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E-Book

2017

Reformation statt Reförmchen

AutorSiegfried Eckert
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783641146290
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
PROTESTantismus: Mit neuem Charme und altem Charisma ins Lutherjahr.
Wie feiert der Protestantismus das große Fest 2017? Siegfried Eckert stellt sich dieser Frage und tut das in seiner bekannten Art, indem er ordentlich Sand ins Getriebe wirft. Sein ebenso bissiges wie unterhaltsames Buch zeigt aber gekonnt, wie er »seinen« Luther gelesen - und verstanden - hat! Er formuliert ein Unbehagen über die Verdunkelung protestantischer Werte und wagt die These, dass die Evangelische Kirche in Deutschland vor dem Burnout steht.


  • Ein kluges Plädoyer für einen geistreichen Protestantismus
  • Die Schönheit des Glaubens - bissig, unterhaltsam und kirchenkritisch
  • Kirche auf dem Prüfstand - seziert von einem überzeugten Pfarrer, dem der Protestantismus am Herzen liegt


Siegfried Eckert, geboren 1963, studierte in Neuendettelsau, Bonn und Tübingen evangelische Theologie und war anschließend Pfarrer in Essen. Er war lange Zeit Synodalbeauftragter für den Kirchentag, Landessynodaler der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Bonn. Er ist Autor verschiedener Predigtstudien, Aufsätze und Bücher, leitete Pastoralkollegs und engagiert sich bundesweit im Bereich Kirche und Kultur. Nach dem Reformationsjubiläum gründete er das Forum Reformation. Er arbeitet gegenwärtig als Gemeindepfarrer in Leverkusen, ist verheiratet und hat drei Kinder.

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Leseprobe

1. Lagerfeuer statt Leuchttürme

Leuchttürme sind statisch, funktionieren nur, wenn sie über den Dingen stehen, sind mit dem Turmbau zu Babel zu verwechseln. Die im Perspektivpapier gewählte Schlüsselmetapher des »Leuchtfeuers« hinterlässt verbrannte Erde. Lagerfeuer erinnern an die nomadische Ursprungszeit des christlich-jüdischen Projekts. Sie laden zum Wärmen und Verweilen, zu Geselligkeit und Lagerromantik ein, halten Raubtiere fern und erhellen die Nacht. In einem brennenden Dornbusch, der nicht ausbrannte, offenbarte Gott sich dem Mose. »Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde« (2 Mose 3,2b). Mit Feuerszungen begeisterte Gott die pfingstliche Gemeinde und setzte ein Lauffeuer in Gang, das bis heute brennt. »Und es erschien ihnen Zungen, zerteilt wie vom Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen« (Apg 2,3f.). Ein Feuer, das alle begeisterte, ließ eine Gemeinde in fremden Sprachen predigen, wurde zur Hebamme der Kirche.

Insgesamt brennen die Feuer der Bibel zwiespältig, können Zeichen göttlicher Gegenwart sein oder teuflische Seiten entfalten, die auch als Fegefeuer Karriere machten.

These 27: »Menschenlehre verkündigen die, die sagen, dass die Seele (aus dem Fegefeuer) emporfliegt, sobald das Geld im Kasten klingt.«

Am Feuer kannst du dir Finger verbrennen oder Hände wärmen. Mit einer zweischneidigen Metapher hat sich die EKD auf den Weg gemacht, um zündende Ideen zu präsentieren. Feuer verlischt, wenn kein Brennstoff nachgelegt wird. Ein Impulspapier, das Sparlösungen in der Zusammenlegung von Gemeinden, Kirchenkreisen und Landeskirchen sieht, geht das Risiko eines unkalkulierbaren Flächenbrandes ein. Bisherige Sparmaßnahmen sorgen jetzt schon für große Opfer in der Fläche. Wo werden in Landeskirchenämtern und der EKD-Zentrale vergleichbare Einschnitte vorgenommen? Die Lunte ist gelegt an eine Kirche, der das Brennmaterial ausgeht. Das im Hintergrund schwelende System gewünschter Optimierung ist neues Öl in alten Feuern. Es suggeriert: Alle müssten mehr machen, dann läuft der Laden wieder. Diese Motivation arbeitet mit einer »Hermeneutik des Verdachts«. Sie unterstellt, kirchliche Mitarbeitende könnten besser sein, wenn sie nur wollten (vgl. Karle, Reformstress, 210). Lagerfeuer zeichnen sich durch stärkere Bodenhaftung und mehr Menschennähe aus. Sie sind mobiler als Leuchtfeuer auf Leuchttürmen.

»Beweglichkeit in den Formen statt Klammern an den Strukturen« (KdF, 8), lautet eine von vier biblischen Grundannahmen des Papiers. Das klingt nach einem Haben, als hätte man nicht. »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebr 13,14). Für diese Suche empfiehlt es sich, mit genügend Holz unterwegs zu sein, anstatt sich an fest verankerte Leuchtfeuer zu klammern. Mit einer Feuersäule bei Nacht und schattenspendenden Wolken am Tag, mit leichtem Gepäck, geleitete Gott sein Volk ins Gelobte Land. Ob dort Milch und Honig flossen, sei dahingestellt. Von murrenden Reisenden, ihrer Sehnsucht nach Fleischtöpfen, ist öfters die Rede. Das Ziel des Impulspapieres »Wachsen gegen den Trend« klingt wie ein verzweifeltes Klammern an alte Zeiten, träumt von einer mitgliederstarken Kirche, die nach erloschener Machtfülle neu zu erstrahlen erhofft. Von solchen Fantasien wird Abschied zu nehmen sein, damit Aufbrüche mit Realitätssinn, protestantischer Nüchternheit und Angstfreiheit vor multireligiösen Wirklichkeiten gelingen. Wer jedoch lieber leuchtfeuert und regionale Tempel baut, ähnelt den Fleischfressern, die sich rückblickend nach den vollen Töpfen sehnten. Biblisch betrachtet, gehörte denen die Zukunft, die ins verheißene Land von Milch und Honig aufbrachen.

Manche Metaphorik des Papiers ist schief. Sie zündelt mit der Unzufriedenheit am Vorhandenen. Zur Logik der neuen Treiber passt es, den Sachwaltern alter Strukturen Klammerreflexe zu unterstellen. Dem Alten wird die Zukunftsuntauglichkeit zum Vorwurf gemacht, während der Mobilität messianische Wunderkraft zugesprochen wird. In den Köpfen unserer Zukunftsarchitekten spukt die Wiederbelebung alter Stärke herum. Manche Hochkultur ist untergegangen, weil sie die Zeichen ihrer Zeit nicht zu deuten wusste. Die Metapher des Lagerfeuers kommt bescheidener daher, überfordert nicht, backte eher kleinere Brötchen für die Reise. Schätzen wir bitte mehr wert, wer wir sind und was wir haben! Eine Abrüstung jeglichen illusionären Höher-Größer-Weiter steht an. Nicht über den Dingen schweben, sondern bei den Menschen sein – auf Augen- und Wärmehöhe! »Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet« (Apg 2,42). Dieser Satz fasst die Nachwirkungen der pfingstlichen Ereignisse in der Jerusalemer Urgemeinde als Utopie des Schreibers der Apostelgeschichte zusammen. So sollte Kirche sein! Von Anfang an war die Gemeinde Christi ein menschliches, angefochtenes, fehlerhaftes, widersprüchliches Gebilde. Beständig beieinander bleiben war die vorrangigste Tugend, ein hilfreicher Tipp in beschleunigten Reformzeiten. Leuchtfeuer wecken apokalyptische Assoziationen, sind Orientierungspunkte für Seeleute in stürmischer See oder Bergsteiger in Not, nichts für Festländer und Flachlandtiroler mit Sinn für Bodenhaftung und Heimatliebe. »Leuchtfeuer wurden in früheren Zeiten am Strand oder in den Bergen als Orientierungslichter gesetzt« (KdF, 46). Sie bedienen das Bild vom Schiff, das sich Gemeinde nennt.

Wir Protestanten sind vor 500 Jahren aus dem römisch-katholischen Tanker in ein kleineres Beiboot gestiegen. Laut EKD-Diagnose sind wir auf hoher See nun in Not geraten. Da funkt die Rede vom Leuchtfeuer SOS und suggeriert, die EKD könne uns Orientierung bieten und zum rettenden Ufer werden. Dabei realisieren die Autoren nicht, dass sie im gleichen Boot sitzen. War schon die Feuermetapher ein zweischneidiger Versuch, so offenbart die Orientierungslichteridee ein noch ambivalenteres Selbstverständnis. Beides funktioniert nicht: im Boot sitzen und Leuchtfeuer sein wollen. Die Kirche ist eh mehr wanderndes Gottesvolk als ein Volk von Seefahrern. Seit ihrer Entstehungsgeschichte weiß sie, es steht noch was aus. Wir sind noch nicht am Ziel. In Christenmenschen steckt ein eschatologisches Gen, eine Ahnung von letzten Dingen, die noch nicht erfüllt wurden. Wir sind eine vorläufige Kirche! Das macht den Protestantismus so sympathisch, mobil und modern; seine Vorläufigkeit und damit verbundene Fragwürdigkeit. Mit der daraus folgenden Selbstbeunruhigung lässt sich leben. Bernd Oberdorfer fragt, ob sich die »Wandlungsfähigkeit und Vielfalt des Protestantismus nicht einer geradezu prinzipiellen, selbstinduzierten Gestaltunruhe (verdankt), sodass der Protestantismus gerade dann bei sich selbst wäre, wenn er sich selbst infrage stellt?« (zit. n. Karle, Reformstress, 71). Wer von Leuchtfeuern spricht, träumt von einer anderen Kirche, eine, die imponiert, in der es auf Lichteffekte wie in der Disco ankommt. Jesus hat gerne Party gemacht, beeindruckende Wunder vollbracht und tolle Reden gehalten, nur Leuchtfeuer feuerte er nie ab. Auf große Effekte, gar auf Effektivität, kam es ihm nie an, bei den Arbeitern im Weinberg nicht wie bei der Speisung der 5.000. Körbeweise blieben Reste, weil Jesu Fürsorge verschwenderisch war. Seine Schweigegebote wünschten sich von den Jüngern eher öffentliche Zurückhaltung statt missionarische Schaumschlägerei. Er empfahl Gebet und Askese in der eigenen Kammer, statt auf Marktplätzen fromme Selbstdarstellungen zu verbreiten.

Für Leuchttürme gilt: Hochmut kommt vor dem Fall. Und wir fallen schon! Die Mitgliederzahlen der EKD sind im Sinkflug. Nichts wächst gegen den Trend, trotz fetter Kirchensteuerjahre. Gemeinden entwickeln sich zu Seniorenkreisen. Religiöse Frischzellenkuren erhoffen sich unsere Kunden von anderen Feuerwerkern. Deshalb lieber eine unaufgeregte Volkskirche bleiben, sich lagern, hinsetzen, verweilen, Gedanken teilen, Freude schenken, Trost stiften, Kerzen entzünden, die Tradition auf Stand-by halten, zur Einkehr einladen, zum Innehalten ums Lagerfeuer und die Glut des Glaubens wach halten, statt krampfhaft Wache zu halten auf Wachtürmen wie Jehovas Zeugen.

Wer hat das Impulspapier eigentlich bestellt? Wir hätten 2017 gut ohne diese stroherne Epistel feiern können. Alle Reformvorschläge der letzten Jahre erhielten ihre entscheidenden Anstöße aus den Kirchenämtern. Dort sitzt die Power, um Reförmchen vom Zaun zu brechen. Dort arbeiten die Werktätigen, die den Zwang der Selbstthematisierung vorantreiben und selbstverständlich besser bezahlt werden als die Pflegekräfte vor Ort, die rund um die Uhr ihren Dienst tun. Es sind nie die Frösche, die das Wasser aus dem Teich lassen wollen. Reformen kommen von oben. Vor Ort werden eher homöopathische Schritte der Veränderung als bekömmlicher angesehen. Große Sprünge führen vielleicht schneller, aber selten unfallfrei zum Ziel. Das Papier spricht deshalb in Storchensprache: »Nur große Ziele locken großes Engagement hervor« (KdF, 9). Wer hat die biblische Sprache in dieser Schrift eigentlich so lieblos ins reformatorische Abseits gestellt und die Sprache der Kleinkrämer kirchenfähig gemacht? »Im EKD-Impulspapier wird die Verkehrung von Mittel und Zweck durch seine weithin areligiöse, ökonomisierte Sprache sichtbar: Die Kirche stellt sich schon auf der ersten Seite des Papieres als eine...

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