Nach 1995[3] und 2006[4] hat sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014[5] zum dritten Mal mit der Erbschaftsteuer[6] und deren Verfassungsmäßigkeit auseinander setzen müssen. Die letzte Entscheidung zu Kernfragen des ErbStG durch das BVerfG ist auf den 7. November 2006[7] datiert. Daraufhin hatte der Gesetzgeber mit einem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 24. Dezember 2008[8] reagiert und mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ist das neue Gesetz in Kraft getreten. Aufgrund der noch nicht rechtskräftigen Neufassung ist das aktuelle Gesetz nach der ErbSt-Reform 2009 als die gültige Rechtslage anzusehen. Bezüglich der Rückwirkung hat das BVerfG wegen des Gebots der Planungs- und Rechtssicherheit eine „umfassende Fortgeltung des bisherigen Rechts angeordnet“[9], die sowohl für den Erblasser/Schenker als auch den Erben/Beschenkten gilt. Der Vertrauensschutz greift allerdings nur insoweit, „als sich die Steuerpflichtigen nicht der exzessiven Ausnutzung der als verfassungswidrig beanstandeten Gestaltungen bedienen, da für diesen Fall sonst eine Rückwirkung auf den 17. Dezember 2014 zu erlassen“[10] sei. Folglich kann der Gesetzgeber eine Rückwirkung anordnen, was er jedoch gemäß des Urteils des BVerfG nicht zwingend muss.
Grundsätzlich sind bei den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Steuervergünstigen zwei Fälle zu unterscheiden: die Privilegierung von Personengesellschaften sowie die Privilegierung von Kapitalgesellschaften. Bei Personengesellschaften gilt gem. § 13b I Nr.2 ErbStG für z.B. GbR, OHG, KG oder GmbH & Co. KG keine Mindestbeteiligung, da sich der unternehmerische Charakter bereits aus der Stellung der Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 I Nr.2 EStG ergibt. Bei Kapitalgesellschaften wie z.B. GmbH, AG, eingetragenen Genossenschaften, Vereinen oder der KGaA hingegen gilt eine Mindestbeteiligungsquote des Erblassers von mehr als 25 Prozent, die auf den Zeitpunkt der Übertragung abstellt und eine unmittelbare Beteiligung gem. § 13b I Nr.3 ErbStG vorsieht. Diese 25-prozentige Beteiligung kann jedoch auch gem. § 13b I Nr.3 S.2 ErbStG durch einen Stimmrechtsbindungsvertrag erreicht werden, sofern es zu einer einheitlichen Ausübung der Stimmrechte kommt und mehrere Beteiligte eine einheitliche Verfügung über ihre Gesellschaftsanteile im Streubesitz ausüben.
Ein Verwaltungsvermögenstest wird durchgeführt, um die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens zu klassifizieren und eine Quote des nicht begünstigten Vermögens zu errechnen, die Auskunft darüber gibt, welche Regelungen für den entsprechenden Erb- bzw. Schenkungsfall gelten. Zum Verwaltungsvermögen, also dem Vermögen, dass nicht als betriebsnotwendig anzusehen ist, gehören gem. § 13b II S.2 ErbStG Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Unternehmensbeteiligungen von 25 Prozent oder weniger, Wertpapiere, Zahlungsmittel abzüglich Schulden sowie Kunstgegenstände und Sammlungen. Bei den Zahlungsmitteln ist jedoch nach § 13b II S.2 Nr.4a ErbStG ein Freibetrag i.H.v. 20 Prozent auf den Unternehmenswert abzuziehen. Vom Verwaltungsvermögen abzugrenzen, ist jedoch das sog. „junge“ Verwaltungsvermögen. „Junges Verwaltungsvermögen ist solches Verwaltungsvermögen, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt noch nicht zwei Jahre zuzurechnen war“.[11] Dieses „junge“ Verwaltungsvermögen ist auch dann nicht begünstigt, wenn die Quote des Verwaltungsvermögens insgesamt 50 Prozent (bzw. 10 Prozent bei Verschonungsoption) nicht übersteigt, so dass es ohne Begünstigung gem. § 13b II S.2 ErbStG versteuert werden muss.[12]
Aus der Quote aus Summe des Verwaltungsvermögens und dem Unternehmenswert nach §§ 11, 199 ff. BewG i.V.m. § 12 ErbStG wird schließlich die Quote des Verwaltungsvermögenstests gebildet, um eine Einordnung für die Privilegierung nach Regelverschonung (s. 2.4) oder Verschonungsoption (s. 2.5) vorzunehmen oder keine Privilegierung zu genießen.
Grundsätzlich wird nach dem gemeinen Wert i.S.d. § 9 I BewG bewertet. Das Vermögen des Unternehmens bei nicht kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (§ 12 II ErbStG) sowie Personengesellschaften (§ 12 V ErbStG) wird grundsätzlich nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren gem. § 199 BewG bestimmt. Die gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung ist jedoch, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren „nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt“[13], so dass alternative Verfahren angewendet werden müssen. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften wird häufig nach IDW S1 Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer bewertet.
Tabelle 1: Beispiel Vereinfachtes Ertragswertverfahren nach § 199 ff. BewG (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die letzten drei Jahre vor Anteilsübertragung beziehungsweise Erwerb wird das Ergebnis nach § 202 BewG i.V.m. § 4 I S.1 EStG, der handelsrechtliche Jahresüberschuss, als Ausgangswert genommen und entsprechend korrigiert, um die „Earnings before Taxes“ (EBT), das operative Ergebnis vor Steuern, zu berechnen. Dieses wird durch Hinzurechnungen wie z.B. Abschreibungen auf den Geschäfts- oder Firmenwert sowie Kürzungen wie z.B. den Unternehmerlohn korrigiert und schließlich zum Betriebsergebnis summiert. Grundsätzlich wird zur Berechnung des EBT der handelsrechtliche Jahresüberschuss zuzüglich Nettoertragsaufwand errechnet bzw. das Betriebsergebnis um den Finanzaufwand und das außerordentliche Ergebnis korrigiert. Das Betriebsergebnis wird gem. § 202 III BewG um einen pauschalen Ertragsteueraufwand von 30 Prozent (resultierend aus KSt, SolZ und GewSt) abgegolten und man erhält den Jahresertrag, der dividiert durch die drei betrachteten Wirtschaftsjahre gem. § 201 I BewG, als „durchschnittlicher Jahresertrag“ zur Berechnungsgrundlage dient. Mit dem vom BMF festgelegten und im Bundessteuerblatt veröffentlichten Basiszins gem. § 203 II BewG sowie dem Zuschlag von 4,5 Prozent gem. 203 I BewG errechnet sich der Kapitalisierungszinssatz, dessen Kehrwert, der Kapitalisierungsfaktor, jenen Faktor angibt, der mit dem durchschnittlichen Jahresertrag multipliziert den Unternehmenswert ergibt. Im Jahr 2015 ist der Faktor mit 18,2 „eklatant höher als in 2014 (Faktor: 14,1). Daraus folgen höhere Unternehmenswerte und höhere Erbschaft- und Schenkungssteuern bei Erbschaften von Unternehmensteilen“[14], was zu derzeitigen Plädoyers für die Anwendung des IDW S1 führt, da sich dies vor allem auch aus § 11 II BewG ergibt. Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Präsident des Bundesverbandes der Steuerberater, hält diese Zahl für „unrealistisch“[15] und verweist darauf, dass ein hoher Multiplikator und die daraus resultierende Überbewertung auch mit einer entsprechenden Verschonung i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG einhergehen muss. Der Faktor, so Lüdicke, „dürfte bei kleinen und mittleren Unternehmen beim 4- bis 6- denn beim 18-fachen des Gewinns liegen“.[16]
Tabelle 2: Darstellung Privilegierung durch Regelverschonung und Verschonungsoption (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Regelverschonung kann im Erb- oder Schenkungsfall in Anspruch genommen werden, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 Prozent beträgt. Gemäß
§ 13a I S.1 i.V.m. § 13b IV ErbStG bleiben dann 85 Prozent des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG als sog. Verschonungsabschlag steuerfrei, sofern die Voraussetzungen des § 13a I ErbStG erfüllt sind. Die Summe der maßgeblichen jährlichen Lohnsummen des Betriebs darf innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten (Mindestlohnsumme). Verteilt auf fünf Jahre Fortführungspostulat bedeutet dies, dass das jeweilige Unternehmen auf den Fünf-Jahres-Zeitraum bezogen jedes Jahr mindestens 80 Prozent seiner Ausgangslohnsumme erreichen muss, um die Regelverschonung in Anspruch nehmen zu können. Dabei wird jedoch auf den durchschnittlichen Wert abgestellt, so dass ein kurzfristiges Unterschreiten in einem Jahr durch ein Überschreiten in einem anderen Jahr ausgeglichen werden kann. Für die Regelverschonung gilt zusätzlich ein sog. Abzugsbetrag nach § 13a II ErbStG mit degressiver Ausgestaltung. Das bedeutet, dass man von den 15 Prozent des Vermögens, die nicht privilegiert werden, einen Betrag von 150.000 Euro abziehen darf, wenn jedoch der Betrag über 150.000 Euro liegt (übersteigende Betrag), so muss der darüber liegende Teil nach § 13a II S.2 ErbStG nochmals um 50 Prozent gekürzt werden. Aufgrund dieser Regelung ist der Abzugsbetrag jedoch nur dann steuerlich hilfreich, wenn der steuerpflichtige Erwerb weniger als drei Mio. Euro beträgt, da sonst der Abzugsbetrag im Vergleich zu den zu versteuernden 15 Prozent zu gering ausfällt und der übersteigende Betrag den Abzugsbetrag folglich nivelliert. Ein steuerpflichtiger Erwerb von einer...