In Kapitel 2 wurde erwähnt, dass die Standards und Interpretationen für alle Unternehmen verpflichtend anzuwenden sind, die nach dem IFRS bilanzieren. Dies bedeutet für Unternehmen, die latente Steuern nach IFRS bilanzieren, dass sie sowohl den Standard IAS 12 „Ertragsteuern“ und die Interpretation SIC-25 „Ertragsteuern – Änderungen im Steuerstatus eines Unternehmens oder seiner Anteilseigner“ bei der Bilanzierung beachten müssen. Dieser Standard und diese Interpretation sind von allen Unternehmen im Einzel- bzw. Konzernabschluss nach IFRS unabhängig davon anzuwenden, ob es sich von der Rechtsform um eine Personengesellschaft, eine Kapitalgesellschaft, um börsennotierte Unternehmen oder Unternehmen mit verschiedenen Größenmerkmalen handelt.[35]
In IAS 12.2 wird der Anwendungsbereich des Standards definiert. Dieser soll, bei allen in- und ausländischen Ertragssteuern in das steuerpflichtige Einkommen der Unternehmen berücksichtigt werden, die ihren Abschluss nach IFRS aufstellen. Dazu zählt auch die Quellensteuer, die z.B. bei Ausschüttungen der Tochtergesellschaften an das berichtende Unternehmen entsteht. Ertragsteuern sind in Deutschland die Einkommen-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer, zuzüglich Solidaritätszuschlag. [36]
In IAS 12.5 befindet sich eine weitere wichtige Regelung, denn es wird zwischen den tatsächlichen und den latenten Steuern unterschieden. Die tatsächlichen Steuern sind die geschuldeten bzw. erstattungsfähigen Ertragsteuern, die aus dem zu versteuernden Einkommen bzw. steuerlichen Verlusten entstehen.[37] Die latenten Steuern resultieren dahingegen aus der unterschiedlichen Behandlung eines Sachverhalts zwischen IFRS-Abschluss und der steuerlichen Gewinnermittlung. Im Vergleich der tatsächlichen und latenten Steuer, fokussiert sich der Standard IAS 12 weitestgehend auf die latenten Steuern, weil sich die Regelung der tatsächlichen Steuer als weniger problematisch erweist.[38]
Wie eng die Regelung der deutschen Gesetzgebung mit den internationalen Standards verbunden ist, lässt sich anhand von § 315a Handelsgesetzbuch feststellen. Es wird sowohl auf die internationalen Rechnungslegungsstandards verwiesen, als auch auf die Paragraphen, die trotzdem im Handelsgesetzbuch für IFRS-Anwender anzuwenden sind. Die Bundesrepublik Deutschland wird vom Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) in den internationalen Standardisierungsgremien vertreten und hilft bei der Erarbeitung von Interpretationen.[39] Die Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) sind für IFRS bilanzierende Unternehmen nicht verpflichtend anzuwenden, sollten aber bei fehlender Konkretisierung europarechtlicher Vorschläge hinzugezogen werden, sofern die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze nicht weiteres bestimmen.[40]
Wie bereits in Kapital 2 besprochen, ist das Ziel des Rahmenkonzepts des IFRS entscheidungsrelevante Informationen an die Adressaten zu vermitteln und somit eine korrekte Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Abschlusses zu ermöglichen. Der Großteil dieses Ziel könnte nicht verfolgt werden, ohne die Berücksichtigung von latenten Steuern im Konzernabschluss. Weicht der IFRS-Buchwert vom Steuerwert ab, könnte die Bilanz ohne die Aufführung von latenten Steuern keine zutreffende Auskunft über die tatsächliche Lage der erwarteten Zahlungsmittelzuflüsse und Zahlungsmittelabflüsse geben. Die latenten Steuern sorgen somit für Transparenz zwischen der Steuer- und IFRS-Bilanz und sind Bestandteil für die Darstellung der tatsächlichen Vermögens- als auch Ertragslage.[41]
Typischerweise steht der tatsächlich ermittelte Steueraufwand bzw. -ertrag in der steuerlichen Gewinnermittlung in keinem Zusammenhang zum IFRS-Ergebnis vor Steuern. Damit der tatsächliche Zusammenhang zwischen dem IFRS-Ergebnis vor Steuern mit dem Steueraufwand bzw. Steuerertrag in der GuV nach IFRS hergestellt wird, ist die Einbeziehung von latenten Steuern zusätzlich zu den tatsächlichen Steuern notwendig. [42] In der nachfolgenden Tabelle wird der Zusammenhang zwischen den tatsächlichen Steuern in der steuerlichen Gewinnermittlung und nach
IFRS vereinfacht dargestellt.
Tabelle 1:[43] Zusammenhang zwischen den tatsächlichen Steuern gemäß der steuerlichen Gewinnermittlung und dem IFRS.-Steuerausweis
Wie man in der Tabelle 1 erkennt, bestehen die Ertragsteuern, bei der IFRS-Gewinnermittlung aus den tatsächlichen Steuern und den latenten Steuern. Die latenten Steuern fließen nach IFRS, wie die tatsächlichen Steuern, in die GuV ein und beeinflussen das Ergebnis nach Steuern. Der Sinn und Zweck der latenten Steuer ist es, die unterschiedlichen Behandlungen eines Sachverhaltes im IFRS-Abschluss und in der steuerlichen Gewinnermittlung anzugleichen. Das Angleichen erfolgt, indem fiktive Forderungen und Verbindlichkeiten der Ertragsteuer gebucht werden. In der Periode der Buchung erfolgt keine tatsächliche Steuerzahlung, führt jedoch in den Folgeperioden zu Mehr- oder Minderzahlungen in der Gewinn- und Verlustrechnung.[44]
Neben der Feststellung, dass die Nichtbeachtung der latenten Steuer zu einer verzerrten Darstellung der Vermögens- und Ertragslage führen würde, würde das Ignorieren von latenten Steuern gegen die zu Grunde liegende Annahme des Rahmenkonzeptes der Periodenabgrenzung verstoßen. Die Aufwendungen und Erträge sollen in der Periode erfasst werden, dem sie wirtschaftlich zuzurechnen sind und sich nicht nach der Zahlungswirksamkeit orientieren.[45]
Der Sinn und Zweck der Entstehung von latenten Steuern, ist wie in 3.1 erwähnt, die Angleichung eines unterschiedlich behandelten Sachverhalts zwischen IFRS-Abschluss und der steuerlichen Gewinnermittlung, sodass den Adressaten ein korrektes und wahrheitsgemäßes Bild der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens ermöglicht wird.
Damit latente Steuern überhaupt entstehen können, muss die Voraussetzung der unterschiedlich zeitlichen Erfassung eines Sachverhalts zwischen der IFRS- und Steuerbilanz gegeben sein. Erst Differenzen zwischen diesen beiden Rechenwerken machen die Bilanzierung von latenten Steuern möglich.[46] Jedoch werden nach IFRS nicht alle Wertunterschiede zwischen IFRS- und Steuerbilanz gleich als latente Steuern behandelt sondern nur die Differenzen, die temporärer Natur sind.[47]
Allgemein werden drei Differenzen unterschieden:[48]
zeitlich begrenzte Differenzen,
quasi-permanente Differenzen und
permanente Differenzen.
Zeitlich begrenzte Differenzen gehören zu den temporären Differenzen. Der Name dieser Differenz nimmt es schon vorweg und verrät, dass sich diese Differenzen, die zwischen IFRS- und Steuerbilanz entstanden, nur zeitlich begrenzt sind und sich im Zeitablauf wieder ausgleichen. Somit führen die temporären Differenzen zu einem künftigen steuerlichen Umkehreffekt. Ein klassisches Beispiel hierzu wäre die unterschiedliche Behandlung eines Vermögenswertes in der IFRS-Bilanz und des Wirtschaftsgutes in der Steuerbilanz im Bezug auf die Abschreibung. Ergeben sich zwischen diesen beiden Rechenwerken unterschiedliche Abschreibungsdauern, kommt es automatisch zu Differenzen in der GuV und in der Bilanz, die sich aber im Zeitverlauf wieder ausgleichen. Somit wäre die unterschiedliche Behandlung der Abschreibung zwischen der IFRS- und Steuerbilanz eine zeitlich begrenzte Differenz.[49]
Quasi-permanente Differenzen sind Differenzen, die entstehen, wenn der Ausgleich der Differenz aufgrund einer noch zeitlich weitliegenden unternehmerischen Entscheidung abhängig ist und die Zuordnung, ob die Differenz eine zeitlich begrenzte oder permanente ist, sich als nicht eindeutig erweist.[50] Das Ausgleichen von quasi-permanenten Differenzen kann folglich durch Managemententscheidungen, neuen Ereignissen und spätestens durch Liquidation des Unternehmens erfolgen. Als Beispiel für quasi-permanente Differenzen sei hier ein Grundstück aufgeführt, welches nach IFRS außerplanmäßig abgeschrieben wird und in der Steuerbilanz nicht. Das würde bedeuten, erst durch die Wertminderung (neues Ereignis) in der Steuerbilanz oder durch den Verkauf des Grundstücks (Managemententscheidung), würde sich die quasi-permanente Differenz ausgleichen.[51]
Permanente Differenzen sind...