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Anders denken lernen

Kognitive Verhaltenstherapie bei Autismus-Spektrum-Störungen

AutorJed Baker
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl141 Seiten
ISBN9783170308558
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Der Autor führt in die kognitive Verhaltenstherapie ein und erläutert ihre Bedeutung für die Behandlung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Dabei wird auf die Lern- und Therapiemethoden eingegangen und erklärt, wie diese in der Praxis angewendet werden können. So erhalten beispielsweise die Eltern von Kindern mit herausforderndem Verhalten Tipps, wie sie ihr Kind besser verstehen, Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie in konkreten Situationen anwenden und schwierige Situationen von vornherein vermeiden können. Darüber hinaus wird ein mögliches Vorgehen bei Angststörungen vorgestellt und darauf eingegangen, wie Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen soziale Kompetenzen erlernen können.

Dr. Jed Baker ist international renommierter Autismus-Experte und Leiter der sozialen Trainingsprogramme für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen der Millburn Public Schools (New Jersey, USA). Er wirkt als Autor, Herausgeber und Beirat von Fachbüchern und -zeitschriften.

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4          Ängste und Panik überwinden: Behandlung von Angststörungen


Zahlreiche Arbeiten verdeutlichen die Schlüsselkomponenten der Behandlung von Angststörungen, Gemeinsam ist allen Strategien die Methode der »schrittweisen Annäherung« von Ängsten. Eine Studie nach der Anderen hat gezeigt: bringt man Menschen mit Ängsten dazu, schrittweise ihrer Angst zu begegnen, verringern sich ihre Ängste und sie werden nicht mehr durch diese kontrolliert (z. B. Barlow, 2004). Nur wie bringt man jemanden mit überwältigenden Ängsten dazu? Die Kunst der Behandlung ist es herauszufinden, was man tun muss, oder besser gesagt, wie man jemanden überzeugen kann, seinen gefürchtetsten Ängsten schrittweise zu begegnen. Das Buch Overcoming Anxiety in Children and Teens (Baker, 2015) verdeutlicht einige Schritte, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, sich ihren Ängsten schrittweise zu stellen. Zu diesen Schritten gehören:

1.  Klienten motivieren, damit diese an ihren Ängsten arbeiten wollen.

2.  Informieren wie Ängste wirken.

3.  Entwickeln einer Angstleiter, um die Begegnung mit der Angst in einzeln verstärkbare Schritte einzuteilen.

4.  Sorgen bezüglich des Beginns der Angstbegegnungen mit kognitiver Therapie bekämpfen.

5.  Biologische und körperliche Interventionen zur Angstreduktion in Erwägung ziehen, um mit den Angstbegegnungen beginnen zu können.

Abb. 4.1

Schritt 1: Klienten motivieren, damit diese an ihren Ängsten arbeiten wollen


Eine Therapie kann bedrohlich sein, besonders wenn man von anderen gezwungen wird, diese zu machen. Es schwebt unterschwellig mit, dass an einem etwas falsch ist, das verändert werden muss. Es ist gut, an die Stärken eines Kindes zu erinnern, um ihm so zu helfen, seinen Selbstwert zu erkennen und optimistisch in die Zukunft zu schauen. Aus dieser stärkenorientierten Sicht kann man über Herausforderungen sprechen (wie Angstsymptome). Man kann erklären, dass jeder ein Profil aus Stärken und Herausforderungen hat. Machen Sie eine Liste mit mindesten sieben Stärken und drei oder weniger Herausforderungen. Zu den Stärken gehören alles spezielle Wissen, Merkmale und Eigenschaften der Kinder. Eine Stärke der meisten Individuen mit Ängsten ist ein gutes Verständnis für den Schmerz Anderer. Diese Gabe erlaubt es ihnen, tolle Freunde, Partner oder Kollegen zu sein (siehe Beispielprofil für Joe).

Joes Profil

Stärken sind Fähigkeiten, die zu erfolgreichen Karrieren und Beziehungen führen. Joes Stärken (siehe oben) könnten dazu führen, erfolgreich in der Schule zu sein und vielleicht eine Karriere in Bildungsbereich, Naturwissenschaften oder der Arbeit mit Tieren anzustreben. Seine fürsorgliche Art und Interesse an anderen sorgen dafür, dass er ein guter Freund für andere ist.

Herausforderungen sind Eigenschaften, die das Erreichen der Ziele behindern können. Wenn Joe nicht aufpasst, könnten seine Ängste sein akademisches Streben und das Finden von Freunden beeinflussen. Man muss die Herausforderungen nicht komplett meistern, man muss nur »gut genug« werden, damit sie einem nicht mehr im Weg stehen. Es ist einfacher, das Arbeiten an Angstsymptomen zu akzeptieren, wenn sie nicht mehr unser eigentliches Wesen bedrohen. Ängste werden dadurch ein kleinerer, aufgeteilter Teil von uns, den wir nur ein bisschen verändern müssen, damit sie nicht den Rest von uns behindern.

Schritt 2: Über Ängste und falschen Alarm lernen


Jeder Mensch hat ein Alarmsystem, um wahrgenommene Gefahren zu überleben. Registriert das Alarmsystem eine bedeutsame Bedrohung, wird automatisch eine intensive emotionale Reaktion, ausgelöst, so als ob unser Leben davon abhängt. Die Reaktion ist entweder kämpfen, fliehen oder erstarren. Daniel Goleman (1995) beschreibt diesen Moment in seinem Buch Emotional Intelligence als einen Zustand, in dem man von seinen Emotionen überfallen wird. Es ist, als ob das Emotionszentrum die Führung im gesamten Gehirn übernommen hätte und man keinen Zugang mehr zum logischen Denken hat. Dies wird als die Übernahme des »Krokodil-« oder »Reptilien-«Gehirns beschrieben. Das menschliche Gehirn hat beides: Überbleibsel eines alten Reptiliengehirns (besonders das Limbische System), das die »Kampf-oder-Flucht-Reaktion« auslöst und den neueren menschlichen Teil des Gehirns, den Neokortex, der für Planen und logisches Schlussfolgern zuständig ist. Werden wir bedroht, verursacht unser Reptiliengehirn die Reaktion zu flüchten, zu kämpfen oder zu erstarren ohne Einmischung des zerebralen Kortex’ (d. h. ohne unsere Fähigkeit zu begründen oder nachzudenken, was wir tun). Diese schnelle Reaktion hat Überlebenscharakter. In einer wirklich gefährlichen Situation hat man keine Zeit über Reaktionen nachzudenken. Stattdessen entfernen wir uns schnell von der Gefahr, verstecken uns oder schlagen zurück. Wenn man zum Beispiel die Straße herunterläuft und ein Auto plötzlich auf den Bürgersteig in unsere Richtung abdreht, gibt es keine Zeit zum Nachdenken. Man muss schnell an einen sichereren Ort kommen. Das ist ein echter Alarm. In einer Welt in der wahrgenommene Bedrohungen nicht immer lebensbedrohlich sind, kann die Kampf-Flucht-Erstarren-Reaktion zu falschem Alarm führen, was eine emotionale Reaktion zur Folge hat, obwohl keine tatsächliche Gefahr präsent ist. Man kann seinen Klienten über das Alarmsystem unterrichten und erklären, dass jeder sich absichern will und es echten und falschen Alarm gibt. Einige Menschen erben ein sehr sensibles Alarmsystem, das viele falsche Alarme auslöst. In unseren Sitzungen sprechen wir oft über andere Familienmitglieder, die auch ein sensibles Alarmsystem hatten. Der Klient muss verstehen, dass, auch wenn die Alarmreaktionen echte körperliche Reaktionen und nicht ausgedacht sind, die Gefahr nicht echt ist und einen falschen Alarm darstellt.

Schritt 3: Ängste identifizieren: Eine Angsthierarchie erstellen


Die Identifikation der genauen Ängste ist entscheidend, da eine Behandlung den Klienten schrittweise genau den gefürchteten Dingen aussetzt. Manchmal ist das, was gefürchtet wird, nicht nur die ursprüngliche Angst, sondern eine sekundäre Angst. Ein Kind mit Zwangsstörungen kann beispielsweise Angst haben, durch einen Keim auf einer Türklinke krank zu werden, was dazu führt, dass es die Hände wäscht. Die ursprüngliche Angst ist der Schmutz, aber die sekundäre Angst ist alles, was es davon abhalten könnte, sich die Hände zu waschen. Daher muss es in seiner Behandlung nicht nur Türklinken anfassen, sondern auch eine längere Zeit tolerieren, in der es sich nicht die Hände wäscht.

Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-5®, engl. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, American Psychiatric Association, 2013) beschreibt die Symptome verschiedener Angststörungen, die durch das angsteinflößende Objekt oder durch die Art und Weise, wie Menschen Angstsituationen vermeiden, kategorisiert werden. Im Folgenden finden Sie eine Liste gängiger Angststörungen:

1.  Einfache Phobien: Die Angst ist genau umschrieben und die Person kann eine bestimmte Sache (z. B. Hunde, Bienen oder Schwimmen) identifizieren, die die Angst auslöst.

2.  Soziale Phobien: Menschen haben Angst in der Öffentlichkeit zu interagieren und durch ihre Handlungen erniedrigt oder bloßgestellt zu werden. Sie vermeiden das Sprechen in der Öffentlichkeit, öffentliche Toiletten, Essen mit anderen oder generell die soziale Kontaktaufnahme mit anderen Menschen.

3.  Selektiver Mutismus: Dies ist die Angst, mit anderen zu sprechen, obwohl die betroffenen Menschen die Fähigkeit zu sprechen haben. Die Kinder weigern sich zum Beispiel mit Lehrern oder Gleichaltrigen zu sprechen, auch wenn sie gegenüber Eltern und Geschwistern relativ offen sind.

4.  Trennungsangst: Die Angst, alleine oder weg von einem vertrauten Elternteil/Erziehungsberechtigten zu sein, ist hierbei das Schlüsselproblem. Dies kann zu einer Schulphobie führen, wobei es auch Kinder gibt, die eine Schulphobie ohne Trennungsangst haben. In diesen Fällen kann das Kind sich von den Eltern trennen, aber vermeidet die Schule aufgrund von Stressfaktoren im schulischen Umfeld wie Hänseleien oder zu hohen schulische...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt1
Titelseite4
Impressum5
Vorwort zur Reihe »Autismus Konkret«6
Inhalt8
Vorwort10
1 Entwicklung eines wissenschaftlichen Therapieansatzes: Kognitive Verhaltenstherapie12
2 Schlüsselelemente kognitiver Verhaltensmodelle16
3 Krisenmanagement und Prävention von herausforderndem und unkontrolliertem Verhalten22
4 Ängste und Panik überwinden: Behandlung von Angststörungen70
5 Soziale Fähigkeiten unterrichten88
6 Arbeitsblätter104
7 Zusammenfassung134
Literaturhinweise138
Zum Autor142

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