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Nationalsozialismus im Unterricht der Sekundarstufe I

AutorDieter Nelles
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl37 Seiten
ISBN9783956848315
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden Überlegungen über Erfahrungen aus einer Unterrichtsreihe - Gewalt im 20. Jahrhundert am Beispiel des Ersten und Zweiten Weltkrieges, die in einer 9. Klasse einer Gesamtschule durchgeführt wurde. Die Frage, wie auf dem Hintergrund der veränderten Erinnerung an den Nationalsozialismus mit dem demographischen Wandel (Generationenfolge und Einwanderung) im historisch-politischen Unterricht in der Schule über Nationalsozialismus umzugehen ist, bildet das Thema dieser Arbeit. Im vorliegenden Werk wird die Fragestellung auf drei Ebenen thematisiert: 1. Aus welcher bildungstheoretischen Perspektive soll der Nationalsozialismus vermittelt werden? Was bedeutet dies für die methodisch-didaktische Umsetzung im Unterricht? 2. Wie soll der Nationalsozialismus pädagogisch bearbeitet werden? Was sollen die Schüler aus der Geschichte lernen? Was sind die moralischen Lernziele? 3. Welche fachlichen Anforderungen verlangt dies von den Lehrenden?

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.1.3, Nationalsozialismus im Unterricht: Eine Frankfurter Forschergruppe hat den Geschichtsunterricht über das Thema Nationalsozialismus und Holocaust in zwei Klassen der gymnasialen Oberstufe erstmals empirisch untersucht (vgl. Hollstein u.a. 2002; Meseth u.a. 2004b). Der Forschergruppe ging es dabei nicht um die Qualität einzelner Unterrichtsstunden, sondern um die Frage, nach der spezifischen Leistungsfähigkeit des Unterrichts für die Behandlung eines Themas, das den besonderen Anspruch hat neben dem Lernen historischer Faktoren auch moralische Haltungen zu vermitteln. Aus systemtheoretischer Perspektive betrachten die Autoren Unterricht als eine Form 'pädagogischer Kommunikation', in dem eine besondere Interaktionsdynamik entsteht, die durch Anwesenheitspflicht, Leistungsbewertung und Selektion sowie durch ein asymmetrisches Rollenverhältnis zwischen Lehrern und Schülern erzeugt wird. Die Autoren formulieren die Hypothese, dass Lehrer und Schüler gleichermaßen Interesse daran haben, die Form Unterricht aufrechtzuerhalten. Nur in einer der von ihnen analysierten Stunden sei die übliche Grundform unterrichtlicher Kommunikation aufgehoben worden, d.h. Lehrer und Schüler diskutierten ein offenes Problem. Die Schüler reagierten bezogen auf das Thema Nationalsozialismus in reflexiver Weise, d.h. ihr Wissen um die hohe moralische Bedeutsamkeit des Themas schränke sie ein, sich zu den Inhalten als auch zu den Erziehungsabsichten ablehnend zu verhalten. Das reflexive Wissen über die Form Unterricht und die Besonderheit des Themas ermögliche es den Beteiligten in der Regel, 'die Unterrichtskommunikation der Form nach aufrechtzuerhalten'. Widerständigkeit der Schüler, die sich als 'Überdruss am Thema' oder 'provokativen Umgang mit Inhalten' zeige, werde in 'den Bereich der inoffiziellen Kommunikation' abgedrängt 'die neben und nach dem Unterricht' ablaufe (Meseth u.a. 2004b: 138). Die thematische Reflexivität der Schüler resultiere nicht aus detailliertem Faktenwissen oder moralisch gefestigten Haltungen zum Thema Nationalsozialismus und Holocaust sondern aus einer Sensibilität für die gesellschaftliche Bedeutung des Themas, das auf einem durch 'mitlaufende Sozialisation' erzeugten 'impliziten Metawissen' beruhe und nicht auf durch Unterricht und Erziehung vermittelten 'expliziten Wissen' (ebd.: 139). Die Unterrichtsbeobachtung zeige, so die Autoren, dass die Beteiligten zwischen einer 'Hauptbühne', auf die die 'gesellschaftlich zulässigen Formen der Thematisierung' und einer 'Nebenbühne', zu der 'die Zwischenrufe und Metakommunikationen' gehören, unterscheiden. Auf dieser Basis formulieren sie die Hypothese, dass der Unterricht über den Nationalsozialismus und Holocaust nur stattfinden kann, wenn 'der institutionalisierte Konsens über den Gegenstand bereits vorgängig von allen Beteiligten weitestgehend beachtet' wird. Dies bedeutet, dass eine moralische Verurteilung des Nationalsozialismus, die als zentrales Lernziel formuliert wird, für ein Gelingen des Unterrichts bei den Schülern bereits vorhanden sein muss. Die Kommunikation im Unterricht ermögliche es den Schülern, Informationen über und Bewertungen des NS-Staates kennen zu lernen. Dies erhöhe 'die Optionen für Dispositionsänderungen'. Ob aber Erziehung im eigentlichen Sinne des Wortes stattgefunden hat, d.h. ob die Schüler Bewertungen übernommen und potentiell auf ihr Verhalten anwenden, oder ob sie mit dem erworbenen Wissen 'nur situativ, taktisch und opportunistisch umgehen', könne 'die pädagogische Kommunikation nicht kontrollieren' (ebd.: 141). Die Grenzen des moralischen erziehenden Unterrichts sind nach Meinung der Autoren eng gezogen. Sie plädieren dafür, 'überhöhte Erziehungsansprüche' zurückzunehmen. Erziehender Unterricht zum Holocaust könne kein Ersatz für Geschichtspolitik sein, sondern nur Resonanzkörper für das, was in Gesellschaft und Politik geschehe. Es wäre schon viel erreicht, 'wenn Schule und Unterricht reflexiv Anschluss an das Niveau der öffentlichen intellektuellen und wissenschaftlichen Diskussion hielten und es den Schülern ermöglichten, an diesen Debatten kompetent teilzunehmen' (ebd.: 143). Im Hinblick auf das Thema Nationalsozialismus und Holocaust besäßen Schüler und Lehrer ein erhebliches Maß an 'awareness'. Dies ermögliche seitens der Erwachsenen mehr Gelassenheit gegenüber Wissensdefiziten, ironischen Kommentaren und Provokationen. Deshalb sei es weniger wichtig, bei den Einstellungen und Kompetenzen der Schüler anzusetzen als vielmehr dafür zu sorgen, dass der 'Unterricht in seiner Programmatik wie in seiner Konzeption' Schritt halte 'mit den öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über Nationalsozialismus und Holocaust' (ebd.). Zu ändern seien jedoch nicht die grundlegenden Paradoxien erziehenden Unterrichts. 3. 2, Schulischer Unterricht und Nationalsozialismus: 3.2.1, Perspektiven zum Unterricht über Nationalsozialismus: Anlässlich des 10. Nationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2006 bemerkte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), die schleswig-holsteinische Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave: 'Die zahlreichen Projekte, die am 27. Januar in den Schulen durchgeführt werden, stellen keine punktuellen Initiativen dar, sondern sind in einen Unterricht eingebettet, der der Behandlung des Nationalsozialismus und Holocaust breiten Raum schenkt.'. Da die 'heterogene und sich häufig aus verschiedenen Kulturkreisen zusammensetzende Schülerschaft ganz unterschiedliche Voraussetzungen für das Thema mitbringe', werde 'vielfach auch nach neuen Wegen in der Vermittlung dieses schwierigen Themas gesucht' (KMK-Pressemitteilung, 26.01. 2006). Die Pressemitteilung Erdsiek-Raves dokumentiert, dass der Unterricht über den Nationalsozialismus und den Holocaust fester Bestandteil des Geschichts- und Politikunterrichts in den Schuler aller Bundesländer geworden ist. Sie zeigt ebenfalls, dass die von von Borries geforderte Debatte über die Frage, 'welche Geschichte, welchen Lernenden beizubringen ist', nun auch von der KMK aufgegriffen worden ist. Bei dieser 'pädagogische[n] und politische[n] Entscheidungsfrage', so von Borries, beständen 'beachtliche Spielräume' und weder die Geschichtsdidaktik noch die verantwortlichen Kultusminister besäßen darauf ein Monopol (v. Borries 2001: 75). Er hat vorgeschlagen, vier unterschiedliche Konzepte für das 'Geschichtslernen in der Einwanderungsgesellschaft'zu diskutieren (vgl. ebd.: 75-83).
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