Abb. 19: Einflussfaktoren auf Leistungserwartung (Quelle: Erweiterung in An- an Stauss/Seidel 1998a, S. 41) 1
Die eigenen Bedürfnisse, d.h. die verschiedenen Anforderungen und Kaufmotive des Kunden, bilden den Ausgangspunkt für Leistungserwartungen. 2 Zusätzlich beeinflussende und stark prägende Faktoren sind Erfahrungen und Erlebnisse, die der Kunde in der Vergangenheit bei der Konsumation ähnlicher Produkte erlebt hat. Darüber hinaus fließen auch Informationen, die durch Mundkommunikation (Word-of-Mouth) aus dem sozialen Umfeld bzw. aus den unternehmerischen Marketinginstrumenten (anbieterinitiierte Kommunikation in den verschiedenen Medien) gewonnen werden, in diesen Prozess mit ein (vgl. Hill 1986, S. 311; Berry/Parasuraman 1991, S. 60; Stauss/Seidel 1998a, S. 40). Konsumenten werden jedoch nicht nur mit anbieterinitiierter Kommunikation konfrontiert, sondern auch mit jener indirekten Kommunikation unabhängiger Medien, die Informationen über das Leistungsspektrum eines Unternehmens vermitteln (vgl. Scharnbacher/Kiefer 1998, S. 8).
Der Marketing-Mix der Unternehmen wirkt jedoch nicht nur auf die Erwartungshal- sondern auch auf die wahrgenommene Leistungsqualität sowie die den Produkten zugeschriebenen Eigenschaften (vgl. Bitner 1990, S. 72).
Als zusätzlich prägender Faktor für die Bildung der Erwartungshaltung an die Pro- ist der Preis anzusehen. Welche Auswirkungen dabei der Preis hat, soll am Beispiel folgender Studie (Andreasen 1982, S. 188) gezeigt werden: Darin wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Preis und Verbraucherbeschwerden bewiesen. D.h. die Beschwerdeneigung ist umso stärker ausgeprägt, je teurer ein
Beschwerde(un)zufriedenheit
Produkt ist. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass Preisüberlegungen entweder schon in der Vorkaufphase in die Erwartungshaltung miteinbezogen werden, spätestens aber in der Kaufphase die Erwartungshaltung modifizieren (vgl. Kaas/Hay 1984, S. 342 f.). Mit dem Begriff Preis muss jedoch nicht nur der konkret zu bezahlende Betrag für eine bestimmte Leistung gemeint sein, sondern es können auch alle „Kosten und Mühen“ subsumiert werden, die für den Erwerb einer Leistung aufgewendet werden müssen (vgl. Day 1977, S. 164 f.).
Als zusätzlich beeinflussende Komponente können die sozialen Kosten bzw. der soziale Vorteil angeführt werden, die der Kauf bestimmter Leistungen mit sich bringt (vgl. Day 1977, S. 163 f.). Das Image des leistenden Unternehmens kann - bei Dienstleistungen in größerem Ausmaß als bei Produktleistungen - auch Einfluss auf Erwartungshaltungen nehmen (vgl. Scharitzer 1993, S. 97).
Haben Konsumenten in der Vorkaufphase aufgrund zu geringer Leistungsinforma- keine oder nur mangelhafte Vorstellungen über ein Objekt, kann dies dazu führen, dass keine bzw. nur grob umrissene Erwartungen gebildet werden. Grund dafür kann mangelnde Anbieterkommunikation (z.B. Direktwerbung) aber auch geringe Produkterfahrung innerhalb des sozialen Lebensumfelds - somit mangelnde Mundkommunikation - sein.
Wenn Kunden Leistungen in Anspruch nehmen, werden zwei Gruppen von Erwar- gebildet: Eine Erwartung gegenüber der Leistung und eine zweite, die sich eher auf den sozialen Aspekt der Leistungserbringung bezieht (vgl. Krapfel 1985, S. 347). Dieser soziale Faktor bezieht sich auf die verbale und nonverbale Behandlung, die der Kunde vom Verkaufspersonal erfährt.
Da die verschiedenen Einflussfaktoren bei jedem Konsumenten anders gewichtet werden und unterschiedlich wirken, ergibt sich auch eine individuell unterschiedliche Erwartungshaltung an Leistungseigenschaften - das Anspruchsniveau. Erwartungen wirken sich auf den Vergleichsprozess zwischen erlebter und vorhergesagter Leistung und somit auf das Entstehen von (Un)Zufriedenheit aus. Aus unterschiedlichen Erwartungen resultiert auch das Phänomen, dass mehrere Konsumenten bei einer objektiv identen Leistung Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit
Beschwerde(un)zufriedenheit
empfinden können (vgl. Andreasen/Best 1977, S. 94).
Neben den im folgenden angeführten Ansätzen gibt es noch eine Reihe anderer Möglichkeiten, das Anspruchsniveau (Erwartungen) differenzierter darzustellen (vgl. Churchill/Surprenant 1982, S. 492; Woodruff/Cadotte/Jenkins 1983, S. 296 f.; Zeithaml/Berry/Parasuraman 1993, S. 2 f.).
1. realistische Erwartungen (vorhergesagte Leistung) sind die wahrscheinlichs- Ist-Leistungen, die eintreten werden, und beruhen auf Erfahrungen mit dem bzw. auf Informationen des Konsumenten über das Produkt,
2. ideale Erwartungen (gewünschte Leistung) hängen von der Orientierung der Person ab, d.h. welche Idealausprägungen der Leistung erwünscht sind,
3. tolerierbare Leistungen (Mindestleistung) sind jene wahrgenommenen Ist- die vom Konsumenten als gerade noch akzeptabel und hinnehmbar eingestuft werden,
4. um faire Leistungen (gerechte Leistung) handelt es sich dann, wenn die Per- die Ist-Leistung im Vergleich zum eingesetzten Aufwand als gerecht beurteilt,
5. erfahrungsgestützte Erwartung (produkttypische Leistung): Ist-Leistung, die auf Erwartungen mit allen Produkten einer Produktkategorie basiert (vgl. Gierl/Sipple 1993, S. 242; Stauss/Seidel 1998a, S. 41; Scharnbacher/Kiefer 1998, S. 8).
Stauss und Seidel (1998, S. 41) haben zusätzlich zu diesen fünf Kategorien noch zwei zusätzliche Möglichkeiten angeführt:
• angemessene Leistung, wenn eine Leistung angemessen sein soll. Es wird aber nicht näher darauf eingegangen, was unter angemessen zu verstehen ist.
• markenbeste Leistung liegt bei der besten bekannten Angebotsalternative
Beschwerde(un)zufriedenheit
vor.
Es ist offensichtlich, dass die angeführten Möglichkeiten nur Orientierungspunkte sein können, in denen sich die verschiedenen Einflussfaktoren manifestieren. Erwartungshaltungen können auch davon abweichend gebildet werden. Welche der oben erwähnten Erwartungen herangezogen wird, kann jedoch nicht geklärt werden, da die Erwartungsstrukturen von Kunden zu unterschiedlich sind, um eine Verallgemeinerung zuzulassen (vgl. Scharnbacher/Kiefer 1998, S. 9).
Zusätzlich sind bei den obigen Vergleichsstandards zum Teil inhaltliche Über- feststellbar, z.B. zwischen angemessener, fairer und erfahrungsgestützter Leistung (vgl. Vom Holtz 1997, S. 58).
Nachteilig wirkt sich beim Heranziehen von Erwartungen als Vergleichsstandard aus, dass Zufriedenheit nur dann auftreten kann, wenn sie auf Aspekte des Kaufobjekts bezogen ist, über die Kunden schon vor dem Ge- bzw. Verbrauch eine bestimmte Meinung hatten. Wird diese Überlegung weiter verfolgt, müssten Kunden auch mit schlechten Produktattributen zufrieden sein, wenn diese schon vorher erwartet waren (vgl. Homburg/Rudolph 1998, S. 40; Rudolph 1998, S. 18).
Unterscheidung Güter - Dienstleistungen
Bei der Festlegung von Bewertungsstandards und auch beim Qualitätsbeurtei- muss prinzipiell zwischen Produkt- und Dienstleistungen differenziert werden (vgl. Zeithaml 1981, S. 186 f.). Dies hat mit der Definition des Begriffs Kaufakt und den Qualitätskriterien einer Leistung zu tun. Während bei materiellen Gütern zwischen Ge- und Verbrauchsgütern unterschieden wird - es sind Unterschiede bezüglich Erwartungshaltung, Nachkaufverhalten und Beschwerdeverhalten zu beobachten - sind Dienstleistungen dadurch gekennzeichnet, dass sie vom Kunden nicht als punktueller Eindruck sondern als Prozess erlebt werden (vgl. Stauss 1992, S. 10; Scharitzer 1993, S. 95; Dick/Hausknecht/Wilkie 1995).
Warum Kunden die Inanspruchnahme von Dienstleistungen als Prozess erleben,
Beschwerde(un)zufriedenheit
kann Abb. 20 entnommen werden. Dabei ergibt sich die Komplexität einer Dienst- aus Potential-, Prozess- und Ergebnisdimension.
Die Potentialdimension kennzeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft eines Unter- zur Bedarfsdeckung Dritter die notwendigen Potentiale bereitzuhalten. Diese Leistungspotentiale sind stets immateriell, da sie nicht greifbare Leistungsversprechen darstellen. Abgesehen von der Potentialdimension stellt auch die Prozessdimension - die Erstellung von Dienstleistungen - eine immaterielle Dimension dar. Erst in der Ergebnisdimension werden die anderen beiden Dimensionen sichtbar gemacht. (vgl. Meyer 1991, S. 197 f.).
Abb. 20: Dimensionen des Dienstleistungsbegriffs und Phasen einer Dienstleistung (Quelle: Meyer 1991, S. 197)
Zur Klärung des Dienstleistungsbegriffs kann folgende Definition herangezogen werden:
„Dienstleistungen sind angebotene Leistungsfähigkeiten, die direkt an externen Faktoren (Menschen oder...