„Bio ist Leben“
Bevor ich einen Teil meines Wissens über Kräuter einem breiteren Publikum zugänglich mache, möchte ich mich kurz vorstellen und erklären, warum ich den von mir eingeschlagenen Lebensweg gewählt und wie ich meine Kenntnisse erworben habe.
Ich wurde im Jahr 1963 als ältestes von acht Geschwistern geboren und wuchs in Kundl am Aniserhof auf. Meine Familie mütterlicherseits stammte aus dem Brixental. In diesem Familienzweig zeigten sich besonders Begabungen wie Kräuterkenntnisse und Kartenlegen. Aus diesen Wurzeln ist wohl mein Interesse für die Kräuter gewachsen.
Gemüseanbau war die Domäne meiner Mutter und sie hat mir in diesem Bereich sehr viel beigebracht. Geprägt und in das Wissen über Kräuter eingeführt wurde ich jedoch vor allem durch die vielen Besuche bei meiner Großmutter. Mein Drang zum einfachen Leben muss entstanden sein, während ich beobachtete, wie sie mit aus heutiger Sicht primitivsten Mitteln auskam und gesund blieb. Wasser musste zum Haus getragen werden, da es keinen Anschluss gab. Genutzt und verwertet wurde alles, was vor der Haustür wuchs. Meine Großmutter kannte nicht viele Kräuter, insgesamt vielleicht zehn, über die sie aber alles wusste. Sie trocknete die gesammelten Pflanzen auf geöffneten Pralinenschachteln und verwendete sie zur Behandlung von unterschiedlichsten Leiden. Z.B. trank sie häufig Kaspappeltee oder legte Kohlblätter auf schmerzende Knie. Sie war darüber entsetzt, dass ich Holunder und Lindenblüten nicht schätzte und anwendete. Nachdem ich einen Winter lang den herrlichen Lindenblütentee getrunken hatte, steigerte sich bereits spürbar mein Wohlbefinden.
Ich führte schon als Kind viele Gespräche mit meiner Großmutter, fragte immer wieder genau nach: „Wie war das früher?“ So entdeckte ich die Wurzeln des einfachen Lebens, und mein Ziel war schon sehr früh, „wie Oma zu werden“.
Ich lernte bald, dass das Bergbauerndasein nicht so einfach ist. Man kann nicht schnell in die Stadt fahren, um Notwendiges einzukaufen, insbesondere nicht im Winter. Man muss sich darauf einstellen, nur einmal pro Woche wegzufahren und die meiste Zeit auf Basis von Selbstversorgung zurechtzukommen. Man muss lernen, alles zu verwerten, was vorhanden ist, und das Leben darauf abzustimmen. Ich lernte so viel darüber, dass ich heute mein Leben im Notfall für einige Zeit allein mit Kartoffeln und Milch in unzähligen Variationen bestreiten könnte.
Holunder ist gut bei Grippe und in der Geschichte von Frau Holle das Tor zur anderen Welt.
Mit 18 lernte ich meinen späteren Mann Walter Messner kennen. Uns verband sehr bald die Beschäftigung mit gesunder Ernährung und Lebensweise. Für meinen Mann und mich war klar, dass wir unseren Weg gemeinsam gehen möchten, und so besuchten wir einige Vorträge und stellten früh unsere Ernährung um. Heute erscheint es fast unglaublich, dass mein Mann zu dieser Zeit belächelt wurde, weil er zum Frühstück Müsli statt Brot aß. Unsere Umgebung verstand einfach nicht, dass wir uns zu einem anderen, den meisten noch unbekannten Weg entschlossen hatten. Der Begriff „Bio“ war noch nicht in aller Munde und gesunde Lebensführung hatte sich noch nicht zu einem brandaktuellen Thema entwickelt. Auf Selbstversorgung legte meine Familie sehr viel Wert, und so wurde aus der Not, auf den eigenen Gemüseanbau angewiesen zu sein, mit der Zeit eine Tugend.
Damals war die biologische Welle gerade erst am Überschwappen. Der in diesem Bereich äußerst aktive und für mich persönlich sehr wichtige Ing. Josef Willi organisierte zahlreiche Vorträge und Seminare und ermöglichte uns damit einen sehr guten Einstieg. Frau Uta Lübcke organisierte Vorträge über Kompostwirtschaft und Kräuteranbau. Wir nahmen an Exkursionen mit Kind und Kegel teil. All das waren sehr imponierende Erlebnisse.
Holz: das Feuer im Essen und im Körper.
Meine Großmutter drängte mich dazu, in Absprache mit meinem Mann zunächst einen sehr kleinen Garten auf einem Hang anzulegen (er war nur etwa 1×1 Meter groß). Hier baute ich zuerst Soja, Anis und Koriander an. Dieser Versuch schlug fehl, aber ich gab nicht auf, vergrößerte meinen Anbauplatz auf Tischgröße und begann mit dem Anbau der ersten Pflanzen. Innerhalb von fünf Jahren wuchs die Fläche auf 400 m2 an, und ich bemühte mich um einen so naturnahen Anbau wie möglich. Es entstanden Terrassen, halbseitige Ruhezonen, begehbare Flächen, damit auch Besucher den Garten betreten konnten. Ich beschilderte meine mittlerweile 200 Pflanzen mit lateinischen Namen gemäß den Anweisungen der FNL („Freunde naturgemäßer Lebensweise“).
Ich stellte jedoch bald fest, dass die Leute, die zu Besuch kamen, trotz seiner Schaugartenqualität zu wenig Zeit im Garten verbrachten. Der Aufwand für seine Erhaltung erschien mir nicht gerechtfertigt, und so entschloss ich mich zu einer Änderung der Vorgehensweise. Ich wollte mit den Leuten darüber reden, was die Pflanzen bewirken, sie an das Thema heranführen. Also ließ ich die Schilder weg, damit die Leute nachfragen müssen, und machte aus meinem Schaugarten einen Lehrschaugarten. Das war ungefähr im zehnten Jahr seines Bestehens.
Ab dem achten Jahr verkaufte ich unsere Produkte auf dem Bauernmarkt. Meine Tees und der Schafkäse wurden von den Leuten gut angenommen. Ich war bald unzufrieden mit den Erwartungen, die man an eine Bäuerin stellte: Sie sollte am besten nicht reden. Ich zog es also vor, lieber Einzelveranstaltungen mit eingehender Beratung ab Hof zu organisieren. Die Leute fahren gerne zu uns und hören sich alles in Ruhe und aufmerksam an.
Ich wollte von Anfang an unsere Lebensweise auf ein sicheres Fundament stellen, und so legte ich großen Wert auf Aus- und Weiterbildung, ganz egal, welche Widerstände von außen auf mich einwirkten. In der Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin lernte ich die landwirtschaftlichen Grundlagen kennen; ich besuchte etliche Informationsabende, Vorträge, Seminare, um mein Wissen auf dem Gebiet der Kräutergesundheit zu verbessern. Außerdem absolvierte ich unter anderem die Ausbildungen zur Seminarbäuerin, zur Natur- und Landschaftsführerin, zur Kräuterfachberaterin und zur Permakulturdesignerin.
Der Neuschwendthof auf der Sonnenseite in Brandenberg.
Heute bin ich wohnhaft in Brandenberg, Tirol, wo ich mit meinem Mann einen kleinen Bergbauernhof – den Neuschwendthof – bewirtschafte. Das Brot auf einem kleinen Bergbauernhof war immer schwer verdient und wird es auch in Zukunft bleiben, da gerade die heutige Zeit einen gewaltigen Druck auf die Landwirtschaft ausübt. Es wird die Massenproduktion und nicht der Idealismus für die Umwelt und für das Leben unterstützt. Aber die tägliche Herausforderung und die Freude haben uns immer geholfen, ein Ziel oder einen Lichtblick vor Augen zu haben. Darum haben wir auch nie den Kopf hängen lassen. Gerade die Kräuter haben durch ihre Kraft einiges zu dieser Freude beigetragen. Denn Gesundheit ist alles, und ohne Gesundheit ist alles nichts. Auch unsere Kinder haben unseren Lebensweg kennen gelernt und können mit einfachen Mitteln ihr persönliches Glück selbst in die Hand nehmen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was gut für ihn ist. Ich bevorzuge z.B. – anders als mein Mann – fleischlose Kost. Als Kompromiss haben wir beschlossen, dass nur unser eigenes Lamm zur Fleisch- und Wursterzeugung verwendet wird. Entscheidend ist die Frische, dass alles vor dem Haus ist und man ein gutes Gewissen haben kann, ebenso wie die Überlegung, wovon wir im Fall einer Krise leben sollen. Vollwertige Ernährung mit dem, was vor Ort wächst, ist möglich. Es ist alles vorhanden: durch die eigene Getreidemühle selbst gemachtes Brot, eine breite Palette an Milchprodukten (wobei ich Sauermilch statt Milch empfehlen würde, weil Sauermilch für Erwachsene leichter verdaulich ist), Früchte, Gemüse ... Ich persönlich bin gegen den Firlefanz, sofort in den Supermarkt fahren zu müssen, weil es etwas Bestimmtes, auf das man gerade Lust hat, nur dort gibt.
Edelweiß, das Symbol Tirols.
Mehr denn je ist der Mensch auf der Suche nach einem glückselig machenden Lebensweg. Meine Empfehlung ist, dass dieser suchende Mensch einfach vor die Haustür gehen sollte. Jeden Tag sind hier, vor Ort, prägende Erfahrungen machbar. Man muss nur die Augen öffnen, das Buch der Natur aufmachen und lesen. Meine Philosophie ist, dass ich, sobald ich vor die Haustür gehe, weiß, was mir fehlt. Ich kann das nützen, was genau hier wächst. Mein Appell ist, dass wir alle wieder dem, was um uns herum passiert, mehr Aufmerksamkeit schenken. Dass wir uns nicht ständig von Büchern oder anderen Medien zu irgendwelchen Modetorheiten verleiten lassen. Durch die Rückbesinnung auf unsere Vorfahren und ihr Tun findet man schon das, was richtig ist. Je verwurzelter man in einer Tradition ist, desto besser ist das, was man aus ihr...