Fitness und Sportlichkeit sind derzeit in aller Munde. Ein Blick auf die Stars der 90er Jahre lässt das Ideal des schlanken, aber vor allem sportlich durchtrainierten, Körpers erkennen. Wer in ist, macht Aerobic, Tae-Bo, fährt Inline-Skate oder spielt Golf.
Wie schon im Kapitel 1 erörtert, ist der Körper Träger gesellschaftlicher Normen und Werte und somit ein Ort der Selbstinszenierung. Der Körper stellt im Sport ein zentrales Moment dar und bietet ein Terrain zur Erlangung von Prestige. Daher kann insbesondere der Sport über das Medium Körper zum Erwerb sozialer Anerkennung beitragen und damit Einfluss auf die personale Identität nehmen und zur Selbstakzeptanz und Selbstverwirklichung beisteuern.
Sportlichkeit liegt im Trend und nimmt in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert ein. Sie hat sich zu einem Kulturphänomen oder wie der Soziologe von Krockow den Sport nennt, zum Faszinosum unserer Zeit entwickelt, der von politischer, wirtschaftlicher, sozialer, biologischer und pädagogischer Bedeutung ist.
Vor allem im Alltag von Jugendlichen nimmt Sport heutzutage eine wichtige Rolle ein. Einer Umfrage zufolge, die unter 10- bis 15- jährigen Jugendlichen durchgeführt wurde, treiben 67% der Mädchen und 76% der Jungen einmal wöchentlich und häufiger Sport (vgl. Fuhs, 1996)[5].
Bei der Frage nach der Motivation zum Sporttreiben gaben die Jugendlichen als Hauptmotiv an, dass sie sich körperlich fit halten wollen. Diese Begründung wurde sowohl von den Jungen, als auch von den Mädchen angegeben. Sportlichkeit gilt demnach als Ausdruck von Gesundheit, Stärke und Leistungsfähigkeit. Sportliche Aktivität soll den eigenen Körper entsprechend dieser Werte formen und erhalten.
Die Umfrage bestätigt zugleich, dass Sport zu den wesentlichsten Freizeitbeschäftigungen gehört.
Sport wird zudem eingesetzt, um den Körper entsprechend der Attraktivitätsvorstellungen zu gestalten. In Zeitschriften für junge Frauen finden sich Bauch-Beine-Po-Übungen, die den Körper in die richtige Form bringen sollen.
„Sportlichkeit ist zu einem bedeutsamen Stilelement erotischer Körperinszenierung beider Geschlechter geworden. Diese Verknüpfung wird auch von Jugendlichen längst praktiziert“ (Rose, 2002, S. 16).
Dass gerade der Körper von den Jugendlichen benutzt wird, um sich im Wettkampf nach Anerkennung und Prestige zu behaupten, begründet Zinnecker damit, dass der Körper eine Kapitalsorte ist, die – anders als Besitz und Bildung – schon frühzeitig, relativ leicht und vor allem schnell zugänglich ist (vgl. Zinnecker, 1999).
Der Sport als Träger gesellschaftlicher Werte äußert sich jedoch nicht nur im realen Sportengagement. Eine gruppenkulturelle Zuordnung ist ebenso durch Stil-Accessoires wie Kappen, T-Shirts, Alltagsgegenstände mit Sport-Emblemen oder in der Verherrlichung von Sportidolen möglich. So ist Tiger Woods[6] heute für die meisten Jugendlichen ein Begriff, obwohl nur eine sehr geringe Minderheit der Jugendlichen Golf spielt. Auf die Nutzung solcher Stil-Accessoires weist Rose in ihrem Bericht Sportlichkeit als Stil (vgl. Rose, 2002) hin und begründet damit zugleich den Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit, der unter den Jugendlichen vermehrt diagnostiziert wird.
Das durch den Sportlich repräsentierte positive gesellschaftliche Bild wird automatisch dem sportlich Aktiven zugeschrieben. Und auch im Sport gilt Ohne Fleiß kein Preis; dort ausgeübte Werte wie Disziplin und Zielstrebigkeit sind im gegenwärtigen kulturellen Umfeld wichtige Eigenschaften.
Sport kann ebenso Auskunft über den sozialen Status geben. Viele Sportarten, insbesondere Skifahren, Snowboarden, Golfen und auch die Mitgliedschaft in einem Fitness-Club, sind von finanziellen Möglichkeiten abhängig und daher eher als Sportarten der oberen Schichten einzuordnen. In Amerika sind es Polo oder Yachting, die zu Sportarten der upper class zählen (vgl. Weiß/Russo, 1987).
„Gerade heute haben die Sportarten der höheren Schichten aufgrund der gewachsenen Konsummöglichkeiten für mittlere und untere Klassen hohe Anziehungskraft“ (Weiß/Russo, 1987, S. 71). Auf diese Weise stellen Weiß und Russo die Verbindung von Sport und Prestigegewinn her, die als Motivation für das Sporttreiben angeführt wird. Golf – als Sportart der oberen Schichten – bezeichnet derzeit in Deutschland einen hohen Beliebtheitsgrad. Allein der DGV[7] registriert in Deutschland eine Zuwachsrate von 7,3% bezüglich der Mitgliedschaften im vergangenen Jahr (vgl. Deutsche Golf Online GmbH, 2002).
Bei männlichen Jugendlichen stehen maßgeblich Werte wie Männlichkeit und Kraft im Vordergrund, welche eher im Motorsport oder Kraftsport aufgegriffen werden. Weibliche Jugendliche hingegen bevorzugen oftmals Sportarten wie Jazztanz oder Turnen, bei denen ästhetische Werte eine Rolle spielen.
Der Sport passt optimal in das Bild der neuen, modernen Gesellschaft, in der sich die Werte gewandelt haben. Das Streben nach Selbsterfahrung, das hedonistische Bedürfnis nach Wohlbefinden, nach Erlebnis und Vergnügen sind lebensbestimmende Komponenten. Der Sport bietet die Möglichkeit zur Individualisierung und zur Erfüllung dieser Bedürfnisse.
Zugleich wird ihm eine kaum übersehbare Vielzahl von Funktionen zugeschrieben:
Aus politischer Sicht wirkt der Sport völkerverbindend und er überwindet politische Grenzen, indem er nationales Prestige fördert. Beispielsweise wird bei den Olympischen Spielen die spezielle Leistung von einer Person oder einer Mannschaft geleistet, sie wird jedoch der ganzen Nation zugeschrieben.
Die sozialisierende Funktion des Sports lehrt den Menschen wichtige Werte und Normen wie Fairness, Solidarität, Anpassungsfähigkeit, Gleichberechtigung etc., die besonders in Mannschaftssportarten wichtig sind. Zudem bietet der Sport Möglichkeit zu einer sinnvollen Gestaltung der Freizeit. Heinemann nennt in diesem Zusammenhang die Kartharsis-Funktion, die dem Sport die Fähigkeit zuschreibt, Aggressionen, die in unserer Gesellschaft entstehen, oder die dem Menschen angeboren sind, zu kanalisieren und gefahrenlos abzubauen (vgl. Heinemann, 1980).
Auf pädagogischer Ebene trägt der Sport zur Identitätsfindung sowie zur Entwicklung der Persönlichkeit und des Selbstwertgefühls bei. Eine entscheidende Rolle spielt der Sport als Wirtschaftsfaktor im ökonomischen Bereich. Er bietet für die Wirtschaft in zunehmendem Maß einen Absatzmarkt und einen Werbeträger (vgl. Heinemann, 1984). Notwendige Sportausrüstungen lassen einen regelrechten Boom in der Sportartikelindustrie verzeichnen. Nicht zuletzt durch die Vermarktung in den Massenmedien können mit dem Sport große Geldsummen umgesetzt werden.
Aus ästhetischer Sicht ist der Sport eine Körper- und Bewegungskultur, in der sich der Mensch entfalten kann. Der gegenwärtige Gesundheitswahn schreibt insbesondere der biologischen Funktion des Sports eine wichtige Rolle zu. Sport schafft Bewegungsausgleich und besitzt eine gesundheitsfördernde und -erhaltende Wirkung. Heinemann spricht von einer „[…] engen assoziativen Verbindung von Sport und Gesundheit […]“ (Heinemann, 1980, S. 82). Gesundheit wird stets mit Leistung und Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht. Sport soll den Funktionszustand des Organismus verbessern und erhalten, was mit Fitness und Kondition bezeichnet wird. Schwierige Belastungen wie das Überwinden von Wettkämpfen und körperlichen Anstrengungen, sowie äußere und innere Störeinflüsse klimatischer, psychischer oder emotionaler Art abwehren zu können, bezeichnen Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit. Diese Eigenschaften setzen einen gesunden Körper voraus. Der Sport leistet quasi ein Gesundheitsversprechen (vgl. Gmünder Ersatzkasse, 1999).
Er bietet durch die Ausweitung und Differenzierung der Sportkultur und durch seine Vielfalt an Funktionen eine Basis für die Trägerschaft von Normen und Werten der Gesellschaft. Die Veränderungen seitens der Gesundheitsorientierung, des Körperbewusstseins oder dem Aspekt der Selbstfindung kann man als einen generellen Wertewandel ansehen, der sich auch im Sport widerspiegelt.
Hochgefühl durch Sport, so lautet die Überschrift eines Artikels aus der Frankfurter Rundschau vom 09.06.1985. Die These von Schreiber-Rietig beruht auf einer Umfrage der Psychologin Abele[8] und des Sportwissenschaftlers Brehm[9], die sich mit dem Sich-Wohlfühl-Phänomen beschäftigt haben. Der Umfrage zufolge erlebten ca. 75% der von ihnen befragten Sportler eine Verbesserung im Wohlbefinden. Dem hingegen konnten 10% keine Veränderung feststellen und 15% sprachen von einer geringfügigen Verschlechterung nach dem Sporttreiben.
Veränderungen konnten vor allem auf psychischer Ebene verzeichnet werden. So fühlten sich 25% der Sportler nach der sportlichen Aktivität ruhiger. 20% sprachen von einer...