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E-Book

Viel zu kurz und doch für immer

Was wir durch den Tod unseres Kindes über uns, das Leben und Gott gelernt haben.

AutorRegina Neufeld
VerlagGerth Medien
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783961223756
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Manche Kinder werden ihren Familien viel zu früh genommen. So erlebten es auch Alexander und Regina Neufeld. Ihr Samuel wurde nur 54 Tage alt. Regina Neufeld erzählt sehr persönlich von dem Verlust ihres Sohnes. Davon, was sie und ihr Mann in der schwierigen Zeit vor und nach der Geburt gefühlt, gefragt und gelernt haben. Wie sie mit dem Verlust umgegangen sind - und immer noch umgehen. Dieses Buch macht Betroffenen Mut, offen mit ihren Gefühlen und Gedanken umzugehen und der Trauer Raum zu geben, sowie das Tabu des Schweigens zu brechen. Gleichzeitig ist es eine große Hilfe für Außenstehende, wenn es um den Umgang mit den Trauernden geht. Ein Buch über Trauer, Schmerz und Sehnsucht, aber auch - und vor allem - eine Geschichte der Liebe, Dankbarkeit und Hoffnung.

Regina Neufeld (Jg. 1985) absolvierte nach ihrem Abitur ein Masterstudium am Bibelseminar Bonn. Während dieser Zeit entdeckte sie ihr Herz für die Arbeit mit Frauen und ihr Interesse an Seelsorge und Beratung. Sie machte eine Ausbildung in Biblisch-Therapeutischer Seelsorge (BTS) und später eine Fortbildung zur Begleiterin für Familien beim Frühtod ihres Kindes und nach pränatal-medizinischer Diagnose. Ihr 'Himmelskind' Samuel hat sie dazu inspiriert, sich noch mehr in Menschen zu investieren, die durch schwere Zeiten gehen. Heute arbeitet sie als Referentin und Lebensberaterin. Sie hat bereits zwei Bücher und mehrere Artikel veröffentlicht. Mit ihrem Mann und vier Kindern lebt sie in Bornheim (Rheinland), wo sie sich in einer evangelischen Freikirche engagiert. Einblicke in ihre Arbeit und ihr Leben gibt sie auf Instagram und auf www.beschenkt.com.

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Leseprobe

Ich habe nichts unter Kontrolle

Nichts ist selbstverständlich

Eine Routineuntersuchung bei meiner Frauenärztin. Wie immer bestand meine größte Angst vor dem Anblick der Waage. Der Rest war Routine: Blutdruck okay, CTG unauffällig, Baby munter – etwas klein vielleicht, aber kein Grund zur Sorge.

Dieser weiße Fleck, den das Ultraschallbild im Gehirn unseres Babys sichtbar gemacht hat, schien eine harmlose Zyste zu sein. Vorsichtshalber sollte ich dies aber einem Pränataldiagnostiker zeigen. Die Arzthelferin machte für mich direkt einen Termin in einer speziellen Praxis aus. Vielleicht würden wir dort ja noch ein paar schönere Fotos von unserem Baby bekommen und hoffentlich endlich erfahren, ob es ein Junge oder ein Mädchen war …

Am nächsten Freitag fuhren wir zu viert nach Bonn. Mein Mann Alex und unsere beiden Kinder Benjamin, den wir Ben nennen (damals drei), und die zweijährige Hannah vertrieben sich die Zeit in der Stadt, während ich im Wartezimmer saß. Neben mir Zeitschriften in einem Ständer: Strahlende Babys und glückliche Mütter. Mein Blick fiel auf die Prospekte. Langsam begann ich zu realisieren, wo ich eigentlich war. Was machte ich hier eigentlich? Wollte ich überhaupt, dass mein Baby bis ins Detail durchleuchtet wird? Was ist, wenn sie doch etwas finden? Aber all diese Gedanken schob ich schnell zur Seite. Es war alles in Ordnung, das wurde mir doch immer wieder gesagt. Trotzdem setzte sich auf einmal diese Schwere in meinem Magen fest. Ich war naiv in diesen Termin gegangen und fühlte mich nun völlig fehl am Platz.

Ich erfuhr, dass die Ärztin der Praxis Urlaub hatte und ich von einer Vertretung untersucht werden sollte. Diese stellte mir einige Fragen. Dann legte ich mich auf die komfortable Liege und konnte mir aussuchen, auf welchen der vielen Bildschirme ich nun schauen wollte. So groß hatte ich mein Baby noch nicht gesehen. Es war so süß! Schüchtern wie immer hatte es die Beinchen verschränkt.

Während die Ärztin Ultraschall und Doppleruntersuchungen machte, beobachtete ich glückselig mein kleines Kind. Ich war fasziniert von diesem Anblick. Dann fiel mir auf, dass sich die Ärztin lange beim Herzen aufhielt, aber ich dachte mir nichts weiter dabei, schließlich lief hier einiges anders als bei meiner Frauenärztin. Doch dann fuhr sie mit dem Ultraschallknopf noch einmal hoch zum Kopf. Den weißen Fleck, wegen dem ich gekommen war, konnte sie nicht entdecken, aber sie schien auch etwas anderes vergeblich zu suchen. Sie sagte mir nicht, was – nur, dass mein Baby schon so groß und seine Knochen so dicht seien, dass sie nicht alles genau erkennen konnte. Normalerweise kamen die Frauen schon wesentlich früher in der Schwangerschaft in die pränataldiagnostische Praxis; ich war schon in der 31. Woche.

Zum Schluss erklärte mir die Ärztin in ruhigem Ton, dass unser Baby wahrscheinlich einen Herzfehler hätte. Doch man könne diesen gut operieren. Dennoch solle ich zur Uniklinik Bonn fahren und mich dort noch einmal vorstellen.

Okay, jetzt mal langsam. Mein Baby hat einen Herzfehler? Ich war doch wegen etwas ganz anderem da! Was war denn bitte passiert? Wo blieb die Routine? Wo war das selbstverständliche „Ihrem Kind geht es gut“?

Als ich Alex im Wartezimmer davon erzählte, flossen die ersten Tränen. Aber man kann ja gut operieren, sagten wir uns. Also kein Grund, sich jetzt verrückt zu machen. Ich versuchte, ruhig und gefasst zu bleiben. Die Kinder zeigten mir ihre Pixi-Bücher, die der Papa ihnen spendiert hatte. Alles war gut.

Wir machten uns gleich auf den Weg zur Uniklinik. Nun saßen wir in einem großen Wartezimmer, in dem noch andere Paare darauf warteten, eine medizinische Beurteilung ihres Babys zu bekommen. Warum sahen sie so entspannt aus? Unsere Kinder tobten herum und spielten fröhlich wie immer, und ich zwang mich, normal mit ihnen zu reden, mit einem Lächeln zu antworten und begeistert von ihren Kunststücken zu sein.

„Regina Neufeld.“ Okay, das war ich. Es ging los. Eine hübsche, junge Ärztin holte mich ab und brachte mich in einen Behandlungsraum. Dort begann sie, meine Daten aufzunehmen. In ihrer Datenbank fand sie sogar eine Frau mit meinem Namen. „Geboren 1973, richtig?“ – Äh … nein, ich bin erst 28! „Oh, Entschuldigung. Ich hatte bloß nicht gedacht, dass sie in meinem Alter sind, weil Sie schon Kinder haben.“

Dann kam die Oberärztin herein, und ohne mich zu beachten, fuhr sie die junge Ärztin an: „Ich sagte doch, der Herzfehler soll in Zimmer 3!“

Der Herzfehler.

So klar hatte ich dieses Wort noch nicht gehört. Es versetzte mir einen Stich. Herzfehler. Mein Kind war krank. Mein Kind. Hier ging es um mein Kind. Ich kam mir vor wie ein lebloses Diagnose-Objekt.

Herzfehler. Zimmer 3.

Die Ärzte machten einen Ultraschall und diskutierten lange miteinander. Zwei Ärzte aus Peru hospitierten, schließlich ist Bonn in Sachen Pränataldiagnostik weltweit bekannt. Man unterhielt sich in medizinischem Englisch, von dem ich nichts verstand. Doch es war deutlich, dass etwas nicht in Ordnung war. Zwischendurch musste ich das Zimmer verlassen. Alex war mit den Kindern inzwischen draußen. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um mein Baby, aber ich kann nicht sagen, was ich genau dachte. Es war ein großes Durcheinander in mir. Ein Brodeln, das ich noch unterdrücken konnte. Ich blieb äußerlich ruhig und gefasst. Wie immer, wenn mich etwas belastet, musste ich das erst mit mir ausmachen und mit Gott darüber reden. Ich weiß, dass er die ganze Zeit da war. Es war, als säße er neben mir und hielt meine Hand. Ich war nicht allein.

Zurück im Behandlungsraum ging der Ultraschall weiter. Nach langem Hin und Her wandte sich die Oberärztin endlich von den beiden anderen Ärzten ab und sprach mit mir. Die junge hübsche Ärztin hatte ihr gesagt, dass wir das Geschlecht des Kindes noch nicht kannten, und so sagte sie mir, dass wir einen Jungen bekommen würden. Doch ich merkte, dass diese Information keinerlei Bedeutung für sie hatte. Sie wollte mir etwas anderes sagen. Sie sah mir in die Augen und sagte, dass unser Baby einen Herzfehler habe, aber einen anderen, als zuerst vermutet. Auch diesen könne man gut operieren. Doch da war noch etwas: eine Balkenagenesie, was bedeutet, dass die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften fehle. Das müsse nicht unbedingt Auswirkungen haben, könne aber auch eine Lernschwäche oder geistige Behinderung zur Folge haben.

Mein Herz raste, mein Körper zitterte, meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich versuchte, diese Informationen zu verstehen.

Aber die Ärztin war noch nicht fertig. Sie sagte, es sei ungewöhnlich, dass mehrere Fehlbildungen bei einem Kind vorliegen, daher müsse man eine andere Grunderkrankung vermuten, vielleicht einen Genfehler.

Ich glaube, ungefähr zu diesem Zeitpunkt war der Damm schließlich gebrochen, und meine Tränen strömten mein Gesicht herunter. Mein Baby war krank. Mein Baby musste operiert werden, am Herzen. Mein Baby könnte behindert sein! Mein Baby!

Die Ärztin riet mir zu einer Fruchtwasseruntersuchung. Aber eine Behinderung war für uns kein Grund, eine Frühgeburt zu riskieren, daher lehnte ich eine Fruchtwasseruntersuchung ab. Ich wusste, dass Alex und ich uns darin einig waren, und sagte deshalb, dass das Ergebnis keine Konsequenzen für uns haben würde, weil wir unser Kind auf jeden Fall bekommen würden. Ich merkte, dass sie mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. Sie versuchte noch einmal, mir zu erklären, dass es wichtig sei zu wissen, ob unser Baby einen Gendefekt habe oder nicht. Ich blieb bei meiner Antwort, und dann ließ sie mir etwas Zeit für mich, während sie wieder auf Englisch mit den anderen Ärzten sprach.

Wie viele Gedanken man in einer so kurzen Zeit haben kann! Viele wirre Satzfetzen, die keinen Sinn ergaben. Das einzige, was ich verstand, war, dass nichts mehr war wie vorher.

Dann kam noch ein Professor, ein älterer Herr, dem seine Erfahrung und Weisheit ins Gesicht geschrieben waren. Er wirkte nicht ganz so kühl wie die Oberärztin. Auch er fuhr mit dem Ultraschallgerät über meinen Bauch, doch er bestätigte den Verdacht auf ein Aneurysma im Gehirn nicht. Wieder wurde über die Art des Herzfehlers diskutiert. Ich fühlte mich, als hätte das alles nichts mit mir zu tun. Es war merkwürdig, dass diese Leute über mich sprachen, ohne mich anzusprechen. Aber ich war sowieso kaum noch anwesend. Ich war ganz bei meinem Baby. Das alles konnte nur eine Szene aus einem Film sein … Das war nicht mein Leben. Uns passierte so etwas doch nicht. Unsere Kinder waren immer gesund. In diesem Moment begann ich, es einfach nur noch geschehen zu lassen. Ich hatte die Kontrolle verloren. Keine Folsäure, kein Gemüse oder Spaziergang konnten hier noch helfen. Da passierte etwas und ich hatte keine Wahl. Ich wollte kein Teil davon sein und war doch mittendrin.

Alex war mit den Kindern ins Auto gegangen, damit Hannah etwas schlafen konnte. Ihm war schon längst klar, dass etwas nicht stimmte, denn ich war ziemlich lange weg. Als ich aus der Kliniktür trat, kam er mir entgegen und ich ließ mich einfach in seine Arme fallen. Vor lauter Schluchzen brachte ich kein Wort heraus. Ich klammerte mich an ihn und durchnässte sein T-Shirt mit meinen Tränen. Während einer kurzen Pause versuchte ich, alles zusammenzufassen. Meine Verzweiflung, meine Ängste, meine Fragen fanden nun einen Weg nach draußen. Noch nie hatte ich in der Öffentlichkeit so geheult. Es war mir egal, ob mich jemand sehen oder hören konnte. Mein Baby war...

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