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E-Book

Morbus Menière

Schwindel - Hörverlust - Tinnitus Eine psychosomatisch orientierte Darstellung

AutorHelmut Schaaf
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783540687672
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
  • Neueste Erkenntnisse
  • Aktuelle medizinische Möglichkeiten und Grenzen
  • Verständlich und übersichtlich - nicht nur für den Arzt


 

Dr.med. Helmut Schaaf arbeitete als Facharzt für Anästhesie, bevor er selber an Morbus Menière erkrankte. Er musste deshalb seine ursprüngliche Tätigkeit aufgeben. Seit 1994 ist er leitender Oberarzt in der Tinnitus-Klinik Bad Arolsen. Er hat mehrere Bücher und wissenschaftliche Beiträge zu den Themen Morbus Menière, Schwindel, Tinnitus und Hyperakusis geschrieben.

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Leseprobe

4 Sonderformen (S. 47-49)

4.1 Lermoyez-Syndrom

Beim Lermoyez-Syndrom bessert sich anfangs das Hörvermögen nach einer Schwindelattacke, hierfür gibt es bisher keine Erklärung. Auch soll der Nystagmus beim Lermoyez-Syndrom nur in die Richtung der kranken Seite gehen, ohne den Wechsel von Reiz- und Ausfallnystagmus zu zeigen. Patienten mit Lermoyez-Syndrom geben oft Migränebeschwerden an (Paparella in: Huang 1991, S. 108–114). Ansonsten unterscheidet sich diese Form klinisch nicht von dem klassischen Menière-Bild und wird auch therapeutisch genauso behandelt.

4.2 Tumarkin-Anfall

Das plötzliche Hinstürzen (»drop attack«) aus völligem Wohlbefinden ohne jedes Vorwarnzeichen wurde 1936 von Tumarkin als »otolithische Katastrophe« beschrieben. Hinzukommen kann ein Gefühl, als würde es einem den Kopf zerreißen. Erklärt wird dieses Phänomen, das nach dem Erstbeschreiber benannt wurde, durch ein Zerreißen des Gleichgewichtsbläschen, des Sacculus. Dies führt zu einer Spontanbewegung der Otolithen mit »abruptem Verlust des Tonus in den von der ‚vestibulospinalen‘ Bahn versorgten Muskeln« (Scherer 1997), d. h. im Kopf kreist es blitzschnell, und die Beine sacken weg. Typischerweise und zum Glück ist der Anfall mit 10–20 s kurz.

Das Bewusstsein bleibt – ein wichtiges Unterscheidungskriterium gegenüber anderen Erkrankungen – erhalten. Auch ist es wahrscheinlich, dass sich diese Krankheitsform, wenn überhaupt, erst in Spätstadien der Menière- Erkrankung einzustellen scheint (Kentala et al. 2001). Vielleicht ist das damit zu erklären, dass dieser Gleichgewichtsanteil der entwicklungsgeschichtlich älteste ist, Scherer (1997) spricht von über 600 Mio. Jahren. Damit ist er auch am widerstandsfähigsten, sowohl gegen die Menière-Erkrankung, aber auch gegen eine »therapeutische« Ausschaltung. Wichtig bei diesem Krankheitsbild sind die Abgrenzung und der Ausschluss von kurzfristigen Durchblutungsstörungen (»kleine Schlaganfälle«) des Hirnstamms.

Ebenso müssen Migräneanfälle ausgeschlossen werden. Medikamentös sind die Tumarkin-Krisen nämlich nicht zu beeinfl ussen – so schnell kann man nicht zum Zäpfchen oder zur Tablette greifen. Hier hilft möglicherweise nur eine komplette Labyrinthausschaltung, auch mit Gentamycin (Kap. 7). Allerdings sind diese Attacken viel schwerer auszuschalten als der durch die Bogengänge vermittelte Drehschwindel, und sie benötigen wohl höhere Gentamycinmengen.

4.3 Kochleäre Form des Morbus Menière

Von den Menière-Diagnosen werden 2–3% als eine kochleäre Sonderform angesehen (Morgenstern 1994a), wenn vornehmlich ein meist wannenförmiger, fl uktuierender Tieft onverlust ohne Schwindelbegleitung beobachtet wird. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das in Kap. 5 ausführlich besprochene Krankheitsbild des endolymphatischen Geschehens.

4.4 Vestibuläre Form des Morbus Menière

Eine rein vestibuläre Form des Morbus Menière zeige »nur« den Schwindel ohne Hörverluste und Ohrgeräusche, beschrieb Morgenstern (1994a). Sie komme außerordentlich selten vor und ist – so muss man über 10 Jahre später sagen vielleicht das Resultat von noch nicht wirklich immer sicheren Diagnosemöglichkeiten.

So lassen sich heute aufgrund einer zunehmend besseren Diagnostik immer mehr »rein vestibuläre« Formen des Morbus Menière etwa als Migräne mit Schwindel (vestibuläre Migräne), Otolithenstörungen oder psychogene Schwindelerscheinungen einordnen (Kap. 5).

Inhaltsverzeichnis
Geleitwort zur 3. Auflage5
Vorwort zur 5. Auflage7
Vorwort zur 1. Auflage11
Inhaltsverzeichnis13
1 Klinik des Morbus Menière Wie alles anfangen kann16
Drehschwindel17
Wie alles anfangen kann – ein beispielhafter Fall – der klassische Fall17
Und dann?19
Hörverlust, Ohrensausen und …19
Druck- und Völlegefühl im Ohr20
… Unsicherheit und Schwindel der Seele20
Ist der Morbus Menière eine psychosomatische Krankheit?22
2 (Physiologische und anatomische) Grundlagen Ein Schaden im Innenohr24
2.1 Grundlagen des Gleichgewichtssystems26
2.1.1 (Rolle der) Augen31
2.1.2 Riechen32
2.1.3 Schmecken und das »Bauchgefühl32
2.1.4 Gehöranteil32
2.1.5 Rückenmarkbahnen34
2.1.6 Körpereigenfühler34
2.2 Schaltstelle im Gehirn34
2.3 Seelisches Gleichgewicht36
2.4 Wie schlagen sich die Funktionen in Strukturen nieder?37
3 Pathophysiologie des Morbus Menière Wo liegt der Schaden? Der Druck im Innenohr macht …40
3.1 … Schwindel aus dem Innenohr41
3.2 … Augenzittern (Nystagmus)44
3.3 … Hörverlust45
3.4 Fehlender Lautheitsausgleich (»recruitment«) und Geräuschempfi ndlichkeit46
3.5 … Töne ohne Hören – der Tinnitus47
3.6 … Druckgefühl in und hinter dem Ohr48
3.7 … Sinnesmissempfi ndungen (Parästhesien)49
3.8 Formen des Schwindels49
3.8.1 Schwindel der Seele – psychogener Schwindel49
3.8.2 Können Angst und Panik auch einen Menière-Schwindel verursachen?56
4 Sonderformen62
4.1 Lermoyez-Syndrom63
4.2 Tumarkin-Anfall63
4.3 Kochleäre Form des Morbus Menière63
4.4 Vestibuläre Form des Morbus Menière64
5 Abgrenzung von anderen Krankheitsbildern (Differenzialdiagnose)66
5.1 Vom Körper zur Seele und zurück: eine Fehldiagnose und ihre Behandlung68
5.2 Was es NICHT ist71
5.2.1 Hörsturz71
5.2.2 Schwankendes Hörvermögen mit Tieftontinnitus73
5.2.3 Psychogener Schwindel – seelischer Schwindel75
5.2.4 Gutartiger Lagerungsschwindel81
5.2.5 Isolierte Otolithenfunktionsstörungen82
5.2.6 Einfl üsse des Luftdrucks auf das Ohr: Tullio-Phänomen82
5.2.7 Hennebert-Symptom83
5.2.8 Vestibularisparoxysmie84
5.2.9 Akustikusneurinom85
5.2.10 Akuter einseitiger Gleichgewichtsausfall (Labyrinthausfall)85
5.2.11 Zervikale Hör- und Gleichgewichtsstörungen87
5.2.12 Riss im runden Fenster am Übergang vom Mittel- zum Innenohr88
5.2.13 Multiple Sklerose88
5.2.14 Migräne89
5.2.15 Syphilis90
5.2.16 Nebenwirkungen von Medikamenten90
5.2.17 Durchblutungsstörungen92
5.2.18 Zentral-vestibuläre Schwindelsyndrome92
5.2.19 Gestörtes Gleichgewicht im Alter93
5.2.20 Das alles und noch viel mehr …95
6 Untersuchungsmethoden96
6.1 Krankengeschichte (Anamnese)97
6.2 Vestibularisprüfungen97
6.3 Kalorische (thermische) Prüfung99
6.4 Untersuchung der Otolithenorgane100
6.5 Phasenaudiometrie des endolymphatischen Hydrops102
6.6 Hör- und Sprachtests (Tonschwellen- und Sprachaudiogramm)103
6.6.1 Knochenleitung104
6.6.2 Sprachaudiogramm105
6.7 Otoakustische Emissionen und Distorsionsprodukte106
6.8 Brain-evoked-response-Audiometrie (BERA)106
6.9 Glyzerolbelastungsprobe (Klockhoff -Test)107
6.10 Elektrokochleographie107
6.11 Bildgebende Verfahren108
6.12 Manualtherapeutische Untersuchung109
6.13 Psychologische Diagnostik109
6.14 Fragebögen – Testdiagnostik110
6.15 Schwindel in der therapeutischen Beziehung111
6.15.1 Was macht der Schwindel mit den Therapeuten?111
6.15.2 Appell auf der Beziehungsebene112
7 Therapie des Morbus Menière114
7.1 Aufklärung und Beratung115
7.2 Akuttherapie116
7.2.1 Medizinische Hilfe in der Not116
7.2.2 Eigene Notfallvorbereitung118
7.3 Therapie zwischen den Anfällen121
7.4 Stadienorientierte Behandlung122
7.4.1 Schwankendes Hörvermögen mit Schwindel– Stadien 1 und 2125
7.4.2 Wenn der Schwindel öfter kommt –Stadien 2b und 3148
7.4.3 Ausgebrannter oder austherapierter Morbus Menière – Stadium 4162
7.5 Grundrisse einer stationären psychosomatischen Behandlung bei Morbus Menière165
7.6 Wenn der Tinnitus im Vordergrund steht168
7.7 Alternativen und Außenseiter – Chancen und Gefahren168
8 Beidseitige Erkrankung174
9 Wie geht es weiter?178
9.1 Arbeitsfähigkeit und -unfähigkeit179
9.2 Schwerbehinderung und Minderung der Erwerbsfähigkeit181
9.3 Verkehrstauglichkeit184
9.4 Angehörige185
9.4.1 Gemeinsame depressive Verarbeitung185
9.4.2 Verdrängender Umgang mit der Erkrankung186
9.4.3 Sich gegenseitig unterstützende und – im Idealfall– fördernde Verarbeitung der Erkrankung186
9.4.4 Fazit186
10 Resümee – Rückblick – Ausblick188
11 Kurze Antworten auf häufig gestellte Fragen Für eilige Leser194
Anhang200
A Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen und Neurootologen (ADANO)202
Leitlinie M. Menière202
B Selbsthilfegruppen204
Aufl ösung des Rätsels von S. 127206
C Glossar208
Literatur216
Sachverzeichnis224

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