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E-Book

Problemanalyse und Therapieplanung

AutorBernd Ubben
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783844428230
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Verhaltenstherapeuten erhalten mit diesem Buch einen Leitfaden an die Hand, der es ihnen ermöglicht, eigenständig und versiert Problemanalysen durchzuführen und Therapiepläne zu erstellen. Der Band liefert damit die Basis für eine kontrollierte Praxis. Therapeuten müssen für jeden Patienten den goldenen Weg aus einer optimalen Nutzung evidenzbasierter Therapieempfehlungen und dem maßvollen Einsatz neukonstruierter Behandlungsstrategien finden. Sie benötigen dafür ein gut benutzbares Arbeitsmodell, welches sie über den Pfad der notwendigen Diagnose- und Planungsschritte führt. Der Band veranschaulicht zunächst an klinischen Beispielen die Dialektik von Evidenzbasierung und Individualisierung. Er erläutert zudem die komplexe Aufgabe von Psychotherapeuten, den therapeutischen Arbeits- und Beziehungsprozess methodisch und interaktionell zu steuern. Der Hauptteil des Buches gibt Empfehlungen zum Ablauf der verhaltenstherapeutischen Probatorik und stellt zehn bewährte Module zur Erarbeitung von Problemanalyse und Therapieplanung vor. Alle Schritte dieses Weges werden anhand von Beispielen und Abbildungen veranschaulicht. Zahlreiche Arbeitsblätter unterstützen die Umsetzung des Vorgehens in der klinischen Praxis.

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Leseprobe

|4|1 Das Selbstverständnis der Verhaltenstherapie


1.1 Definition von Verhaltenstherapie


Psychotherapie wird durch das Psychotherapeutengesetz auf den Ebenen „Verfahren“, „Methode“ und „Technik“ definiert (Methodenpapier des Wissenschaftlicher Beirates Psychotherapie – WBP, 2014). Mit Verfahren ist gemäß Schweiger (2014) ähnlich wie beim Begriff der Theorie ein System oder konzeptuelles Modell gemeint, das „praktischen Nutzen haben und nicht komplexer als erforderlich sein“ sollte (Schweiger, 2014, S. 289; z. B. Psychoanalytische Psychotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Gesprächspsychotherapie, Verhaltenstherapie). „Eine Theorie der Entstehung und Therapie von Störungen sollte in sich konsistent sein, Erklärungswert haben und es ermöglichen, Hypothesen zu generieren, die empirisch überprüfbar sind“ (Schweiger, 2014, S. 289). Psychotherapie-Methoden erfüllen ebenfalls diese Voraussetzungen, sind allerdings auf eine bestimmte Störung bzw. Gruppe von Störungen begrenzt (z. B. Neuropsychologie oder EMDR). Psychotherapie-Techniken sind konkrete Vorgehensweisen, „mit deren Hilfe die angestrebten Ziele im Rahmen der Anwendung von psychotherapeutischen Methoden und Verfahren erreicht werden sollen“ (Schweiger, 2014, S. 290; z. B. Übertragungsdeutung, Stimuluskontrolle, Rollenspieltechniken).

Das Psychotherapieverfahren „Verhaltenstherapie“ wird in der Fachliteratur durch Grundprinzipien wie Bezug zur empirischen Psychologie, Problem-, Ziel- und Handlungsorientierung, Transparenz, Ansatz an den Aufrechterhaltungsbedingungen der Störung, Alltagstransfer, Hilfe zur Selbsthilfe und in ständiger Weiterentwicklung befindlich charakterisiert (vgl. Margraf & Schneider, 2009). In Abgrenzung zu anderen Psychotherapieverfahren lässt Verhaltenstherapie sich gemäß Schweiger (2014) vorrangig durch die folgenden drei Merkmale definieren:

  1. Basierung auf Befunden empirischer Forschung und speziell Lerntheorien.

  2. Erstellung von Verhaltensanalysen und plausiblen Störungsmodellen.

  3. Einsatz von Fertigkeitentrainings und Aktivitätsplänen.

|5|1.2 Psychotherapie als kontrollierte Praxis


Die genannten drei Kernmerkmale weisen darauf hin, dass Verhaltenstherapeuten sich zu einer kontrollierten Praxis verpflichten. Westmeyer (2009) ordnet diesem Konstrukt drei Aspekte zu:

  1. Heuristische Nutzung evidenzbasierter Wissensbestände aus der Psychotherapieforschung – Auf welche hier gebotenen Behandlungsempfehlungen oder evidenzbasierten Leitlinien greift der Therapeut in seinem Behandlungsplan zurück?

    Dieser Aspekt orientiert sich am deutlichsten am o. g. ersten Merkmal der Wissenschaftlichkeit. Therapeuten sollen hiernach ihre Behandlungspläne im Sinne einer heuristischen Nutzung wissenschaftlicher Befunde aus der Psychotherapieforschung und angrenzenden empirischer Wissenschaften (bspw. Medizin, Neurowissenschaften) zusammenstellen. Im einfachsten Fall kann sich die Behandlungskonzeption eng an Leitlinien und Manualen orientieren. Im Falle komplexer oder gemischter Störungen wären differenziell passende Methoden und Techniken auszuwählen.

  2. Diagnostik, Evaluation und Dokumentation des Behandlungsverlaufs – Welche klinischen Beurteilungen und/oder testdiagnostischen Evaluationsinstrumente werden eingesetzt, und wie wurde die Behandlungsplanung diesen Evaluationsergebnissen angepasst?

    Um die Therapieplanung für die Erfordernisse eines Einzelfalls maßzuschneidern und sie im Sinne einer rekursiven Therapieplanung flexibel an den tatsächlichen Behandlungsverlauf anzupassen, ist parallel zum Einsatz testdiagnostischer Instrumente für eine verhaltensanalytische Fundierung zu sorgen. Dieser Aspekt kontrollierter Praxis verlangt eine explizite diagnostische Fundierung der Therapieplanung. Sowohl zu Beginn der Behandlung im Rahmen der Planungsphase als auch begleitend zum laufenden Therapieprozess werden regelmäßig Evaluationsdaten erhoben und bei der Wahl der Behandlungsschritte berücksichtigt. Die Methodenkonzeption wird demnach in jeder Phase der Behandlung also ganz spezifisch auf die individuellen Aufrechterhaltungsbedingungen zur Störung des jeweiligen Patienten bezogen. Gerade bei nicht oder gering standardisierten Behandlungsabläufen ist eine prozessbegleitende Diagnostik erforderlich und zu prüfen, ob die geplanten Interventionen konsistent zum Behandlungsplan realisiert wurden. Bei solchen atypischen Therapieabläufen ist Evaluation besonders wichtig, um die Wirksamkeit der vom Therapeuten gewählten interaktionellen und methodischen Vorgehensweisen fortlaufend zu überprüfen und im Sinne einer rekursiven Therapieplanung permanent den gegebenen Bedingungen anzupassen. Gerade dann, wenn im Therapieprozess unerwartete oder unvorhersehbare Ereignisse eintreten, werden Therapeuten flexible Indikationsentscheidungen abverlangt. Hier kann der Therapeut nicht mehr auf standardisierte Handlungsregeln in unveränderter Form zurückgreifen. Er braucht eine elaborierte Suchheuristik, mit der er aus seinem allgemeinen Be|6|handlungswissen passende Methoden und Techniken auswählt. Außerdem profitieren erfahrene Praktiker in solchen Anforderungssituationen von ihrer subjektiven Wissens- und Erfahrungsstruktur.

  3. Adhärenz als Grad der Übereinstimmung zwischen den vom Behandler intendierten Behandlungsschritten und deren tatsächlichen Umsetzung in der Therapie – Hat der Therapeut die von ihm intendierten und mit dem Patienten vereinbarten Behandlungsschritte auch tatsächlich realisiert?

    Dieser Aspekt kontrollierter Praxis kennzeichnet am direktesten den tatsächlichen Arbeitsstil eines Therapeuten und lässt sich am ehesten dadurch sicherstellen, dass dieser sich regelmäßig einer fachkundigen verfahrensbezogenen Supervision unterzieht.

Beachte:

Kontrollierte Praxis bedeutet somit keinesfalls, dass Therapeuten einem deduktiven Modell der Erklärung und Vorhersage (Stegmüller, 1974) mit strikt universellen Gesetzen zu folgen haben. Psychotherapie entspricht vielmehr einem sehr komplexen Prozess, der sich gemäß Westmeyer (2009) nur probabilistisch vorhersagen lässt.

Allerdings formuliert das Prinzip der kontrollierten Praxis explizite Qualitätsansprüche an Behandler. Das erscheint auch deshalb berechtigt, da approbierte Psychotherapeuten gemäß ihrer Berufsordnung verpflichtet sind, die Qualität ihrer „Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen“ (Muster-Berufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer, 2014, Präambel S. 4). Außerdem ist die Gewährleistung der Qualitätssicherung durch die psychotherapeutischen Leistungserbringer sozialrechtlich relevant, da sie Krankenbehandlungen zum Gutteil zulasten der Sozialversicherungen abrechnen.

Einerseits lässt sich konstatieren, dass in Deutschland spätestens seit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes ein vergleichsweise sehr hohes Ausbildungsniveau etabliert wurde. Andererseits dürften im klinischen Versorgungsalltag hinsichtlich des Adhärenzkriteriums Abweichungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit bestehen. Neudeck und Einsle (2010, S. 247) weisen auf Studien hin, die zeigen, „dass Praktiker selten manualbasierte Expositionstherapien durchführen“, obwohl diese empirisch nachgewiesen zu den wirksamsten verhaltenstherapeutischen Standardmethoden bei der Behandlung bspw. von Ängsten und Zwängen gehören. Häufig weisen Therapeuten leitliniengemäß in ihren Antragsberichten auf geplante Expositionsinterventionen hin, ohne diese dann tatsächlich in den Behandlungen zu realisieren. Vermutlich würden sie befürchten, dass es bei Anwendung dieses anfordernden Vorgehens durch ihre Patienten zu Therapieabbrüchen käme. Als weitere Barriere wird ein mangelndes Training bezüglich Expositionstherapie angegeben.

|7|Standardisierung vs. Neukonstruktion von Problemanalyse und Therapieplanung – von zwei scheinbar kontroversen Positionen zu einem verknüpften Ansatz

Ist also der Therapieplan für einen bestimmten Patienten als...

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