfers mit ein. Dadurch wird das Vorgehen der Klärungshilfe in kurzer Zeit für den Leser nachvollziehbar.

Dr. Christoph Thomann, geboren 1950 in Bern (Schweiz), Studium der Psychologie an der Universit?t Fribourg (Schweiz), Promotion am Fachbereich Psychologie Hamburg. Zusatzausbildung in Kommunikationspsychologie, Themenzentrierter Interaktion (TZI), Gestalttherapie und Psycholyse. Seit 1978 f?hrt er eine psychotherapeutische Praxis in Bern und arbeitet als Kl?rungshelfer in Unternehmen, Verwaltung und im Sozialbereisch. Er ist Seminar- und Ausbildungsleiter im Bereich Konflikte und Kl?rungshilfe. Christian Prior, geboren 1969 in Erlangen, Studium der Ingenieurwissenschaften in Augsburg und Preston (England) und anschlie§end der Psychologie an der Technischen Universit?t M?nchen. Zusatzausbildung in Systematischer Therapie/Organisationsbetreuung, Gendertraining und Kl?rungshilfe. Seit 1996 arbeitet er als selbst?ndiger Managementtrainer, Systemberater und vor allem als Kl?rungshelfer in Unternehmen, Ministerien und Kliniken. Lehrauftr?ge an verschiedenen Universit?ten und Fachhochschulen. klaerungshilfe.com christian-prior.de

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Leseprobe

4  Auftragsklärung


4.1 ZIEL: Abklären von Situation und Motivation, Schaffen von Vertrauen, Planen der Klärung


Aufträge zur Klärung von Konflikten kommen immer unerwartet. Aber nicht jede Anfrage führt wirklich zu einem Auftrag, und Klärungshilfe ist auch nicht immer angezeigt – manchmal sind andere Begleitungsformen sinnvoller: Coaching, Seminare, Organisationsberatung … Das Ziel der Auftragsklärung ist es, dies herauszufinden und dann gegebenenfalls das weitere Vorgehen abzuklären und zu organisieren.

Geht der Weg in Richtung Klärungshilfe, gestaltet der Klärungshelfer die Beziehung zum Auftraggeber allmählich so, dass gegenseitiges Vertrauen über die geschäftlichen Rollen hinaus möglich wird. Dies ist nötig, um für die schwierigen Phasen, die es in jeder Konfliktbearbeitung gibt, eine tragfähige Basis zu entwickeln. Der Auftraggeber liefert sich ja in einer für ihn wichtigen und heiklen Situation ganz seinem Begleiter aus. Ebenso der Klärungshelfer, der sich bewusst in schwierige und unangenehme Situationen begibt, die auch für ihn persönlich mit angespannter Atmosphäre und negativen Gefühlen, ja sogar mit der Gefahr des Scheiterns und der Rufschädigung verbunden sind. Daher brauchen beide Seiten mehr als nur eine geschäftliche Beziehungsgrundlage.

Der Klärungshelfer muss demnach eine innere Motivation verspüren, dem Auftraggeber vor allem helfen zu wollen und dabei sein Geld zu verdienen – und nicht umgekehrt. Er sollte nicht vom konkreten Auftrag abhängig sein und ihn nicht um jeden Preis wollen. Das befreit seinen Blick auf den zu klärenden Konflikt und befähigt ihn, den Auftraggeber vor der Annahme des Auftrags mit unangenehmen Fragen und Vermutungen zu konfrontieren.

 

Der Klärungshelfer klärt ab, ob seine drei Hauptbedingungen vom Anfragenden nicht nur akzeptiert, sondern auch mitgetragen werden:

  1. Es geht um die «Klarheit der Wahrheit», nicht nur auf der sachlichen, situativen und organisatorischen Ebene, sondern ebenso auf der kommunikativen und zwischenmenschlichen Ebene.

  2. Die Vergangenheitsbetrachtung bildet die Grundlage für die Klärung der Gegenwart und die Planung der Zukunft (Lösungen, Verabredungen).

  3. Negative Gefühle, die im Zusammenhang mit der Arbeit und dem Konflikt bestehen, werden nicht ausgeklammert, sondern als wesentlicher Klärungsinhalt betrachtet.

Des Weiteren geht es um das Design, also die Frage, für wie lange das Klärungsgespräch anzuberaumen ist, wer daran teilnehmen muss, wer daran nicht teilnehmen soll und um welche Fragen es mit welchen Zielen geht (siehe auch Checkliste S. 335; vollständige Darstellung der Theorie siehe «Klärungshilfe 2»).

4.2 Der Fall beginnt: Wie alles kam. Vorgespräch mit PD Dr. Luftmeier


Ein aktueller Kunde, Chefarzt, fragt telefonisch an, ob er meinen Namen an einen fernen Kollegen, PD Dr. Luftmeier, weitergeben darf, der ihn kürzlich in einer Konfliktsituation um Rat gefragt hat.

Ein paar Tage später ruft dieser mich an.

 

LUFTMEIER: Guten Tag, Herr Prior. Mein Name ist Luftmeier. Ich hab Ihre Telefonnummer von einem Kollegen.

KLÄRUNGSHELFER (KH): Ach ja, er hat mit mir vor kurzem telefoniert.

LUFTMEIER: Er hat Sie mir empfohlen zu dem Thema Konflikte. Deswegen wende ich mich jetzt auch an Sie. Haben Sie kurz Zeit für ein paar Fragen?

KH: Ja, habe ich 

Formen der Konfliktbegleitung


Was will der Auftraggeber, was braucht er? Jetzt gilt es, möglichst schnell zu erfassen, in welche grundsätzliche Richtung es mit dem Thema «Konflikte» gehen soll, denn davon ist das weitere Vorgehen in diesem Telefongespräch abhängig. Denkbar sind folgende Formen der Begleitung:

  • ein theoretisches Seminar (zum Beispiel «Umgang mit Konflikten»),

  • Beratungswunsch des Anrufers für sich selber oder für einen Mitarbeiter (zum Beispiel Coaching, Konfliktberatung),

  • Moderation eines akuten Konflikts, der geklärt und, wenn möglich, aufgelöst werden soll (allgemein: Mediation. Klärungshilfe besonders dann, wenn eine zukünftige Zusammenarbeit der Konfliktparteien nötig ist oder in Betracht gezogen wird).

KH: … um was geht es denn?

LUFTMEIER: Ich bin Arzt in einer internistischen Privatklinik. Wir haben hier in der Klinik seit kurzem, genauer gesagt seit eineinhalb Wochen, eine so eskalierte Situation, dass wir jetzt beschlossen haben, uns Hilfe zu holen. Wir müssen miteinander reden. Aber es geht nicht ohne eine neutrale Person, die uns in dem Gespräch begleitet. Könnten Sie das machen und hätten Sie überhaupt so kurzfristig Zeit für uns?

 

Es geht also um eine Konfliktmoderation.

Zwischenfrage: Wie fahren Sie fort?

  • Da Luftmeier «kurzfristig» einen Termin möchte, schaue ich zuerst in mein Zeitplanbuch, denn wenn ich keine Zeit habe, hat jedes weitere Verhandeln keinen Zweck.

  • Mein Ziel ist es jetzt, möglichst genau zu erfahren, was vorgefallen ist, damit ich mir ein Bild machen kann. Davon abhängig entscheide ich dann, ob ich den Auftrag annehmen will und mir Zeit dafür nehme oder nicht.

  • Als Erstes kläre ich, ob Luftmeier überhaupt der Richtige ist, um mit mir über den Konflikt zu sprechen. Ich verhandle bei Klärungen im beruflichen Bereich grundsätzlich nur mit dem höchsten am Konflikt beteiligten Hierarchen (Führungskraft).

Wer ist der richtige Ansprechpartner?


Wenn es sich um eine Anfrage für eine Vermittlung in einem Konflikt handelt, ist als Erstes herauszufinden, ob der Anrufende die «richtige» Person ist, mit der die Auftragsklärung durchgeführt werden muss. Die richtige Person ist die oberste am Konflikt beteiligte Führungskraft, sofern sie zu einer wirklichen Klärung motiviert ist – andernfalls deren Vorgesetzter, mindestens dieser muss motiviert sein – sonst wird nichts daraus.

Warum muss es eine solche Führungskraft sein und warum reicht es nicht aus, dass zum Beispiel ein Mitarbeiter anruft, an den der Kontakt zum Konfliktprofi delegiert wurde?

Die Lösung von Konflikten ist eine Führungsaufgabe und kann daher nur von der Führungskraft persönlich und direkt an einen Konfliktprofi übertragen werden (wenn sie es nicht selber machen möchte). Dabei kann lediglich die praktische Durchführung des Klärungsprozesses delegiert werden, nicht aber die Zuständigkeit dafür oder die Verantwortung für die erarbeiteten Lösungen. Diese bleiben durchwegs bei der Führungskraft. Daher ist ihre ständige Anwesenheit während der gesamten Konfliktklärung eine unumstößliche Bedingung.

Die Teilnahme der Führungskraft allein aber genügt nicht. Sie muss Vertrauen in den Klärungshelfer haben und «Klarheit durch Wahrheit» – den Kernpunkt der Klärungshilfe – voll und ganz wollen.

 

Um in den intensiven, schwierigen Phasen, in denen es dem Vorgesetzten möglicherweise angst und bange wird, eine tragende Basis zu haben, ist es wichtig, dass er und der Klärungshelfer eine gute, vertrauensvolle und unterstützende Beziehung haben. All dies lässt sich nur in einer persönlichen, ausführlichen Auftragsklärung vermitteln und entwickeln – sei es am Telefon oder bei einem Treffen (siehe Checkliste Auftragsklärung hierarchische Konfliktsituation [mit Führungskraft], S. 354).

Deswegen wird der Klärungshelfer früh im Gespräch in Erfahrung bringen wollen, ob er mit der für diesen Konflikt zuständigen Führungskraft spricht. Wenn dies nicht der Fall ist, dann bittet er den Anrufenden taktvoll, dass die entsprechende Führungskraft ihn anrufen soll. Sollte diese dazu nicht bereit sein, kann eine Konfliktklärung nicht stattfinden. Dann wird der Klärungshelfer mit dem Anrufer abklären, welche andere Maßnahme in der konkreten Situation angezeigt sein könnte, zum Beispiel ein Coaching des Anrufers.

Obwohl ich neugierig bin, zu erfahren, um was es sich handelt, zügle ich mich und will vorerst herausfinden, in welcher Position Luftmeier ist. Ist er Oberarzt, Chefarzt? Mit wem hat er den Konflikt – seinen Mitarbeitern, seinen Kollegen? Was sagt sein Vorgesetzter dazu, falls er einen hat?

 

KH: Sie sagen, Sie haben in Ihrer Klinik eine so schwierige Situation im Miteinander, dass Sie jetzt jemanden suchen, der Sie in einem klärenden Gespräch begleitet.

LUFTMEIER: Genau.

KH: In welcher Position sind Sie denn in der Klinik und wer ist am Konflikt beteiligt?

LUFTMEIER: Ich bin Chefarzt, und die anderen sind meine beiden Kollegen.

KH: Wer ist denn Ihr Vorgesetzter und was sagt der zu Ihrer Situation?

LUFTMEIER: Wir sind eine Privatklinik, und meine beiden Kollegen sind mit mir die Gesellschafter, also Eigentümer. Wir sind sozusagen unsere eigenen Chefs.

Zwischenfrage: Welchen Einfluss hat die Tatsache, dass die drei Konfliktparteien auf der gleichen hierarchischen Ebene tätig sind, auf Ihr weiteres Vorgehen in diesem Gespräch?

  • Keinen. Ich begrüße es, dass die drei Chefärzte sich sozusagen freiwillig zu einer Klärung entschlossen haben, und höre weiter zu, was los ist.

  • Bei einem Konflikt auf hierarchisch gleicher Ebene will...

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