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E-Book

Drei im Blau

Kunst und Glaube

AutorGustav Schörghofer
VerlagResidenz Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783701744237
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Wo sich Glaube und Kunst begegnen - und auf den Menschen treffen. Kunst und Glaube werden heute oft für unvereinbar gehalten. Doch der Jesuitenpater Gustav Schörghofer spannt einen Bogen über die Jahrhunderte bis zur Gegenwart, von glaubensbildender Kunst zu bildhaftem Glauben, und hebt damit den Gegensatz auf: Einerseits zeigt er hinter Techniken und Themen der Maler das tiefe Grundbedürfnis der Menschen, über sich selbst hinausgehend Sinn zu entdecken wie zu stiften. Andererseits lässt er den Wert sichtbarer Schönheit und poetischen Geistes für religiöse Lehren begreifen. Aus dieser doppelten Perspektive gelingt Strich für Strich ein Bild von Kunst und Glaube, welches Nähe schafft, wo lange Zeit nur Distanz gesucht wurde.

Gustav Schörghofer geboren 1953 in Salzburg, studierte Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Salzburg sowie Philosophie und Theologie in München und Rom. 1981 Eintritt in die Gemeinschaft der Jesuiten, 1988 Weihe zum Priester und seit 1998 Rektor der Jesuitenkirche-Universitätskirche. Regelmäßige Betreuung von Künstlerprojekten sowie Beiträge in diversen Zeitschriften, u. a. in Geist und Leben, Wort auf dem Weg und entschluß.

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Leseprobe

BIRNEN/KOSMOS – ein kleines Bild von Heinrich Menches. Zwei rotbraune Dreiecke nehmen ein mächtiges Blau in ihre Mitte. Die heftige Bewegung der Pinselstriche, Aufschäumen und Versinken der Farbe: Blau, aus dem Blauweiß ins Schwarzblau. Und schwebend im Blau drei gelbe Birnen.1

„Und als er an einem Tag auf den Stufen desselben Klosters die Tagzeiten unserer Herrin betete, begann sich ihm der Verstand zu erheben, als sähe er die heiligste Dreifaltigkeit in Gestalt von drei Tasten …“2 So schildert Ignatius von Loyola in seiner Autobiografie, dem „Bericht des Pilgers“, seine Schau Gottes. Ignatius spricht von sich selbst in der dritten Person. Er sagt nicht, er habe drei Orgeltasten gesehen und diese hätten ihn an die Dreifaltigkeit erinnert. Er sagt, er habe die Heiligste Dreifaltigkeit in Gestalt von drei Tasten gesehen. Sie hat sich ihm zu erkennen gegeben. Aber nicht in mächtigen Erscheinungen, sondern in der Gestalt unscheinbarer Gegenstände. Gott kann in den Gestalten dieser Welt wahrgenommen werden. In Gestalt von drei Orgeltasten. Oder von drei Birnen im Blau.

Jesuitenkosmos – eine Installation von Christoph Steinbrener und Rainer Dempf. Von November 2008 bis Mai 2009 war über den gesamten Innenraum der Wiener Jesuitenkirche/Universitätskirche eine Ansicht der Erde aus dem Weltall gespannt. Über dem Blau der Meere weiße Wolken. Schwarz die Weite des Raums. Ein Astronaut schwebt im Freien. Teile der Raumstation. Die Gewölbefresken eines der prächtigsten hochbarocken Kirchenräume Wiens sind mit diesem auf ein engmaschiges Netz gedruckten Foto der NASA verhängt, das Bild des von Engeln bevölkerten Himmels ist durch ein neues Bild ersetzt worden. Das Motiv der „Eroberung des Himmels mit technischen Mitteln“ wurde mit neuen Methoden umgesetzt, der Innenraum der Kirche mit einer aus der Werbung bekannten Technik neu interpretiert. Das neue Bild forderte eine Wendung des Blicks, eine radikale Änderung der Blickrichtung. Nicht mehr Aufstieg des Blicks in himmlische Zonen, sondern ein Abstieg des Blicks auf die Erde. Der umgekehrte Blick geht von oben nach unten.

Diese Sichtweise entspricht jener, die Ignatius von Loyola in seinem Exerzitienbuch für die „Betrachtung über die Menschwerdung“ vorschlägt: „Die drei göttlichen Personen sehen und erwägen, gleichsam auf ihrem königlichen Sitz oder Thron ihrer göttlichen Majestät, wie sie das ganze Angesicht oder die Rundung der Erde und alle Völker schauen.“3 Die Installation Jesuitenkosmos bot dem Betrachter eine Ansicht der Welt aus der Perspektive der göttlichen Personen. Sie verbarg das in der Apsiswölbung gemalte Bild der Dreifaltigkeit. Doch sie bot die Möglichkeit, die Welt mit den Augen Gottes zu betrachten. Der Blick Gottes auf die Welt entdeckt mehr als bloß einen schönen blauen Planeten.

Michael Collins, ein Mitglied der Mannschaft von Apollo 11, schlug nach der Rückkehr vom Mond vor, auf zukünftigen Flügen auch einen Dichter, einen Priester und einen Philosophen mit an Bord zu nehmen: „Dann werden wir eine bessere Vorstellung von dem bekommen, was wir gesehen haben.“

Unsere Erde, der „Blaue Planet“. Wir haben sie gesehen, mit den Augen derer, die vom Mond oder frei schwebend im All zurückgeschaut haben: im Schwarz das leuchtende Blau der Erde. Wo wir geschützt durch Luft und von der Schwere am Boden gehalten leben. Schwer oder luftig. Wo wir unter freiem Himmel Häuser und Hütten bauen. Auf festem Boden oder auf Sand. Wo wir Heimat suchen, einen Ort der Ankunft. Im Blau der Erlösung.

Die Welt aus dem All zu sehen. Von außen auf sie zu schauen. Der Blaue Planet als Ort der Rast. Wo Leben Erlösung findet. Wo es zur Entfaltung kommt. Wo es kommt und geht, im Blau der Erde. Blau ist die Farbe des Unendlichen, des Ewigen und der Reinheit. Wir leben eingetaucht ins Blau.

Blau des Himmels, Blau des Meeres, Kornblumenblau, Stahlblau, Lavendelblau, das Blau des Eisvogels, Blau der Feder des Eichelhähers, Blau des Wellensittichs, Saphirblau, Lapislazuliblau, Blau des Labradorsteins, Ultramarinblau, Kobaltblau, Indigoblau, das Blau des Abends und des Morgens, das Blau der Nacht, das Blau des hellen Mittags, das Blau ferner Berge.

„Die Japaner schliefen unter blauen Moskitonetzen, die ihnen die Illusion von Frieden und Kühle vermitteln sollten.“4

Die Erde als Rastplatz zu betrachten. Wo es nichts zu erreichen gibt, weil alles schon erreicht ist. Millionen Jahre hat es gedauert. Doch nun bin ich angekommen. Und bevor ich wieder gehe, halte ich kurz Rast. Eingebettet ins Blau.

Marienblau. Das Blau der Unbefleckten Empfängnis. Das Blau der Reinen, die nicht unversehrt geblieben ist. Bedrohtes Blau. Bedroht vom Schmerz des Abschieds, vom Schmerz des Unverständlichen, vom Schmerz des Unrechts, vom Schmerz des Todes, vom Schmerz der Einsamkeit. Bedroht von Machtgier, von Ichsucht, von Neid, Geiz, Zorn und Wut. Bedroht von den Ausschweifungen des Geistes und der Sinne. Bedrohtes Blau. Gefährdetes Blau.

Gerettetes Blau. In die Geste der Versöhnung hinein gerettetes Blau. Das blaue Lachen des Kindes. Der blaue Blick der Unschuld. Blauäugig nicht. Das blaue Wunder der Liebe. Die Fahrt ins Blaue des Vertrauens. Das Blau der ungetrübten Hingabe. In den weiten Raum der Freiheit gerettetes Blau. Blau der Zuneigung. Die blaue Blume.

Blauer Himmel. Blaue Luft. Blaues Meer. Blaue Ferne. Blaue Augen. Blaue Lippen. Blaue Flecken. Blauer Rauch. Blaue Bohnen. Blaue Jungs. Blauer Dunst. Blauer Montag. Blaustichig.

Die Erde als einen Ort der Rast gestalten. Mit Musik. Mit Kunst. Mit Dichtung. Mit Essen und Trinken. Mit Gespräch. Mit Aufmerksamkeit. Mit Entgegenkommen. Mit Demut. Mit Freundlichkeit. Mit Vertrauen. Mit Witz. Mit kühlem Kopf. Mit brennendem Herzen. Mit Wissen. Mit Können. Mit Geduld. Das Blau der Geduld üben. Das blaue Wunder immer neu herbeirufen. Und blaue Flecken nicht scheuen.

Blau der Schuld, der eigenen und der Schuld anderer. Blaubarts Spur. Das Blau der Kälte. Blau des Eises. Blau des Stillstands. Blau des Erstarrens. Blau der Salzsäule. Das Blau der Rast verkehrt zum tödlichen Blau erstickten Lebens. Blausäure.

Das Blau der Erinnerung. Vergissmeinnichtblau. Das Gewesene im reinen Blau bewahren. Dass ihm das Drückende genommen wird. Dass es reingewaschen wird im Blau der Vergebung. Dem Blau des Verzichts Raum schenken. Dem Blau des Verzichts, das dem Leben der anderen nicht das eigene Recht auf Vergeltung entgegenstellt. Blau der Vergebung, die das Leben der anderen freispricht von den Folgen ihres unrechten Tuns. Das helle Vergissmeinnichtblau der Erinnerung. Die wie die lichtdurchfluteten Schichten des Meeres getragen ist vom Blau der Tiefe. Nachtblau der Erinnerung, das birgt und verbirgt. Tiefes Blau der Rast in Vergebung.

Das Blau von Derek Jarman:

„Blau ist die universelle Liebe, in welcher der Mensch badet – es ist das irdische Paradies.“

„Im Pandämonium der Bilderwelt

Präsentiere ich dir das universelle Blau

Blau, eine offene Tür zur Seele

Eine unbegrenzte Möglichkeit

Die greifbar wird.“

„Das unergründliche Blau der Seligkeit.“

„Ich lege dir eine Ritterspornblüte, Blau, aufs Grab.“5

„Blue“ – der letzte Film von Derek Jarman, der damals schon erblindet war, die Leinwand blau, nur blau, und Stimmen, 1993.

Das Blau von Yves Klein.

Das Blau von Georg Trakl:

„Ein blauer Augenblick ist nur mehr meine Seele.“

„In blauem Kristall

Wohnt der bleiche Mensch, die Wang’ an seine Sterne gelehnt.“

„Blaue Blume,

Die leise tönt in vergilbtem Gestein.“

„Dunkle Stille der Kindheit. Unter grünenden Eschen

Weidet die Sanftmut bläulichen Blickes; goldene Ruh.“

„Die blaue Woge

Des Gletschers.“6

Das Blau von Karl Prantl:

In den blau schimmernden Flächen des Labradorsteines sah er die Augen der Verstorbenen, ein Augenfriedhof. Die Millionen Augen der in den Gaskammern Ermordeten. Der Stein ist der Augen Rast und Ruhe. All die gebrochenen Augen leuchten im blauen Schimmer des Steins.

Das Blau Giottos:

Blau ist der Grund der Welt, Figuren, Bäume und Tiere, Bauten und Felsen, sie stehen im Blau. Blau ist das Gewölbe, das sich über alles breitet, Blau der Stille, Blau des Bergens, Blau der Heimkehr, Blau der Zusage, Blau des Trostes.

Das Blau der Glasfenster.

Von jenseits des Himmels betrachtet ist die Erde blau. Den Augen anderer verdanke ich diesen Blick auf unseren Blauen Planeten. Den Augen anderer verdanke ich die Einsicht, dass sich auch meinem Blick Gott zeigen kann. Überall im Blau der Erde lässt sich Gott...

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