Um ein tieferes Verständnis davon zu bekommen, welchen Bedingungen das B2B Marketing heutzutage ausgesetzt ist, werden diese im Folgenden kurz beleuchtet. Zunächst erfolgt eine Betrachtung der Besonderheiten des B2B Marketings im Vergleich zum B2C Bereich. Daraufhin werden Veränderungen im Einkaufsprozess thematisiert und welche Konsequenzen sich daraus für die Rollenverteilung zwischen Marketing und Vertrieb ergeben.
Um einen Überblick der Anforderungen an das heutige B2B Marketing zu erhalten, sollen zunächst die Charakteristika des Kaufverhaltens von B2B Entscheidern und die daraus resultierenden Folgen für das B2B Marketing herausgestellt werden. Eine Kaufentscheidung im B2B Bereich wird nicht von einer einzelnen Person gefällt, sondern vom sogenannten Buying Center. Es handelt sich dabei um ein Einkaufsgremium, das aus mehreren Personen des Unternehmens besteht. Die typischen Rollen darin umfassen einen Verwender, Einkäufer, Beeinflusser, Gatekeeper und Entscheider des gleichen Unternehmens. Eine Person kann dabei mehrere Rollen gleichzeitig annehmen oder umgekehrt kann eine Rolle durch mehrere Personen vertreten werden.[15] In Tabelle 2 sind die Rollen des Buying Centers mit einer kurzen Beschreibung zur Charakterisierung und Motivation der jeweiligen Person aufgeführt.
Tabelle 2: Die Zusammensetzung des Buying Centers (Eigene Darstellung in Anlehnung an Webster & Wind 1972, S. 17f. und Stevens 2012, S. 22)
Die Marketing Kommunikation muss dementsprechend auf die unterschiedlichen Personen und deren Funktionen im Buying Center abzielen. Bei unterschiedlichen Akteuren sollte Gebrauch von unterschiedlichen Botschaften und möglicherweise sogar unterschiedlichen Kanälen gemacht werden. [16]
Weiterhin ist zu beobachten, dass die Anzahl der beteiligten Entscheider im B2B Bereich steigt. Die Folge ist eine erhöhte Komplexität im Kaufprozess.[17] Darüber hinaus sind die Investitionen im B2B Bereich kostenintensiver als im B2C Geschäft und daher mit hohem Risiko verbunden. Aus diesem Grund spielt der Faktor Vertrauen eine zentrale Rolle und nimmt einen höheren Stellenwert ein als beim Einkaufsprozess im B2C Geschäft. Die Beziehungen der Kunden zu den Verkäufern sind typischerweise von längerer Dauer und durch einen intensiveren und direkten Kontakt gekennzeichnet.[18]
Aufgrund der höheren Komplexität und Kostenintensivität der Produkte sind die Kunden mehr darauf bedacht, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, bevor sie eine Entscheidung treffen. Im Gegensatz dazu resultieren Kaufentscheidungen im B2C Bereich oftmals aus einer Emotion heraus. Für das Marketing nimmt demnach die Kommunikation von Informationen einen wichtigen Stellenwert ein, um das Unternehmen als professionellen Partner mit hoher Expertise in der entsprechenden Branche darzustellen.[19]
Im Folgenden wird beleuchtet, wie sich das Einkaufsverhalten von B2B Entscheidern durch verschiedene Faktoren in den letzten Jahren geändert hat und welche Auswirkungen daraus für das B2B Marketing entstehen. Dabei steht die Digitalisierung als Ausgangspunkt der Entwicklungen zunächst im Fokus. Ebenso werden ausgewählte Aspekte zum Thema Social Media erläutert, die für den weiteren Forschungsprozess notwendig sind. Daraufhin wird die moderne Customer Journey thematisiert, die aus den beiden zuvor beschriebenen Entwicklungen resultiert und die Relevanz von datengetriebenem Marketing beleuchtet.
Die Digitalisierung führt unter anderem zu einem veränderten Einkaufsverhalten unserer Gesellschaft. Dies betrifft nicht nur das Verhalten von Endkonsumenten, sondern auch das von B2B Entscheidern.[20] Nach einer Studie mit mehr als 1.400 B2B Entscheidern werden knapp 60% des Kaufprozesses online durchgeführt, bevor es zu einem persönlichen Gespräch mit einem Verkäufer kommt.[21]
Deshalb entsteht laut Google ein neuer Entscheidungspunkt im Einkaufsprozess, der den Namen Zero Moment of Truth trägt. Nach dem traditionellen Marketing Modell löst ein Stimulus, wie z.B. eine TV-Werbung, den Einkaufsprozess aus. Daraufhin begibt sich der Interessent zum Einkaufs-Ort, wo er sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung entscheidet. Die anschließende Nutzung des Produkts entspricht dem zweiten Entscheidungspunkt. Wie in Abbildung 1 dargestellt, entsteht mit der online Recherche vor dem Kauf und der Nutzung des Produkts ein neuer Entscheidungsaspekt für den Konsumenten. Es wird eine Station zwischengelagert, in der sich der Interessent für ein Produkt oder Dienstleistung entscheidet, bevor er den Einkaufsort besucht.[22]
Die Interessenten informieren sich im Web, z.B. in Blogs oder Webinaren, über Lösungen für ihre aktuellen Herausforderungen und haben oftmals bereits vor dem Kontakt mit einem Vertriebsmitarbeiter eine konkrete Preisvorstellung.[23] Adamson geht sogar noch einen Schritt weiter. Nach ihm verliert ein Vertriebsmitarbeiter aus Sicht eines Interessenten an Bereicherung, weil die meisten benötigten Informationen durch das Web leicht zugänglich geworden sind.[24]
Abbildung 1: Zero Moment of Truth (Google Inc. 2012, S. 30)
Über die Definition des Begriffs Social Media besteht in der Literatur noch keine Einigkeit. Während Social Media in manchen Definitionen nur als neues Kommunikationsmedium für Unternehmen betrachtet wird, sehen andere es als neuen Mechanismus für die persönliche Interaktion. Die Ausprägung von Social Media ist abhängig vom jeweiligen Unternehmen und dessen Kunden.[25] Andzulis et al. geben folgende Definition: “Social media, then, can be defined as ‘the technological component of the communication, transaction and relationship building functions of a business which leverages the network of customers and prospects to promote value co-creation.’”[26] Beim Aufstieg der sozialen Medien können Parallelen zur Einführung des Internets gefunden werden, bei dem die Unternehmen ebenfalls vor einem Paradigmenwechsel standen. Auch bei der Nutzung von Social Media müssen Firmen berücksichtigen, dass es sich um ein Instrument handelt, das sich noch in der Entwicklung befindet und dessen Geschichte noch geschrieben wird.[27]
Die Social Media Plattformen sind durch folgende Aspekte gekennzeichnet:
Jeder Nutzer hat ein eigenes Profil, auf dem Informationen zu seiner Person und Medien hochgeladen werden können.
Die Nutzer können untereinander in Kontakt treten, sodass eine Gemeinschaft entstehen kann.
Die Nutzer haben die Möglichkeit, über öffentliche Beiträge oder private Nachrichten miteinander zu kommunizieren.[28]
Social Media unterscheidet sich von traditionellen Medien, da es Echtzeit Kommunikation ermöglicht und den Austausch von Käufern bzw. Interessenten untereinander erleichtert.[29] Die Integration von Social Media ist als logische Erweiterung der Kommunikations-Strategie zu sehen.[30] Sie schafft die Voraussetzungen für eine wechselseitige Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden.[31]
Viele Unternehmen gehen davon aus, dass Social Media Marketing nur im B2C Bereich anwendbar ist und im B2B Marketing keine sinnvolle Maßnahme darstellt. [32] Dieses Vorurteil wurde jedoch in den letzten Jahren anhand zahlreicher Praxisbeispiele widerlegt. B2B Unternehmen, die Social Media erfolgreich angewandt haben, konnten von erhöhter Markenbekanntschaft und Umsatzsteigerungen profitieren. Darüber hinaus haben die sozialen Medien sie befähigt, das Unternehmen menschlicher darzustellen und sich als Meinungsführer in der entsprechenden Branche zu etablieren.[33] Bodnar und Cohen behaupten sogar, dass B2B Unternehmen besser für Social Media geeignet sind als Firmen aus dem B2C Sektor. Sie begründen dies mit dem genauen Wissen um die Kunden im B2B Bereich, welches ein wesentlicher Vorteil für eine gezielte Ansprache sein kann.[34] Beilharz fügt noch hinzu, dass der Kerngedanke von Social Media der Beziehungsaspekt ist und dieser ebenfalls beim B2B Kaufprozess entscheidend ist. Die langen Kaufprozesse, die sich im B2B Geschäft typischerweise mehrere Jahre hinziehen können, eignen sich, um in der Zwischenzeit per Social Media eine starke Kundenbindung aufzubauen.[35] Die Nutzung von Social Media sollte jedoch über das Marketing...