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Aufmerksamkeit

Warum wir sie so oft vermissen und wie wir kriegen was wir wollen

AutorJon Christoph Berndt
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783843714990
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Aufmerksamkeit zu bekommen ist ein Grundbedürfnis. Sie steht für Wertschätzung, die man braucht wie die Luft zum Atmen. Im Zeitalter von Internet und Social Media, Multitasking und Dauerhetze wird sie aber spürbar seltener - und damit kostbarer. Vor allem im Gespräch von Angesicht zu Angesicht gilt: Nur wer Aufmerksamkeit schenkt, darf sie auch erwarten. Anhand scharfsinniger Beobachtungen in markanten Unternehmen und im Alltag sensibilisiert Jon Christoph Berndt uns für das Thema, das immer elementarer wird. Und zeigt auf, wie wir vom neuen Umgang mit der Aufmerksamkeit profitieren - privat, geschäftlich und gesellschaftlich. Was ist besonders? Jon Christoph Berndt beschreibt Aufmerksamkeit als unterschätzten und vernachlässigten, dabei aber ganz entscheidenden Erfolgsfaktor.

Jon Christoph Berndt (*1969) ist Spezialist für Profilierung und Vermarktungserfolg. Mit der brandamazing Managementberatung verschafft er Unternehmen und Menschen mehr Aufmerksamkeit. Er ist gefragter Vortragsredner, Gesprächspartner für TV, Presse und Radio, Autor zahlreicher Bücher und Dozent an der Universität St. Gallen. Jon Christoph Berndt lebt und arbeitet in München.

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Leseprobe

DIE HÄRTESTE WÄHRUNG DER WELT


Aufmerksamkeit ist eine der wertvollsten menschlichen Ressourcen überhaupt. Die Fähigkeit zur uneingeschränkten Wachsamkeit und Konzentration ist jedoch nicht allen Menschen gleichermaßen gegeben. Diejenigen mit einem erblich bedingten Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) oder der hyperaktiven Ausprägung ADHS können sich wesentlich schlechter konzentrieren als andere. Die Folgen können Erschöpfung, Burn-out und Depression sein, verbunden mit Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und im Privat- und Alltagsleben, außerdem mit Suchtgefahren und einem erhöhten Unfallrisiko.

Bei einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom sind die für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motorik zuständigen Hirnregionen anders ausgeprägt und funktionieren auch anders als gewöhnlich. Hier lässt das Vorderhirn, das für die Informationsverarbeitung all der Millionen Reize, die jede Sekunde auf die Sinnesorgane einprasseln, zuständig ist und sie normalerweise nach Priorität sortiert, viel mehr Informationen auf einmal durch als bei anderen Menschen. Das verursacht eine Art »Datencrash«: Betroffene haben das Gefühl, keinen klaren Gedanken fassen zu können. Alles scheint gleich wichtig zu sein. Menschen mit einer solchen genetischen Veranlagung können sich nur mühsam länger konzentrieren und sind leicht abzulenken. Sie vergessen mehr als andere, verlegen Dinge wie Schlüssel oder Geldbörse und müssen sich besonders anstrengen, um ihren Alltag zu strukturieren. Wenn sie etwas nicht ernsthaft interessiert, langweilen sie sich rasch und springen zum nächsten Thema.

Da die Taktung in der digitalen Welt ähnlich häppchenweise, sprunghaft und schnelllebig erscheint wie die Lebensweise eines Betroffenen, entsteht oft der Eindruck, die hyperaktive Form von ADS sei eine Modekrankheit, die mit dem Wandel im Kommunikationsverhalten einhergeht. Dabei hat es Menschen mit ADHS schon immer gegeben; sie fielen nur nicht besonders auf. Manche Forscher behaupten sogar, dass sie in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte die besseren Jäger und Sammler waren, denn: Ist ein Betroffener an einem Thema ganz besonders interessiert, kann er sich regelrecht daran festbeißen und alles andere ausblenden. Man spricht dann von einer Hyper-Fokussierung. Für einen steinzeitlichen Jäger, der hochgradig motiviert und fokussiert einem Tier hinterherspürt, egal ob es regnet, schneit oder stürmt, war diese Disposition eine herausragende Ausgangsposition. In einer extrem beschleunigten und von Multitasking geprägten Welt wie der heutigen, in der der Mensch ständig und von allen Seiten mit immer neuen Reizen förmlich bombardiert wird, haben es Menschen mit dieser Veranlagung dagegen schwer. Hier wirken extreme Fokussierung und mangelnde Adaptionsfähigkeit wie aus der Zeit gefallen. Denn nie war die Fähigkeit, sich zu fokussieren, wichtiger als heute.

Auch Menschen ohne diagnostiziertes angeborenes Defizit haben jeder für sich ihre ganz eigenen Wahrnehmungsmängel, die weder als »Krankheit« empfunden noch als solche bezeichnet werden. Notorische Ignoranz gehört dazu genauso wie Alltagsphänomene, wie überlautes Telefonieren in der Bahn (»Ich bin jetzt grad' im Zug!«), die fortwährende Inszenierung online (»XY war gerade live«) und das Gesprächsgrabschen. Wenn ADHS-Diagnostizierte dauersendend, unreflektiert und mit Scheuklappen umherlaufen, können sie nichts dafür und dürfen Rücksichtnahme erwarten. Alle anderen dürfen damit nicht rechnen. Wer nicht zuhört und sich ungeniert in den Mittelpunkt drängt, kann nicht erwarten, dass sein Gegenüber dazu motiviert ist, ihn ernst zu nehmen und wertschätzend auf ihn einzugehen. Denn: Nur wer bewusst ist und zuhört, signalisiert überhaupt die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und zu einer Beziehung. Das gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche und zwischen den Kulturen.

Deswegen ist Zuhören und damit die gelebte, entgegengebrachte Aufmerksamkeit die härteste Währung, die es gibt – und gleichzeitig die Voraussetzung dafür, Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen. Gegen die Aufmerksamkeit sind Euro und Dollar vergängliche Tausch- und Zahlungsmittel, die fortwährend Risiken und Schwankungen unterliegen. Aus dieser Warte betrachtet, ist sie nicht nur das härteste, sondern auch das stabilste Zahlungsmittel, und zwar nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht: immer willkommen, immer anerkannt, immer gut für ein Tauschgeschäft: Es gibt dafür

×Aufmerksamkeit zurück

×Interesse und Begehrlichkeit

×Erwiderung von Avancen im Zwischenmenschlichen

×Beachtung von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen durch den Kunden und

×sogar Geld und Erfolg.

Unabdingbare Grundlage für all dies ist der tiefgründige Dialog. Er beruht auf dem konstruktiven Austausch, begründet auf echter Rede und Gegenrede, die beide Seiten bereichert und in ihrem Denken, Fühlen und Handeln weiterbringt. Das bereichernde Leben besteht zu einem Großteil aus kleinen und großen Geschichten und Anliegen, die wir weitergeben und erzählt bekommen möchten. Sie ermöglichen, unsere Beobachtungen und Meinungen zu kommunizieren und dabei unsere Gefühle auszudrücken. Vor allem auch, weil wir geteilte Ansichten und Erlebnisse intensiver wahrnehmen und uns daran mehr erfreuen können. Schenken wir dem anderen unser Ohr und bauen auf dem Gehörten auf, knüpfen wir die Bande, die echten Austausch ermöglichen und darüber immer fester werden. Nachhaken, Perspektivenwechsel und andere Blickrichtungen sorgen für fruchtbare Wendungen, Überraschendes und Verblüffendes – und das Gefühl von Glück. Denn wer im Dialog steht, steht in einer Beziehung. Ein echter Dialog hinterlässt ein Gefühl der Zufriedenheit und Bereicherung. Er lebt von der Wechselwirkung aus Gesagtem und Verarbeitetem, neu Gesagtem und erneut Verarbeitetem. Und darauf beruht maßgeblich die menschliche Natur. Handeln wir ihr zuwider, indem wir den Dialog durch egomanische Verhaltensweisen ersetzen, leben wir auf Sparflamme, beschnitten in der Interaktion und im Erleben, Erkennen, Deuten und Wissen.33

Der Effekt eines echten Dialogs ist mit Geld nicht zu kaufen. Für Geld gibt es Essen, Kleidung und Möbel, eine Flugreise und ein Hotelzimmer. Diese materiellen Dinge sind zweifellos erstrebenswert, sie können jedoch keine Gefühlszustände wie Akzeptanz, Verbundenheit, Zuneigung und Liebe auslösen. Der Mensch, der versteht, dass materielle Zufriedenheit nur ein Mosaikstein in seinem Erfüllungskonstrukt ist, versteht auch, dass Geldliches nicht den lang andauernden Zustand des Erfülltseins herstellt; sondern vielmehr ein Mittel zum Zweck ist, dorthin zu gelangen. Wohnliche Voraussetzungen für die Begegnung von Menschen zu schaffen etwa bietet nur den Raum für erfüllende Gespräche. Reisen ist eine Vorkehrung für erfüllende Begegnungen mit geschenkter wie erhaltener Aufmerksamkeit. Die geldliche Währung macht die Währung Aufmerksamkeit bestenfalls noch härter. Diese ist frei von Inflation und, wichtiger noch: Sie wird mehr, wenn man sie teilt.

Doch um Aufmerksamkeit schenken zu können, müssen wir fokussiert sein.

FOKUSSIERUNG: WER ZUHÖRT, WIRD VORN SEIN


Fokussiert sein bedeutet zum einen, sich selbst und seiner Umwelt (wieder) bewusst zu werden; zum anderen, seinen Gesprächspartner anzusehen, sich ihm zuzuwenden, auf ihn einzugehen. Es klingt einfach, doch oftmals ist man mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Die gerade empfangene Whatsapp-Nachricht kommt dann zuerst, obwohl sie sehr wahrscheinlich weder dringend noch wichtig ist. Sie könnte es ja sein.

Verkäufer sagen roboterhaft »Kassenzettel?« und »Schönen Abend!« und schauen dabei dem Kunden, dessen Geld sie gerade vereinnahmen, nicht einmal ins Gesicht. Wer mag es ihnen verübeln? Sie sind im Zweifel nah am Mindestlohn und frustriert davon, wie Kunden sich benehmen, indem sie während des gesamten Bezahlvorgangs mit stierem Blick und rundem Rücken am Handy sind und weder »Guten Tag!« noch »Danke!« kennen. In vielen Berufen, die Anerkennung und Aufmerksamkeit verdienen, werden Menschen heute beider beraubt, weil wir andere Interaktionen für wichtiger erachten als die, die wir gerade physisch ausüben.

Online reichen sehr kurze Worte und Sätze sowie niedliche Bildchen für die Basiskommunikation. Das soll dann offline auch genügen. Mehr und mehr Kunden reden an der Kasse gar nichts mehr. Die Kassiererin bei Rewe in München sagt, darauf angesprochen: »Seit zehn Jahren verändert sich das. Was glauben Sie, was ich hier alles erlebe? Das kommt vom Internet, da muss keiner mehr etwas sagen und freundlich sein, da funktioniert Kommunikation ohne Worte.« Es führt auch dazu, dass die Leute sich im Treppenhaus und auf der Straße nicht mehr grüßen und sich in der Bahn wortlos dazusetzen. Früher hieß das: »Guten Tag, entschuldigen Sie bitte, ist hier noch frei?« Und weil dieses Verhalten immer häufiger wird, wird es auch immer normaler. Psychotherapeuten raten vom Alltag verwunderten und überforderten Patienten zweierlei: wegsehen und weghören. Selbstschutz sei die beste Form des Umgangs mit all dem. Ändern könnten sie es sowieso nicht, und schlimmstenfalls würden sie daran verzweifeln.

Und wie reagieren diejenigen darauf, die auf die Aufmerksamkeit der Menschen angewiesen sind, weil sie ihnen etwas verkaufen wollen? Einkaufserlebnisse – die versprechen alle und wollen alle in einer erlebnishungrigen Welt – können nur realisiert werden, wenn Anbieter und Nachfrager wieder aufeinander eingehen. Auch die Wirtschaft beruht letztlich auf dem Dialog. Die einfache und bewährte Formel: Gibst du mir, geb' ich dir. Jeder...

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