Um einen generellen Überblick über das Horrorgenre zu schaffen, sollen in diesem Kapitel die Ursprünge und Vorgänger des Horrorfilms dargestellt werden, denn dieses Genre hatte bereits vor der Filmgeschichte einen wichtigen Einfluss. Da die Geschichte der Horrorliteratur[1] jedoch sehr umfangreich ist, sollen hier nur die wichtigsten Merkmale, die zum Verständnis der nachfolgenden Kapitel dienen sollen, aufgezeigt werden.
Im England des 18. Jahrhunderts wurden, vom Zeitalter der Aufklärung ausgehend, mit den sogenannten ‚Gothic Novels’[2] die Grundsteine des klassischen Horrors gelegt. Als Begründer wird der Schriftsteller Horace Walpole genannt, der mit seinem Roman The Castle of Otranto – A Gothic Story (1764) dem neuen Genre einen Namen gab.
Ein gotisches Ritterschloss des 13. Jahrhunderts mit langen dunklen Gängen, vergitterten Fenstern, Falltüren und unterirdischen Gewölben gab den Handlungsraum für folgende Veröffentlichungen vor, die jedoch in ihrer Intensität Walpoles Roman übertrafen.[3]
Das neue Genre des Schauerromans erhielt vom Publikum positive Resonanz. Der Erfolg kann als Resultat der Aufklärung im 18. Jahrhundert angesehen werden. Die Menschen waren nun mit Rationalismus, Vernunft und Erkenntnistheorien konfrontiert, die viele Menschen dazu brachten, sich einen Ausgleich der verlorenen Mystik[4] zu suchen. Diesen fanden die meisten Leser in der Horrorliteratur, die mit Angst und Schrecken dem Leser ein Gefühl von Nervenkitzel verschaffte.
Viele Schriftsteller folgten dem Beispiel und veröffentlichten weitere Geschichten, die die Entwicklung des Genres vorantrieben. Der wohl bekannteste Vertreter der Schauerromane ist Mary Shelleys Frankenstein (1818), in dem ein junger Wissenschaftler von der Erschaffung eines künstlichen Menschen erzählt. Ein weiteres Beispiel ist John William Polidoris The Vamypre (1819), der als Begründer des Vampirgenres gilt.
Die Geschichten, die das 19. Jahrhundert hervorbrachte, beeinflussten die Themen des späteren Horrorfilms sehr stark. Washington Irvings The Legend of Sleepy Hollow (1820), Bram Stokers Dracula (1897), H.G. Wells The Island of Dr. Moreau (1898) und Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1886) sind nur einige Beispiele der Horrorliteratur, die später viele Verfilmungen hervorbrachten.
Herausragendster und einflussreichster Vertreter der Horrorliteratur des 19. Jahrhunderts ist der amerikanische Schriftsteller Edgar Allen Poe. Mit seinen berühmtesten Werken The Fall of the House of Usher (1839), The Tell-Tale Heart (1843), The Black Cat (1843) und The Pit and the Pendulum (1843) beeinflusste er viele Schriftsteller der Horrorliteratur nachhaltig. Als sein bekanntestes Werk gilt das Gedicht The Raven (1844).[5] Poes Werke wurden im Laufe der Zeit vielmals verfilmt.
Die Horrorliteratur hat in seiner Entwicklung viele Themen und Motive geschaffen, die den Grundstein vieler Horrorfilme legten und das Filmgenre stark beeinflussten. Diese Elemente flossen später auch in das Genre der Horrorserie stark ein.
Der Kinofilm geht der Serienform voraus: Um die Grundfrage der Arbeit zu beantworten, ob die Horrorserie nur eine harmlose Variante des Horrorfilms ist, ist es unabdingbar, die Entwicklung des Horrorfilms in einer kurzen Zusammenfassung darzustellen, um die Einflüsse auf das Fernsehen und die Horrorserie zu verdeutlichen.
Der Horrorfilm hat eine lange Tradition und reicht zurück bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Die ersten Vertreter des phantastischen[6] Films kamen aus Deutschland. In Der Student von Prag (1913) von Paul Wegener und Stellan Rye wird das Motiv des Doppelgängers das erste Mal in Filmform aufgegriffen. Ebenso versetzte Schauspieler Paul Wegener in dem Stummfilm Der Golem (1914) das Publikum in Angst und Schrecken. Dieser Film zog bis 1920 bereits zwei Fortsetzungen nach sich.
1919 wurde mit Unheimliche Geschichten (alt. Titel Grausige Nächte) von Richard Oswald der erste Vertreter des Anthologie-Horrors[7] veröffentlicht.
Weitere Vertreter der ersten Horrorwelle aus Deutschland sind Das Kabinett des Dr. Caligari (1920), ebenfalls von Paul Wegener, mit dem Motiv des Psychokillers und Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu (1922), der „eine sowohl für das Genre als auch für den expressionistischen Film bedeutsame Neufassung des Vampirstoffes“ [8] darstellt.
Doch auch in den USA entwickelte sich der Trend des Horrorfilms. Es wurden vorrangig Stoffe der klassischen Gothic Fiction verarbeitet. Der Schauspieler und Verwandlungskünstler Lon Chaney war der erste große Star im Genre und spielte in den erfolgreichsten Horrorfilmen der Stummfilmzeit mit. Seine bekannteste Rolle spielte er in The Phantom of the Opera (1925). Chaneys Verwandlungen in unterschiedlichste Wesen, wie zum Beispiel The Miracle Man (1919), The Hunchback of Notre Dame (1923) oder ein Vampirwesen in London After Midnight (1927) machten ihn berühmt. Das Schaffen des Stummfilmstars wurde 1957 in der Biografie The Man of a Thousand Faces von Joseph Pevney verfilmt.[9]
In den 30er Jahren dominierte das Produktionsstudio Universal das Horrorkino. Der Ungar Bela Lugosi - Dracula (1931) - und der Brite Boris Karloff - Frankenstein (1931) - waren mit ihren Darstellungen in den erfolgreichsten Filmen zu sehen und wurden zu Superstars des klassischen Horrorkinos aus Hollywood. Einen weiteren Riesenerfolg erzielte Universal mit der Verfilmung King Kong (1932). Jedoch schienen im Verlauf der 30er Jahre neue und originelle Stoffe schnell auszugehen und so wurden die bereits erfolgreichen Filme in endlosen Fortsetzungen weitergeführt.
Die 40er Jahre dominierten meist Remakes bekannter Stoffe wie Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1941), The Phantom of the Opera (1943) und Crossovers erfolgreicher Filmserien. Aufgrund des Zweiten Weltkrieges wurden in dieser Zeit nur sehr wenige Horrorfilme produziert. Als neue Entwicklungen gingen aus dieser Zeit George Waggners The Wolf Man (1941) und Jacques Tourneurs Cat People (1942) hervor, in denen die Verwandlung des Menschen zum Tier thematisiert wird.
In den 50er Jahren entwickelte sich eine neue Gattung von Horrorfilmen. Die Mythen des Gothic Horrors waren fast verbraucht. Auf der Suche nach neuen Formeln, beeinflusste das Atomzeitalter eine neue Art von Horror. Die Monster Movies entstanden und verbanden das Genre des Horrors mit der Science Fiction. Die Filme thematisierten den Umgang zwischen Menschen und fremdartigen Geschöpfen oder Genmutationen. Einige Beispiele sind Creature from the Black Lagoon (1953), Them! (1954), It Came from Beneath the Sea (1955) oder Tarantula (1955).
Als Antwort auf die hochbudgetierten Filme der großen Produktionsstudios Hollywoods entwickelten sich von kleinen Produktionsfirmen die sogenannten B-Movies, die mit geringen finanziellen Mitteln umgesetzt wurden.
Eine weitere Entwicklung des Horrorkinos der 50er Jahre war die Erkenntnis, dass das Publikum von Horrorfilmen meist junge Menschen sind und so wurden Horrorfilme für die Zielgruppe Teenager produziert wie zum Beispiel I was a Teenage Werewolf (1957) oder I was a Teenage Frankenstein (1957).
Als Gegensatz zu dieser „Infantilisierung“[10] des Horrorfilms entwickelte sich in Großbritannien eine andere Ausrichtung des Horrors. Hier wurden in den Studios der Hammer Productions die Filme des klassischen Horrors aus Hollywood in einer Form neu aufbereitet, die als blutig und bunt beschrieben werden kann, denn die neu produzierten Horrorfilme waren nun in Farbe. Der Stil der Hammer Filme…
„…bestand vor allem aus klassischem Gothic Horror und einer neuen Explizität, die das Grauen durch seine rückhaltlose Darstellung mehr und mehr in den Fokus des Betrachters rückte.“ [11]
Die Stars der Hammer Filme waren vor allem Christopher Lee und Peter Cushing, welche als Dracula und Van Helsing im gleichnamigen Film von 1957 das Genre zu neuer Größe aufleben ließen. Das Duo spielte bis 1974 ihre Paraderollen in sechs direkten Fortsetzungen zu Dracula und sollte darüber hinaus auch noch in zahlreichen weiteren Produktionen des Hammer Studios mitwirken wie zum Beispiel The Curse of Frankenstein (1956) oder The Mummy (1958).
1960 wurde ein Horrorfilm veröffentlicht, der das Genre nachhaltig und weitreichend beeinflusste. In Alfred Hitchcocks Psycho wurde eine Mischung aus Thriller und Horror gezeigt, die als Ursprung des Slashergenres[12] benannt wird.[13]
Doch auch in Italien machte ein Genre von sich reden, welches ebenfalls den...