Im zweiten Kapitel dieser Arbeit geht es um die Grundlagen der finanzwirtschaftlichen Untersuchung, hierfür werden Teile der Entscheidungstheorie genutzt um die Erkenntnisse in dieser Arbeit zum Thema Finetrading besser messbar zu machen und einen wissenschaftlichen Ansatz für die finanzwirtschaftliche Analyse zu nutzen. Als Instrument der Entscheidungstheorie wird die Nutzwertanalyse genutzt, welche im Kapitel 0 näher vorgestellt wird. Im Anschluss werden die zu untersuchenden Kriterien während der Nutzwertanalyse bzw. finanzwirtschaftlichen Analyse definiert. Außerdem wird in diesem Kapitel das Finanzierungsmodell entlang der Supply Chain Kette skizziert und die drei zu untersuchenden Finanzinstrumente für das Finanzierungsmodell, Finetrading, Bankkredit und Reverse Factoring kurz vorgestellt.
Die Entscheidungstheorie ist in der angewandten Wahrscheinlichkeitstheorie ein Zweig zur Evaluation der Konsequenzen von Entscheidungen, dabei wird die Entscheidungstheorie vielfach als betriebswirtschaftliches Instrument genutzt. In der Entscheidungstheorie gibt es zwei verschiedene Methoden um eine Entscheidung für eine Problemstellung zu finden, zum einen die Nutzwertanalyse, welche auch in dieser Arbeit verwendet und im nachfolgenden Kapitel genauer definiert wird und zum anderen die etwas präzisere aber auch aufwendigere Analytic Hierarchy Process Methode, welche kein Bestandteil dieser Arbeit ist und somit auch nicht näher definiert wird. Bei der Nutzung dieser zuvor genannten Methoden werden Kriterien und Alternativen dargestellt, verglichen und anschließend bewertet, um die optimale Lösung für die Entscheidung bei einer finden zu können.[12]
Insgesamt unterscheidet man die Entscheidungstheorie in drei verschiedenen Teilbereiche[13]:
Normative Entscheidungstheorie welche auf der Rational-Choice-Theorie und normativen Modellen basiert. Grundlegend hierfür sind Axiome, die die Menschen bei der Entscheidung beachten sollten. Durch diese Herangehensweise lassen sich logisch konsistente Ergebnisse herleiten. Zentrale Fragestellung hierbei ist immer: Wie soll entschieden werden?
Präskriptive Entscheidungstheorie, dabei wird versucht Strategien und Methoden herzuleiten, die Menschen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, indem sie normative Modelle verwenden. Außerdem werden bei der präskriptiven Entscheidungstheorie die begrenzten kognitiven Fähigkeiten des Menschen untersucht. Meistens wird dieser Teilbereich genutzt um Probleme zu behandeln, die bei der Implementierung rationaler Entscheidungsmodelle auftreten können.
Deskriptive Entscheidungstheorie untersucht hingegen empirisch die Frage, wie Entscheidungen in der Realität tatsächlich getroffen werden, dabei geht es hauptsächlich um die Frage: Wie wird entschieden? Das bedeutet das hier vor allem der Prozess der Entscheidungsfindung untersucht wird und weniger die genutzten Modelle.
Die praktische Anwendung der präskriptiven Entscheidungstheorie wird Entscheidungsanalyse genannt, dabei werden Methoden und Software entwickelt, welche Menschen bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen.[14]
Das am häufigsten auftretende Problem im Bereich der Entscheidungstheorie ist das Thema der Unsicherheit. Denn der wahre Umweltzustand bei der Entscheidungsfindung ist oft nicht wirklich bekannt bzw. kann nur grob angenommen werden, hierbei spricht man dann von Entscheidung unter Unsicherheit.[15] Wohingegen man von Entscheidung unter Sicherheit spricht wenn alle Umweltzustände klar bekannt sind, was jedoch eher die Ausnahme ist und eher ein theoretisches Modell ist, da gerade in der Betriebswirtschaftslehre meistens Mutmaßungen und Annahmen bei der Entscheidungsfindung getroffen werden müssen, da nicht alle Teilbereiche bis ins letzte Detail untersucht werden können um die Unsicherheit zu verringern[16]. Insgesamt lässt sich das Thema Sicherheit bei der Entscheidungsfindung in folgenden Bereiche untergliedern[17]:
Entscheidung unter Sicherheit: Die eintretende Situation ist vollumfänglich bekannt und es gibt keine Unsicherheit über relevante Umweltfaktoren, hierfür werden dann Deterministische Entscheidungsmodelle verwendet.
Entscheidung unter Unsicherheit: Es ist nicht mit Sicherheit bekannt, welche Umweltsituation eintritt, da nicht alle Umweltfaktoren vollumfänglich bekannt sind, daher unterscheidet weiter in:
Entscheidung unter Risiko: Die Wahrscheinlichkeit für die möglicherweise eintretenden Umweltsituationen ist bekannt, hier wird in der Regel das Stochastische Entscheidungsmodell genutzt.
Entscheidung unter Ungewissheit: Die möglicherweise auftretenden Umweltsituationen sind zwar bekannt, jedoch sind deren Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht eindeutig bestimmbar.
Bei einer Entscheidung unter Risiko können für alle möglichen Auswirkunken einer einzelnen Entscheidung Erwartungswerte berechnet werden, während das bei einer Entscheidung unter Ungewissheit nicht möglich ist, da das Prinzip vom unzureichenden Grund (Indifferenzprinzip) angewendet werden muss[18]. Dabei wird jeder möglichen Option die gleiche Wahrscheinlichkeit zugeordnet wird. Als Folge dessen kann auch auf dieser Grundlage der Wahrscheinlichkeitsbewertung unter Ungewissheit eine Bestimmung des Erwartungswertes vorgenommen werden[19]. Anschaulich darstellen lässt sich der Entscheidungsprozess mitsamt den verschiedenen Konsequenzen am besten grafisch als Entscheidungsbaum und inkludiert dabei die mabertive Betrachtungsweise[20]:
Die Nutzwertanalyse gehört zu den qualitativen, nicht-monetären Analysemethoden der Entscheidungstheorie[21]. Das Ziel der Nutzwertanalyse ist es bei der Entscheidungsfindung bei komplexen Problemen und Fragestellungen zu helfen, dabei ist die Nutzwertanalyse ein altes Verfahren was seine Ursprünge eigentlich in der Volkswirtschaft anstatt der Betriebswirtschaft bzw. Finanzwirtschaft hat. Dabei liegt der Ursprung der Nutzwertanalyse in den USA und ist erst in den 70-er Jahren auch in Deutschland vermehrt eingesetzt worden[22]. In ihrem Kern orientiert sich die Nutzwertanalyse am Grundmodell der rationalen Entscheidungstheorie, wo sie den semi-quantitativen Bewertungsmethoden zugeordnet wird.
Oft wird die Nutzwertanalyse mit der Kosten-Nutzen-Analyse verwechselt, jedoch unterscheiden sich diese beiden Methoden in einigen Punkten. Denn während die Kosten-Nutzen-Analyse hauptsächlich verschiedene Kriterien unter Effizienzgesichtspunkten betrachtet, geht es bei der Nutzwertanalyse mehr um die Messung der Effektivität. Die Nutzwertanalyse findet überall dort Anwendung wo eine Beurteilung auf Basis mehrerer quantitativer und qualitativer Kriterien, Ziele oder Bedingungen getroffen werden soll. [23]
Besonders wenn eine Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Ziel der Ordnung dieser Alternativen entsprechend der Präferenzen der Entscheidungsträger bezüglich eines mehrdimensionalen Entscheidungssystems geordnet bewertet werden müssen. Zur Messung der Ergebnisse der Nutzwertanalyse werden Gesamtwerte der Alternativen anhand der zuvor definierten Kriterien geordnet und somit bestmögliche Alternative für die Problemstellung gefunden. Da diese zuvor genannten Punkte in dieser Arbeit erfüllt sind, aufgrund einer Vielzahl von verschiedenen finanzwirtschaftlichen Kriterien für die Analyse des Finetradings und der großen Anzahl von Finanzierungsalternativen entlang der Supply Chain Kette, macht die Nutzung dieses Analyseverfahrens aus der Entscheidungstheorie für diese Master Thesis absolut Sinn.[24] Ein weiterer großer Vorteil der Nutzwertanalyse ist, dass nicht ausschließlich harte Faktoren, welche in Zahlen absolut gemessen werden können, sondern auch weiche Faktoren, welche nur schwer objektiv zu messen sind, in die Analyse und die anschließende Bewertung mit einfließen können.[25]
Die entscheidungstheoretische Grundlage für die Nutzwertanalyse bildet die additive multiattributive Wertefunktion, welche jeder Alternative einen Wert in der Abhängigkeit ihrer Attributausprägung zuweist und somit die verschiedenen Alternativen am Ende vergleichbar macht. Denn am Ende der Nutzwertanalyse wird ein Gesamtwert für jede Alternative aus der gewichteten Summe der Einzelwerte aus den Kriterien berechnet. Hierbei ist es wichtig sich vorher klar zu machen was abweichend von der finanzwirtschaftlichen Definition von Nutzen in diesem Fall unter Nutzen verstanden wird. Denn für die Bemessung der Größe des Nutzens sind meistens die folgenden fünf Kriterien hilfreich[26]:
Person, die das Produkt nutzen soll
Zweck, für den das Produkt genutzt werden soll
Situation, in der das Produkt eingesetzt wird
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