Sie sind hier
E-Book

Randonnée

Zweifeln. Losfahren. Ankommen. Ein Ultracycling-Tagebuch

AutorDavid Misch
VerlagEgoth Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl258 Seiten
ISBN9783902480477
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Autor selbst fragt sich: Was muss man für ein Mensch sein, um in acht bis zwölf Tagen 5000 Kilometer auf dem Rad quer durch einen Kontinent zu fahren? Wie geht man als Sportler mit herben Niederlagen um und ist Scheitern zwangsläufig eine negative Erfahrung? Zwischen 2010 und 2013 hat David Misch neben Studium und später Job einige der schwierigsten Ultracycling Bewerbe - so nennt man Nonstop-Radrennen jenseits der 24 Stunden im Fachjargon - bestritten und dabei zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Er erlebte einige der schönsten aber auch schwersten Momente seines Lebens, und mit ein bisschen zeitlichem Abstand berichtet er nunmehr darüber. Zeigen will Misch, dass selbst ein 'Durchschnittstyp' Unvorstellbares leisten kann, wenn er es nur aus eigenem Antrieb und den richtigen Gründen tut. Seine Erlebnisse teilt er in einer Mischung aus Nacherzählung und 'Tagebucheinträgen' - hierbei handelt es sich eigentlich um Textfragmente, die schon damals in seiner aktiven Zeit verfasst, aber bisher nicht verwendet wurden - mit. Randonnée, französisch für 'Ausflug' oder 'Tour', ist somit die Reise in die Welt des Extrem-Radsports, mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten.

Dr. David Misch, 1985 in Wien geboren, entdeckte seine Leidenschaft für den Langstreckenradsport erst spät. Im Alter von 25 Jahren nahm er an seinem ersten Ultramarathon über 1000 Kilometer teil, schon drei Jahre später stand er am Start des legendären Race Across America. Auch nach seiner aktiven Karriere bleibt er in der Ultracycling-Szene verwurzelt. So trat er 2015 als Betreuer von RAAM-Sieger Severin Zotter erneut die abenteuerliche Reise quer durch die USA an. David Misch lebt mit seiner Frau Claudia und seiner Tochter Jana in der Steiermark und ist in der Forschung tätig. Die Energie für seinen Berufsalltag holt er sich nach wie vor auf dem Rad, wenn auch über weit kürzere Distanzen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

1. SELBSTREFLEXIONEN EINES SPORTLERS


Schon während meiner aktiven Zeit (in diesem Fall etwa vor fünf Jahren) habe ich mir häufig Gedanken über Sinn und Unsinn meines Tuns gemacht. Der nachfolgende Text spiegelt dies wider und mit etwas Abstand gelesen ist es für mich selbst interessant, was ich mir damals so gedacht habe. Daher möchte ich ihn an dieser Stelle wiedergeben, bevor ich mit meinen Erzählungen fortfahre.

Ein egoistischer Selbstdarsteller? Keine anderen Probleme im Leben, keine sinnvollere Beschäftigung gefunden? So oder so ähnlich kann die typische Reaktion auf das Hobby zusammengefasst werden, welches mich fasziniert und jeden Tag beschäftigt – Langstrecken-Radrennen.

Für mich ist die Frage „Muss es immer höher, schneller, weiter und extremer sein?“ nicht eindeutig zu beantworten. Nein, wenn der Grund dafür die Anerkennung von Facebook-Freunden ist, oder weil man einfach ein bisschen wichtiger als die anderen sein will. Ich habe es längst aufgegeben, irgendjemanden vom Sinn meines Sports zu überzeugen, das ist auch gar nicht nötig. Aber es geht eben nicht um das Beeindrucken von Fremden, sondern um die eigene Erfahrung. Etwas zu schaffen, was man sich niemals zugetraut hätte – oder eben auch nicht. Den endlos langen Weg zum Ziel nicht als Strafe, sondern als Privileg zu empfinden. Wenn man in der Nacht bei Regen auf dem Rad sitzt, trotzdem noch das Gute und Schöne an der Situation zu sehen. Natürlich ist es eine Illusion, das immer umzusetzen, jeder Mensch ist am Ende eben auch nur menschlich und Dinge negativ zu sehen, ist schon fast eine gesellschaftliche Pflicht in der heutigen Zeit. Aber das Gefühl, sich aus einer Krise selbst zu befreien, ist gerade deshalb so schön, weil es die Krise gegeben hat; die Größe des Ziels definiert sich erst durch die Schwierigkeiten beim Erreichen. Nach 2 000 Kilometern und vier Tagen nonstop auf dem Rad hat man keine Möglichkeit mehr sich zu verstellen, die Fassade aufrechtzuerhalten. Man wird nicht mutig, sondern wehleidig. Man ist nicht der Held, sondern merkt erst, wie schwach man eigentlich ist, wie launisch, wie zornig. Wie man die Menschen, die einen begleiten, schlecht behandelt, obwohl sie alles für ein Ziel geben, das nicht ihr eigenes ist. Aber gerade daraus kann man eben auch mehr lernen als aus der aufgesetzten, schön aufbereiteten Geschichte, die von Sportlern oft erzählt wird. „Mir war schon immer klar, dass ich mein Ziel erreichen werde“ kann man nachträglich leicht behaupten. Wie vielen der Gescheiterten war das wohl auch schon immer klar?

Letztendlich ist es für jeden akzeptabel zehn Stunden am Tag dafür zu arbeiten, dass ein Unternehmen Gewinn macht, aber sechs Stunden am Tag für ein Ziel, das kein Geld und keinen wertvollen Eintrag im Lebenslauf bringt, auf dem Rad zu sitzen? Natürlich kann nur ein Spinner auf eine solche Idee kommen. Dazu fällt mir ein, dass mehr als die Hälfte der Österreicher sich nach kritischer Selbsteinschätzung weder als glücklich noch als unglücklich definieren würde. Jetzt kann man sich die Frage stellen, ob dieser Zustand besser ist als unglücklich zu sein und zumindest zu wissen wieso. Wenn ich nach Tagen ohne Schlaf und alltäglichen Komfort das erste Mal im Kaffeehaus sitze oder im eigenen Bett liege, weiß ich jedenfalls, zu welcher Gruppe ich gehöre. Das Hoch gibt es eben nicht ohne das Tief.

Es ist der 7. Februar 2012, draußen schneit es. Trotzdem denke ich wieder einmal an mein Ziel. Das Ziel, welches ich seit zwei Jahren verfolge und frühestens in eineinhalb Jahren erreichen werde, wenn alles planmäßig läuft, die Finanzierung steht und ich acht andere Menschen dafür begeistern kann, mich zu begleiten.

Ich habe den Drang, meine Erlebnisse auf dem Weg zum RAAM weiterzugeben. Ich selbst habe schon mindestens hundert Bücher von aller Art Sportlern (Kletterern, Bergsteigern etc.) und Abenteurern gelesen und mich davon inspirieren lassen. Es gibt für mich nichts Schöneres, als sich an einem Winterabend in den Himalaya oder die Sahara zu träumen und interessante Menschen bei ihren außergewöhnlichen Reisen zu begleiten. Ich bin kein kritischer Leser, aber was ich sehr wohl beurteile, ist die Ehrlichkeit, die in einer Erzählung steckt. Und echte Leidenschaft kann ich nur dort spüren, wo auch über das Scheitern, über eigene Fehler und Unzulänglichkeiten berichtet wird. Das ist auch mein eigener Anspruch an die Geschichte, die ich erzählen will. In erster Linie würde ich einfach gerne erklären, wieso ein sogenannter Grenzgänger tut, was er tut. Dass man eben nicht immer voll auf sein Ziel fokussiert ist, man genauso an gefassten Entschlüssen zweifelt und zu wirklich großen Herausforderungen eben auch das Scheitern gehört. Ich will durchaus versuchen meine Leidenschaft selbstkritisch zu hinterfragen, es fällt auch wirklich nicht schwer, die negativen Aspekte von Leistungssport jeder Art zu erkennen. Es ist eben keine Sache, die nur einen selbst angeht. Den größten Teil bekommt das Umfeld zu spüren, die Partner, Familien und auch die Freunde, alle werden früher oder später dazu gezwungen Farbe zu bekennen. Vielleicht reizt mich am Niederschreiben meiner Erlebnisse gerade das am meisten: einmal in die Rolle des Beobachters zu schlüpfen und Abstand zum eigenen Tun zu gewinnen. So genau weiß ich aber bis jetzt noch nicht, worauf ich eigentlich hinaus will, außer dass ich gerne erklären will, wieso jemandem scheinbar so absurde Ziele wie einmal quer durch Amerika zu fahren, oder auch einmal ums eigene Land, so wichtig werden können, dass sie das ganze Leben bestimmen. Wenn der ein oder andere etwas davon mitnehmen kann, umso besser. Ich möchte aber weder jemanden zum Sport bekehren, noch ein „Schema F“-Buch zum Thema Motivation schreiben, denn davon gibt es wahrlich schon genügend. Ich habe auch nicht vor, einen uneigennützigen Zweck in eine eigennützige Sache hineinzuinterpretieren. Ich will niemandem große Lebensweisheiten auf dem Silbertablett servieren, die muss sich wohl oder übel jeder selbst zusammenreimen. Eines ist aber klar, und darin sehe ich die Parallele zwischen Sport und Privatleben: Herausforderungen, sowohl selbst gewählte als auch aufgezwungene, gehören zum Leben zwangsläufig dazu. Wie man damit umgeht, bestimmt letztendlich auch, wer man ist. Verstecken kann sich davor niemand. Man kann schöne Augenblicke in einer Beziehung genauso wenig konservieren wie die Kondition beim Radfahren. Jeder Tag bringt Veränderung, wir können nicht immer beeinflussen, ob positive oder negative. Wenn ich am Start eines Rennens über tausend Kilometer stehe und diese Distanz nonstop zurücklegen will, gibt es auch beim zehnten Mal keine Garantien, keine Routine. Erfahrung ist eine schöne Sache, aber massiv überbewertet. Die Illusion, ständig alles unter Kontrolle zu haben, war das erste, was ich während meiner Rennen abgelegt habe. Gerade darum reizt mich mein Sport allerdings so sehr. Es ist mehr als Radfahren, mehr als die sportliche Leistung, die bei anderen – kürzeren – Wettbewerben im Vordergrund steht. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen, muss die Konsequenzen dann aber auch selbst tragen. In einer Zeit, in der alles mit Regeln und Richtlinien zugepflastert ist, gibt es nur noch wenige Möglichkeiten, sich selbst außerhalb seiner eigenen Komfortzone kennenzulernen, ohne die alltäglichen Belanglosigkeiten von Smartphone bis Social Network, die uns in Wirklichkeit nur vom realen Leben abhalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Mensch, oder zumindest ich selbst, nicht nur für den Alltag wie er heute als normal gilt, gemacht ist. Sicherheiten sind schön und gut, aber um mich im Leben weiterzuentwickeln, möchte ich auch einmal die Verantwortung für mein Tun übernehmen dürfen – möglichst ohne Einschränkungen. Die meisten Unfälle beim Klettern passieren nicht etwa auf halsbrecherischen Touren, nein, auf den vermeintlich völlig abgesicherten Klettersteigen. Jetzt kann man sich die Frage stellen, wer da bei der Sicherung versagt und einen unbedarften Sportler in Gefahr gebracht hat. Ich stelle mir aber eher die Frage, ob wirklich jedem alles erschlossen werden muss, ob man sich den Berg nicht erst einmal durch Training und Ausbildung verdienen sollte. Wenn ich mich bei meinen Rennen dazu entscheide, eine Abfahrt bei Regen im übermüdeten Zustand in Angriff zu nehmen, dann gehe ich auch ein Risiko ein. Entscheidend ist aber, dass ich für die Einschätzung dieses Risikos selbst verantwortlich bin, verantwortlich sein darf. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Der schöne Schein, das nach außen Repräsentieren, all das ist wert- und bedeutungslos in diesen Momenten, ebenso der Kontostand und die Probleme mit den Arbeitskollegen. Nachdem man einmal in so einer Ausnahmesituation war, ist man auch schon gefangen und strebt danach, dasselbe Gefühl wieder zu erleben. Dabei ist das Ziel dann plötzlich gar nicht mehr so entscheidend, sondern die Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin. Selbstbewusstsein gewinnt man eben nicht in der Komfortzone, sondern nur dann, wenn Entscheidungen auch die Konsequenz haben können etwas zu verlieren, auch wenn uns gerade in der heutigen...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Sport - Sporttheorie - Sportpsychologie

Sportwetten strategisch gewinnen

E-Book Sportwetten strategisch gewinnen
Ideal für Wetten auf Fussball, Tennis, Baseball, Basketball, Boxen, Golf, Formel 1, Spezialwetten & Co. Format: PDF

Allein durch Sportwissen kann man mit Sportwetten wohl kaum hohe Gewinne erzielen. Wer einige Regeln beachtet, kann jedoch gerade von den vielen ereignisreichen Überraschungen profitieren. Einen…

Hennings kleines rotes Sportwetten Systembuch

E-Book Hennings kleines rotes Sportwetten Systembuch
Mit Sportwetten systematisch Geld verdienen (Band 1) Format: PDF

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Sportwetten sind heute beliebter denn je. Das Angebot geht längst über Großereignisse, wie die Fußball-WM hinaus. Schließlich kann man neben den klassischen…

Hennings' Online Poker Guide

E-Book Hennings' Online Poker Guide
Texas Hold'em erfolgreich im Internet spielen Format: PDF

Vor etwa 150 Jahren pokerten die Amerikaner noch auf alten Flussschiffen oder in verrauchten Saloons. Heute dagegen bietet sich das Internet als ideale Plattform für Poker an. In den letzten Jahren…

Von 100 auf 90 (Golfratgeber)

E-Book Von 100 auf 90 (Golfratgeber)
Format: PDF

Lieber Golffreund! Mein Name ist John J. Roethling. Ich leite die „GOLFeinfachMARBELLA" Golfschule, die erste deutsche Konzept Golfschule (im Sommer in Deutschland, in den Wintermonaten in…

Nordic Blading

E-Book Nordic Blading
Inlineskaten mit Speed Format: PDF

Speed und Fun garantiertFür Nordic Blading benötigt man nur ganz normale Roller Blades und Langlaufstöcke und schon kann man richtig Gas geben. Adrenalinstöße und Action werden garantiert. Das Motto…

Weitere Zeitschriften

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

Evangelische Theologie

Evangelische Theologie

Über »Evangelische Theologie« In interdisziplinären Themenheften gibt die Evangelische Theologie entscheidende Impulse, die komplexe Einheit der Theologie wahrzunehmen. Neben den Themenheften ...

F- 40

F- 40

Die Flugzeuge der Bundeswehr, Die F-40 Reihe behandelt das eingesetzte Fluggerät der Bundeswehr seit dem Aufbau von Luftwaffe, Heer und Marine. Jede Ausgabe befasst sich mit der genaue Entwicklungs- ...