2 Führungsforschung
2.1 Gegenstand der Führungsforschung
Die Beschäftigung mit den Themen von Führung und Leadership findet sich bereits in den Schriften und Lehren der vedischen Religion (ab ca. 1500 v. Chr.), Platons (ca. 428–348 v. Chr.), Sun Tzus (522–496 v. Chr.) oder Machiavellis (1469–1527 n. Chr.).
Dieses Buch beschäftigt sich jedoch mit der Führungsforschung, die erst Mitte des 18. Jahrhunderts durch die industrielle Revolution in England ihren Ausgang nahm. Sie kann als die Geburtsstunde des industriellen Managements, der wissenschaftlichen Betriebsführung und die der wissenschaftlichen Führungsforschung angesehen werden (vgl. Frohnert 2015).
Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Führungsforschung ist die zielorientierte Einflussnahme auf das Verhalten der Mitarbeiter, mit dem Ziel, dass diese die ihnen zugedachten Aufgaben in der Organisation optimal erfüllen. Die Führungsforschung sucht nach theoretisch und/oder empirisch fundierten, allgemeingültigen Erkenntnissen, aus denen Empfehlungen für erfolgreiches Führen abgeleitet werden können. Eine geschlossene Führungstheorie existiert nicht (Frohnert 2015). Es ist auch kein Trend in der Führungsforschung erkennbar, an einer solchen »Grand Unified Theory« der Führung zu arbeiten.
Die Führungsforschung befasst sich mit Führungskräften als den Trägern von Organisations- und Führungsaufgaben. Als ein interdisziplinäres Forschungsfeld erforscht sie deren Aufgaben, die ihnen zugrunde liegenden Strukturen und Prozesse und fragt nach Effektivitäts- und Effizienzkriterien der Führung. Sie ist für die Führungspraxis von großer Bedeutung, um Antworten auf die Fragen zu erhalten, wann und wie, d. h. mit welchem Führungsstil im jeweiligen Kontext erfolgreich zu führen ist. Ein wichtiges Ergebnis der Führungsforschung ist, dass Führungshandeln direkt oder indirekt einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat und gute Führung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellt (Isaksen et al. 2006). Dabei kann der Erfolg über den Grad der Ziel-, Ergebnis- bzw. Lösungserreichung definiert werden. Bei der Erforschung von Führung geht es darum:
• das Mitarbeiterverhalten durch Führungskräfte ziel- und lösungsorientiert zu beeinflussen, um die zugedachte Aufgabe zu erfüllen,
• theoretische und empirisch fundierte, allgemeine Erkenntnisse über eine erfolgreiche Führung zu erhalten,
• Empfehlungen für erfolgreiches Führen geben zu können,
• das Phänomen Führung und seine Einflussfaktoren zu erklären,
• Vorgesetztenverhalten in bestimmte Muster, den sogenannten Führungsstilen, zu typologisieren.
Als den Ausgangspunkt der Führungsforschung kann die Entwicklung der wissenschaftlichen Betriebsführung angesehen werden.
2.2 Wissenschaftliche Betriebsführung – Scientific Management
Als einer der ersten Managementforscher überhaupt entwickelte Frederic Winslow Taylor ein Managementkonzept, das er Scientific Management (dt.: Wissenschaftliche Betriebsführung) nannte. Er legte es im Jahre 1911 in seinem gleichnamigen Hauptwerk dar (Taylor 2006).
Taylor war davon überzeugt, dass Management, Arbeit und Unternehmen mit einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise optimiert werden könnten. Dadurch ließen sich auch soziale Probleme lösen und Wohlstand für alle erreichen. Kern seiner Idee war, dass es eine einzige erfolgsversprechende Methode gibt, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Dabei müssten die Menschen die Arbeit weitestgehend standardisiert, sehr gut geschult sowie eng überwacht und kontrolliert verrichten. Zur wissenschaftlichen Betriebsführung gehört ebenfalls ein Belohnungs- bzw. Bestrafungssystem. Wesentliche Komponenten des Konzeptes sind:
• die Analyse bestehender Arbeitsprozesse durch Zeitstudien mit der Stoppuhr, zur Ermittlung von Soll- bzw. Vorgabezeiten,
• detaillierte Vorgaben des täglichen Arbeitspensums auf Basis der Soll- bzw. Vorgabezeiten,
• Standardisierungen der Arbeitsprozesse durch Zerlegung in einzelne Prozessschritte und Handlungselemente sowie die Trennung von ausführender und planender Arbeit,
• falls notwendig die Restrukturierung der Prozessschritte unter dem Gesichtspunkt der Optimierung des Prozessablaufs zur Erhöhung der Produktivität,
• ein Differential-Lohnsystem, bei dem der Stundenverdienst bis zur Normalleistung gering ansteigt. Sobald die Normalleistung erreicht bzw. überschritten wird, steigt der Stundenlohn stärker an. Dadurch erhält die Stundenlohnkurve beim Normalleistungsgrad einen Sprung. Durch die Differenzierung der Stundenlöhne sollte erreicht werden, dass die Arbeiter mindestens die Normalleistung erbringen und Anreize erhalten, Mehrleistungen zu erreichen. Unberücksichtigt blieb dabei die Gefahr der Qualitätsverschlechterung (Papadakis 2014),
• ein so genanntes Funktionsmeistersystem, welches anstelle eines Universalmeisters mehrere spezialisierte Funktionsmeister vorsieht, die den Arbeitern jeweils in ihrem Spezialgebiet Weisungen erteilen. Das idealtypische Konzept des Mehrliniensystems ist darauf zurückzuführen (Springer Gabler Verlag 2014).
Die Arbeiter bekamen in Folge dessen eine »genormte« Umgebung mit standardisierten Prozessen, Arbeitsbedingungen und Werkzeugen. Das führte zu Rationalisierungen in den Unternehmen und Produktivitätszunahmen. Gleichzeitig wurden die Arbeiter entmündigt, indem ihnen ihre Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung mehr und mehr abgesprochen wurde. Sie waren nur noch für die Ausführung der Arbeit zuständig, nicht mehr für deren Planung und Vorbereitung und das Lösen von Problemen.
Der Begriff Taylorismus wird häufig, jedoch im kritischen Kontext, synonym zum Begriff des Scientific Management verwendet. Dabei ist nicht das originäre Konzept des Scientific Managements gemeint, sondern vielmehr seine Umsetzung und Wirkung (Ebbinghaus 1984).
Das Konzept wurde zunächst, wegen den damit verbundenen Entgelterhöhungen, von den Arbeitern positiv aufgenommen. Widerstand regte sich stattdessen im Management. Es fürchtete um ihre Entmachtung. Die Kritik nahm gegen die angewandten Methoden aus folgenden Gründen weiter zu:
• Die Ergebnisse der Zeitstudien seien von Einflussgrößen abhängig, welche nicht hinreichend kontrolliert würden.
• Das System entmachte den Arbeiter und mache ihn in bedenklichem Umfang disponibel.
• Die Methoden zur Ermüdungsmessung seien zu grob und oberflächlich.
• Das System vereinzle den Arbeiter, zerstöre die Solidarität und sei damit demokratiefeindlich.
• Der Arbeiter würde zu monotoner Routine verurteilt. Denken, Initiative, Arbeitsbefriedigung und -freude würden ihm verweigert, er würde intellektuell unterdrückt oder gar geschädigt und Individualität sowie erfinderischer Geist würden zerstört. Die Unfallgefahr erhöhe sich, die Gesundheit würde unterminiert und die Zeitspanne der Erwerbsfähigkeit vermindert (Ebbinghaus 1984).
Das ursprüngliche Scientific-Management-Konzept bezieht sich hauptsächlich auf handwerklich orientierte Massenproduktionsstrukturen. Im Gegensatz zur später beginnenden Industrialisierung mit automatischer Fertigung und ihren Strukturen, deren Arbeitstakt durch Maschinen bestimmt wird (Schulte-Zurhausen 2010).
Im Zuge der Entwicklung hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft hat das Konzept an Bedeutung abgenommen. Als Grundprinzip bleibt es dennoch nach wie vor von Bedeutung. Denn trotz der Kritik wurde in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen von Wissenschaftlern und Ingenieuren für das Scientific Management geworben. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation erhoffte man sich von dem Konzept eine Effizienzsteigerung. Die REFA-Methodenlehre ist das Resultat der deutschen Weiterentwicklung des Scientific-Management-Konzeptes. Die kritischen Aspekte der Mitbestimmung und der Zeitstudien wurden darin beseitigt. Die REFA-Methode dient noch heute der Zielerreichung des REFA-Verbandes und konzentriert sich auf Methoden zur Optimierung der Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung. Der REFA-Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung wurde 1924 gegründet zum Zweck der Steigerung der Wirtschaftlichkeit...