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E-Book

Imagination als heilsame Kraft (Imagination als heilsame Kraft. Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren)

Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen

AutorLuise Reddemann
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783608100525
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Das weit über 100.000 mal verkaufte Grundlagenwerk zur Psychotraumatologie erscheint nach 18 Auflagen erstmals vollständig überarbeitet. Insbesondere werden die Kapitel zur Körperarbeit, zur Gestaltungstherapie sowie zur Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen neu verfasst. Wenn wir Patienten dabei unterstützen, auf die Stimme ihrer inneren Weisheit zu hören, unterstützen wir ihre Selbstheilungskräfte und das freie Fließen dieser oft verschütteten Ressourcen. Als Ergänzung zu diesem Buch ist außerdem eine Hör-CD von Luise Reddemann lieferbar. Luise Reddemann gehört zu den maßgeblichen »PionierInnen« der Traumatherapie. Vieles von dem, was heute therapeutischer Konsens ist, entwickelte sie ab 1985 als Klinikleiterin mit ihrem Team. Viele Betroffene verfügen ansatzweise über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu unterstützen und zu entfalten gilt. Aus dieser Erfahrung heraus entstanden zahlreiche, an die Bedürfnisse von Trauma-PatientInnen angepasste Imaginationsübungen. Ebenso wurde auch das dreistufige Vorgehen mit Stabilisierung, Traumakonfrontation und Integration, das heute aus der Traumatherapie nicht mehr wegzudenken ist, hier ursprünglich beschrieben. - Basisbuch zur psychotraumatologischen Behandlung nach Luise Reddemann (PITT) - Die Aktualisierung des Bestsellers trägt Veränderungen in der Praxis Rechnung Heute wissen wir, dass vielen seelischen und psychosomatischen Erkrankungen wie Sucht, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen u. v. m. sehr häufig traumatische Erfahrungen als Ursache oder Mitursache zugrunde liegen. Viele der Betroffenen verfügen - so die Beobachtung der Autorinnen - ansatzweise über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu entfalten und zu unterstützen gilt. Aus dieser Erfahrung heraus hat Luise Reddemann zahlreiche Imaginationsübungen entwickelt und gesammelt, die Patientinnen helfen, stabiler zu werden und zu lernen, sich selbst zu trösten: »Achtsamkeit üben«, »Ein Gegengewicht zu den Schreckensbildern finden«, »Der innere sichere Ort« und viele andere. Erst wenn auf diese Weise innere Stabilität gewonnen wurde, folgt die Phase der Konfrontation mit dem Trauma (»Dem Schrecken begegnen«) und der Abschluss (»Die eigene Geschichte annehmen und integrieren«). Ergänzt wird die Imaginationstherapie durch maltherapeutische Elemente (Susanne Lücke) und durch die Körperübungen des »Qi Gong« (Veronika Engl). Verschüttete Erfahrungen, seien es Körpererfahrungen oder innere Bilder, können so wieder freigelegt werden und den Heilungsprozess fördern. Dieses Buch richtet sich an - TraumatherapeutInnen - PsychotherapeutInnen aller Schulen - ÄrztInnen - Laien und Betroffene

Prof. Dr. med. Luise Reddemann ist Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Seit gut 50 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Trauma und Traumafolgestörungen. Von 1985 bis 2003 war sie Leiterin der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und entwickelte  dort ein Konzept zur Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen, die »Psychodynamisch imaginative Traumatherapie« (PITT). Luise Reddemann führt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Im Rahmen ihrer Honorarprofessur an der Universität Klagenfurt für medizinische Psychologie und Psychotraumatologie widmet sie sich den Arbeitsschwerpunkten Resilienz sowie Folgen von kollektiven Traumatisierungen.  Luise Reddemann war Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Deutschen Akademie für Psychotraumatologie, im Wissenschaftlichen Beirat der Lindauer Psychotherapiewochen und in der wissenschaftlichen Leitung der Psychotherapietage NRW.  Luise Reddemanns Bücher und CDs im Verlag Klett-Cotta haben auch bei Betroffenen weite Verbreitung gefunden und vielen Menschen geholfen, mit einer traumatischen Erfahrung besser fertig zu werden.  Weitere Informationen zu Luise Reddemann finden Sie unter: www.luise-reddemann.de

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Leseprobe

1. Innere Stabilität finden


To make a prairie it takes a clover and

A bee –

One clover, and a bee,

And reverie.

The reverie alone will do.

If bees are few.

Emily Dickinson, Collected Poems

In diesem Teil geht es um die Frage, wie man Patientinnen dabei unterstützen kann, sich selbstheilender Möglichkeiten bewusst zu werden und wie sie diese nutzen können.

Bei manchen Patientinnen gibt es vieles in kurzer Zeit zu entdecken, was diese Patientinnen dann auch rasch nutzen können, andere brauchen Monate und sogar Jahre. Sich stabil zu fühlen und sich dem Leben besser gewachsen zu fühlen, ist ein Anliegen aller Patientinnen, mit denen ich gearbeitet habe.

Komplex traumatisierte Menschen, die in der Kindheit unzählige Male von ihren wichtigsten Bezugspersonen sexuell ausgebeutet, misshandelt und vernachlässigt wurden, benötigen nach Erfahrung der meisten KlinikerInnen Hilfe dabei, Stabilität zu erlangen, um gegebenenfalls für Konfrontation überhaupt bereit zu sein. Das bedeutet: Die Feststellung »komplex traumatisiert« sollte differenziert betrachtet werden, und in jedem Fall muss immer wieder die einzelne Patientin/der einzelne Patient betrachtet werden, um zu entscheiden, was diesem Menschen hilft.

Es sei nochmals auf das Patientenrechtegesetz, wonach Patientinnen das Recht zugebilligt wird, mitzubestimmen, hingewiesen. Nach meiner Erfahrung wissen Patientinnen meist genau, was ihnen weiterhilft und was nicht. Ich halte es nicht für vertretbar, dass Patientinnen gesagt wird, dass es nur »die eine Therapie« gäbe, die ihnen hilft. Dazu ist bis heute die Studienlage in Bezug auf schwer traumatisierte, vor allem Bindungs-traumatisierte, Patientinnen viel zu mager, als dass eine solche Aussage zu rechtfertigen wäre. Therapeutinnen sollten immer wieder gemeinsam mit den Patientinnen klären, was diesen hilft, in der Gegenwart besser zu leben. Für nicht wenige bedeutet das, dass wir schauen, was von dem Handwerkszeug, das sie bereits haben, hilfreich und nützlich ist, was eher unbrauchbar ist und was sie darüber hinaus noch benötigen zu einem »guten Leben«. Im Übrigen enthält die Arbeit mit »verletzten Teilen« und »verletzenden Teilen«, wie ich sie weiter unten vorschlage, durchaus konfrontierende Anteile.

Stabilisierung im hier gemeinten Sinn bedeutet also:

  1. Übendes Vorgehen für mehr Ich-Stärkung oder Symptombewältigung

  2. Behutsames Arbeiten mit inneren Anteilen im Sinne von »Minikonfrontationen«, also bereits Arbeit an den Ursachen der Probleme der Patientinnen. Aber immer in dem Sinn, dass die Patientin die Gewissheit behält, sich selbst steuern und beruhigen zu können.

Vieles aus der Stabilisierungsphase bleibt für die ganze Therapie wichtig und kann während der anderen Phasen weiter Verwendung finden. So sind z. B. die »Inneren hilfreichen Wesen« in jeder Phase wichtige Begleiter und Ratgeber, Übungen zu Mitgefühl mit sich selbst sind ebenfalls jederzeit nützlich.

Ein weiteres wichtiges Prinzip will ich an dieser Stelle hervorheben: Wir regen grundsätzlich an, für eine Balance zwischen Schreckens- und heilsamen Vorstellungen und Bildern zu sorgen. Damit nehmen wir etwas auf, das Traumatisierte ohnehin häufig von sich aus versuchen. Sie bemühen sich, eine ganz und gar gute Welt zu erschaffen, allerdings in der Regel im Außen. Was naturgemäß auf längere Sicht scheitern muss. Dieser Vorgang, der auch als Spaltung bezeichnet wird, ist versteh- und nachvollziehbar. Unser Vorschlag ist, im eigenen Innern, auf der »inneren Bühne«, diese ganz und gar gute Welt zu erschaffen, um dort den Rückhalt, die Stärke und den Trost zu finden, die im Äußeren niemals in der gewünschten Vollkommenheit anzutreffen sind. In der Schule von Milton Erickson (1981) wird dieses Vorgehen Utilisieren genannt.

Ich möchte betonen, dass es sich hier nicht um unverrückbare Wahrheiten handelt, sondern um nützliche Konzepte, die sich in der Praxis bewährt und inzwischen auch in empirischen Untersuchungen von Lampe et al. (2008, 2015) sowie Gärtner et al. (2015) überprüft worden sind.

1.1 Die therapeutische Beziehung


Die meisten Therapieschulen erkennen an, dass die therapeutische Beziehung die wesentliche Grundlage einer Therapie darstellt. In unserer Arbeit ist es uns ein besonderes Anliegen, jegliche Art von therapeutisch induziertem Stress zu meiden. Dazu empfehle ich zum einen zu berücksichtigen, was man heute über traumatischen Stress weiß, insbesondere, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das die Patientin zumindest am Anfang der Therapie kaum beeinflussen kann. Zum Beispiel erzählte mir eine Patientin ziemlich erregt, sie habe von der Stationsärztin eine Nachricht erhalten, dass diese sie um eine bestimmte Zeit »erwarte«. Eine nicht traumatisierte Patientin würde vielleicht sagen – oder denken –, »das ist aber ein komischer Ton«, ohne sich sonderlich zu erregen. Für die durch extreme Gewalt traumatisierte Patientin aber bedeutet das: »Das ist ein Befehl, Befehle sind der Beginn einer Katastrophe, gleich werde ich ohnmächtig und hilflos sein …« Die Erregung ist auch Ausdruck der typischen Stressphysiologie der Patientin. Ist die Stressreaktion erst einmal angestoßen, bedarf es einiger Bemühungen, damit sich die Patientin wieder beruhigen kann. Insbesondere ist es wichtig, dass sie erfährt, dass ihre Gefühle anerkannt und verstanden werden und dass sie die Kontrolle behält. Als Zweites empfehle ich, die Patientin zur »Supervisorin« des therapeutischen Geschehens zu machen und sie zu bitten zu sagen, wenn sie unser Verhalten als Stress induzierend erlebt: »Bitte sagen Sie mir, wenn Sie den Eindruck haben, dass ich Ihnen durch mein Verhalten Stress mache, denn ich weiß nicht und kann nicht wissen, was Sie als besonders belastend erleben. Gehen Sie bitte davon aus, dass es mir ein Anliegen ist, hier mit Ihnen eine Atmosphäre zu schaffen, in der Sie sich sicher und wohl fühlen.« Interventionen, die bei neurotischen Patienten eine – therapeutisch sinnvolle – Signalangst erzeugen, rufen bei Traumatisierten häufig traumatische Angst hervor, und dies ist nicht sinnvoll.

Eine zu Beginn jeder Therapie und bei jeder Veränderung besonders stressreduzierende Intervention ist Aufklärung und Information.

Das, was Menschen, die ein Trauma nicht verarbeiten konnten, am meisten gefehlt hat, war die Fähigkeit, sich zu beruhigen bzw. eine beruhigende Umgebung. Daher halten wir es für wichtig, beruhigend zu wirken und Selbstberuhigung anzuregen. Eine mild positive, nicht idealisierende Übertragung halte ich aus diesem Grund für erstrebenswert und empfehle, dass die Therapeutin sich hierfür einsetzt. Deutungen sollten stets so gegeben werden, dass sich die Patientin eingeladen fühlt, etwas über sich herauszufinden. Ein Patient, der sich durch eine Deutung wie ertappt oder entmutigt fühlt – weil er schon wieder einmal das Gefühl hat, etwas falsch gemacht zu haben – oder der empfindet, der Therapeut wisse mehr über ihn als er über sich, wird auch dies mit Stresssymptomen beantworten. Man müsse vieles von dem vergessen, was man gelernt habe, sagte der niederländische Traumatherapeut Johann Lansen, selbst Analytiker. Wichtig sei, natürlich und mitfühlend zu sein (s. Reddemann 2016).

Häufig wird unsere Empfehlung, eine Regression in der therapeutischen Beziehung nicht zu fördern, dahingehend missverstanden, dass wir uns nicht auf die therapeutische Beziehung einlassen würden. Das Gegenteil ist der Fall! Aber wir meinen nicht, dass der Patient alles, aber auch alles in der therapeutischen Beziehung reinszenieren solle, sondern dass er mit uns neue, gesündere Beziehungserfahrungen machen könne. Ich habe bis jetzt nicht finden können, dass es meinen Patientinnen dient, lange nur in leidvollen Gefühlen zu verharren oder deren Auftauchen ständig zu fördern. Ich ziehe es vor, anzuerkennen was ist, aber immer auch die Selbstregulation, die in Richtung Heilung geht, durch Mitgefühl, Geduld, Freundlichkeit und Akzeptanz zu fördern.

Dazu hat sich das Konzept: zwei Erwachsene von heute kümmern sich um die verletzten jüngeren Ichs, wobei die erwachsene Person von heute so viel wie möglich Verantwortung für ihre jüngeren Ichs übernimmt, sehr bewährt. Das mitfühlende Vorbild der Therapeutin soll die Patientin einladen, immer freundlicher und...

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