Einstieg, Abgrenzung, Zielbestimmung
Wohlfahrts- und Sozialarbeit ist in unserer Gesellschaft und weltweit ein wachsendes Aufgabenfeld und eine zentrale Herausforderung. Ein Verband der freien Wohlfahrtspflege muss sich den immer dringlicheren sozialen Erfordernissen stellen, will er nicht den Kernbereich seines Wesens verletzten, diesen verleugnen und den Anschluss an die sich vollziehende Entwicklung verlieren.
Um wirksame Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können, bedarf es der Erfassung bisheriger sozialer Dienstleistungen, erkennbarer neuer sozialer Herausforderungen und bestehender Möglichkeiten. Aus der Erfassung lassen sich zeitgemäße Hilfsstrategien entwickeln und bisherige Konzepte den veränderten Erfordernissen anpassen.
Mit dem vorliegenden Projektbericht soll ansatzweise Aufschluss darüber gegeben werden,
wo das Rote Kreuz im Bereich der ehrenamtlichen Wohlfahrts- und Sozialarbeit steht,
welche Überlegungen zur Weiterentwicklung des Leistungsspektrums angestellt werden und
wie sich diese in der Perspektive auf örtlicher und überörtlicher Ebene letztlich auswirken.
Wohl wissend, dass Wohlfahrts- und Sozialarbeit immer schon zu den Aufgaben des Roten Kreuzes gehört hat, müssen wir zugestehen, dass im Zuge der heutigen Zeit, die von Dynamik der Entwicklung, zunehmender Komplexität, Globalisierung und vielen anderen Faktoren bestimmt wird, ein verändertes Herangehen an alte und neue Herausforderungen angezeigt erscheint.
Da wird es uns sicherlich nicht gelingen, mit einer kleinen Studie die Gegebenheiten umfassend zu erhellen, die Verhältnisse zu durchleuchten und den Handlungsbedarf eindeutig zu bestimmen. Doch auch der Vorstoß in Richtung von mehr Klarheit und erweiterter Erkenntnis erscheint hilfreich, um den Notwendigkeiten Handlungsstrategien gegenüber zu stellen und aktiv in das sich vollziehende Geschehen einzugreifen.
Das Projekt ist eine Momentaufnahme und lässt sich nur als Pilotstudie charakterisieren. Für eine umfassende Untersuchung stehen derzeit die erforderlichen Mittel leider nicht zur Verfügung. Insoweit ist die Aussagekraft der erzielten Ergebnisse begrenzt, aber sicherlich nicht nutzlos. Stellen sie doch einen neuen Ausgangspunkt für weiterführende Betrachtungen dar.
Unser Ziel ist es, ein mehr an Klarheit als Voraussetzung für das Wirksamwerden des Verbandes zu schaffen. Dabei steht die örtliche Ebene im Zentrum der Überlegungen. Erst in einem weiteren Schritt werden sich überörtliche Perspektiven für die Wohlfahrts- und Sozialarbeit, sowie die Fortentwicklung des Wohlfahrtsverbandes entwickeln lassen.
Wohlfahrts- und Sozialarbeit
Wohlfahrts- und Sozialarbeit soll Menschen Hilfestellungen in Form von Hilfe zur Selbsthilfe bieten, um ihr Leben weitestgehend selbstbestimmt in den Griff bekommen zu können. Diese erforderliche Hilfe kann höchst unterschiedlicher Natur sein und adressatenbezogen abweichende Formen annehmen. Ausgangspunkt ist jeweils die Bedarfssituation beim Dienstleistungsempfänger. Sie oder er sind insoweit bestmöglich unter Wahrung ihrer personalen Würde in das Geschehen einzubeziehen.
Nicht ein Überstülpen von Standardkonzepten ist angesagt, auch wenn ein Verband darum bemüht sein muss, Synergieeffekte zu erzielen und sparsam mit den knappen Ressourcen umzugehen. Insoweit wird man eine Gratwanderung zwischen individuell gegebenem Bedarf und verbandsbezogenen Möglichkeiten vollführen müssen – eine Gratwanderung, die gegebenenfalls von beiden Seiten das Zugestehen von Abstrichen erfordert.
Im Rahmen der Wohlfahrts- und Sozialarbeit kommt nicht nur ethisch-moralische Bindung des Handelns, sondern letztlich auch die erreichte kulturelle Position zum Ausdruck. In beidem lässt sich die gesellschaftliche Entwicklungsstufe ablesen, aber auch vorhandener Veränderungsbedarf erkennen, den es durch gemeinsame Anstrengung anzugehen gilt, sodass sich wünschenswerter Fortschritt einstellt.
Wohlfahrts- und Sozialarbeit reduziert individuelle Belastungen, kann jedoch die Zumutungen des Lebens nicht gänzlich beseitigen. Insoweit bedarf es auch des Mutes zur Lücke, der Anerkennung der Tatsache, das das Schlaraffenland in dem die Trauben in den Mund wachsen noch fern ist. Hilfen sind allemal besser, als ein Warten darauf, dass sich die Verhältnisse von selbst verbessern.
Herausforderungen
Sowohl örtlich, national, aber auch international sind wir mit wachsenden Herausforderungen im sozialen Bereich konfrontiert. Sie sind Kennzeichen bestehender Ungleichgewichte, ungelöster Konflikte und Fehlsteuerungen. Sie sind aber auch Ausdruck von bestehenden Machtinteressen und vorrangig eingeforderten Ansprüchen über deren Legitimität die Meinungen naturgemäß auseinander gehen.
Mit den bestehenden Herausforderungen verbindet sich ein Handlungsauftrag, dem gegenüber Stellung zu beziehen ist. Es genügt nicht darauf hinzuweisen, dass irgendwann irgendjemand tätig werden müsste, um etwas zu veranlassen. Jammern alleine hilft nicht. Es überwindet nicht die immer wieder deutlich werdenden vorhandenen Defizite, Fehlsteuerungen und Resutate menschlichen Versagens.
Gerade unsere schnelllebige Zeit droht uns zu überfordern, da vielfältige Wandlungsprozesse gleichzeitig ablaufen und in ihrer Summe zumindest Einzelne an ihre Grenzen oder gar darüber hinaus führen. Hier Hilfestellung zu bieten ist nicht nur Aufgabe von Führungskräften. Es ist eine Aufgabe für uns alle. Denn nur im Miteinander lassen sich die heutigen Herausforderungen überwinden und die bestehenden Zumutungen bewältigen.
Nicht die vorhandenen Herausforderungen sind letztlich das entscheidende Problem, sondern die Strategie und das Potential zu deren angemessener Überwindung. Da wird Kreativität, Flexibilität und Offenheit unverzichtbar sein, ein Festhalten an bürokratischen Regelungsmechanismen allenfalls eine trügerische Scheinsicherheit vermitteln können.
Berührtheit
Unsere Berührtheit erwächst aus einem humanistischen Selbstverständnis und einer entsprechenden Grundorientierung, aber auch aus glaubensbedingten Forderungen und Anforderungen, denen wir meinen uns stellen zu müssen. Sie entfalten eine verhaltensbeeinflussende Wirkung, die sich im jeweils praktizierten Handeln nachvollziehbar niederschlägt.
Berührtheit setzt voraus, sich berühren zu lassen. Dabei hilft die Gewissheit, dass Jede und Jeder im Laufe seines Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen sein kann und von da her auch selbst zur zumutbaren Hilfe bereit sein sollte, wenn er im Bedarfsfalle Hilfe erwartet. Bereits mit der Mitgliedschaft beim Roten Kreuz wird dies individuell ausdrücklich anerkannt und es sollte nicht nur bei einer rein deklaratorischen Erklärung bleiben.
Gerade die wechselseitige Bestärkung im Handeln wird im Rahmen einer Hilfsorganisation zur tragenden Kraft, die mehr erreichen lässt, als zunächst erhofft wurde. Und das Verteilen der Last auf viele Schultern lässt diese Last leichter ertragen. Langjährig ehrenamtlich Tätige können davon und auch von der individuellen Freude und Befriedigung aus geleisteter Hilfe berichten.
Angesichts des bestehenden Bedarfs und der subjektiven Berührtheit positive Akzente zu setzen, bringt uns alle eher weiter, als alleine Forderungen an andere zu stellen, so notwendig diese auch sein mögen. Ein positives Beispiel überzeugt letztlich mehr. Es skizziert ein Bewusstsein, das nicht nur die Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung als Aufgabe sieht, sondern auch die Rückbindung zu Mitmenschen und einzelnen sozialen Gebilden.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Wenn wir den Einstig in die Thematik und die Darstellung der bestehenden Herausforderung zusammenfassen, so lässt sich aus grundsätzlicher Sicht festhalten, dass
Wohlfahrts- und Sozialarbeit Kennzeichen einer sozial verpflichteten Gesellschaft darstellen und Aufschluss über die Verwirklichung ehrenwerter Ziele geben,
wir uns im sozialen Bereich einem wachsenden Aufgabenfeld und zunehmenden Herausforderungen gegenüber sehen, die wir nicht einfach vernachlässigen dürfen und
unsere Berührtheit uns dazu drängt, der bestehenden sozialen Mitverantwortung – auch bei Wahrnehmung und im Wissen um bestehende Defizite und Angebotslücken – hinreichend Rechnung zu tragen.
Wahrnehmung von Mitverantwortung wird hier zu einer tragenden Säule des Gemeinwesens, zu einem Element der Sicherung lebenswerter Verhältnisse für...