In der Entwicklung des Sports zeichneten sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder neue Tendenzen und Veränderungen ab, die zu Anfang erst abgelehnt oder mit Argwohn betrachtet wurden, inzwischen aber eine Selbstverständlichkeit in der Sportwelt darstellen und so sehr darin eingebunden sind, dass es nahezu unmöglich wäre diese Entwicklungen wieder rückgängig zu machen. Als Beispiel sei hier der Einzug des Sponsoring und der Werbung in den Sport genannt. Die zuerst als „Kolonialisierung“ abgewertete Kommerzialisierung des Sports (Heinemann, 1990, 219) ist nach der Aufhebung der Werbeleitlinien des Sports am 03.12.1983 durch den DSB weitgehend abgeschlossen und mittlerweile als Finanzier und Partner des Spitzensports kaum mehr wegzudenken. So ist nun in den letzten Jahren die voranschreitende Eventisierung eine der diskutierten Hauptentwicklungen im Sport. Um der Frage 1, nach der Bedeutung und den Ursachen der Eventisierung des Sports, auf den Grund zu gehen, wird in diesem Kapitel in Abschnitt 2.1 zuerst eine Festlegung der Begriffe „Event“ und „Eventisierung“ vorgenommen, die für die gesamte Arbeit Gültigkeit hat. Nach der Klärung der Begrifflichkeiten erfolgt eine Beschreibung der Funktionen, Merkmale und Effekte, die diese charakterisieren. Der Motivation und dem Marketing als Hauptfunktionen von Events nimmt sich Abschnitt 2.2 an. Eng damit verbunden werden dem Leser in 2.3 die Attraktivierung bzw. Emotionalisierung, Dramatisierung und Side-Events als wesentliche Merkmale innerhalb der Eventisierung näher gebracht. Die Effekte auf die ökonomische, sozio-kulturelle und ökologische Umwelt werden anschließend in 2.4 thematisiert.
Nachdem der theoretische Begriff „Eventisierung“ definiert ist, gibt 2.5 mit dem soziologisch geprägten Ansatz der Erlebnisgesellschaft eine erste Erklärung für das fortschreitende Phänomen der Eventisierung im Sport.
Der Begriff des „Event“ ist in Mode gekommen und wird auch in der Fachliteratur in vielen variierenden Zusammenhängen und Begriffsverständnissen immer wieder benutzt. Der DUDEN (2001, 501) definiert „Events“ als Veranstaltungen oder besondere Ereignisse. Das, aus dem englischen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entlehnte Wort, wird von PONS (1993, 383) als Ereignis oder Veranstaltung ins Deutsche übersetzt. Eine Vielzahl der Definitionen, die sich mit dem Begriff des „Event“ detailliert auseinandersetzen, stammen aus der Wirtschafts- oder Marketing-Fachliteratur. Der Deutsche Kommunikationsverband legt „Events“ wie folgt fest: „Unter Events werden inszenierte Ereignisse sowie deren Planung und Organisation im Rahmen der Unternehmenskommunikation verstanden, die durch erlebnisorientierte firmen- oder produktbezogene Veranstaltungen emotionale oder physische Reize darbieten und einen starken Aktivierungsprozess durchführen“ (BDW, 1993, 3).
ZANGER&SISTENICH (1996, 234f) definieren Events im Rahmen des Marketings als „inszenierte Ereignisse in Form erlebnisorientierter firmen- und produktbezogener Veranstaltungen, die dem potentiellen Kunden emotionale und physische Reize darbieten, die zu einem starken Aktivierungsprozess führen.“
Dazu weiter zeichnen sich solche Events durch eine Reihe charakteristische Merkmale aus:
- Events sind vom Unternehmen initiierte Veranstaltungen ohne Verkaufcharakter
- Events unterscheiden sich bewusst von der Alltagswirklichkeit der Zielgruppe
- Events setzen Werbebotschaften in tatsächlich erlebbare Ereignisse um, d.h. inszenierte Markenwelten werden erlebbar
- Events werden zielgruppenfokussiert ausgerichtet und stehen für eine hohe Kontaktintensität
- Events sind interaktionsorientiert. Kunden werden aktiv über die Verhaltensebene in die Kommunikationsstrategie einbezogen.
- Events sind Bestandteile des Konzepts integrierter Unternehmenskommunikation. Sie sind organisatorisch selbständig, jedoch inhaltlich gebunden.
Eine Typologisierung von Events hat BRUHN (1997, 779) vorgenommen. Er unterscheidet dabei zwischen Kultur-Events (z.B. Musik-Events, wissenschaftliche Events und Media-Events), Sport-Events (z.B. Olympiaden, Wettkämpfe und Freizeitsport), Wirtschafts-Events (z.B. Messen, Pressekonferenzen und Aktionärsversammlungen), Gesellschafts-/Politik-Events (z.B. Paraden, Eröffnungen und Kriege) und Natur-Events (z.B. Naturereignisse und Naturkatastrophen).
Die wirtschaftliche Sicht alleine führt allerdings noch nicht dazu den Begriff des „Event“, besonders im Bezug auf Sport-Events, vollständig erfassen zu können. Daher werden zur Klärung des Begriffs weitere Ansätze herangezogen werden müssen. NICKEL (1998, 7) konkretisiert den Begriff ein wenig indem er „Marketing-Events“ als „im Auftrag inszenierte Ereignisse bezeichnet, die im Hinblick auf Unternehmen oder Marken das zentrale Ziel haben, den Teilnehmern Erlebnisse zu vermitteln bzw. bei diesen Emotionen auszulösen, und die gleichzeitig geeignet sind, zur Durchsetzung der Marketingstrategie, d.h. zum Aufbau von Unternehmens- und Markenwerten, einen positiven Beitrag leisten.“
In der soziologischen Literatur finden sich eine Reihe von Definitionen, welche sich abseits der Wirtschaft mit dem Thema „Events“ beschäftigen. WILLEMS (2000, 53) beschreibt Events als „in der Regel aus kommerziellen Interessen organisierte Veranstaltungen, deren primäres Ziel die Herstellung eines alle Teilnehmer umfassenden „Wir-Gefühls“ ist. Dieses Ziel soll erreicht werden durch die Vernetzung unterschiedlicher interaktiver Unterhaltungsangebote, durch die Verschmelzung multinationaler Kulturelemente in alleine nach ästhetischen Aspekten konstruierten Spektakeln, so dass der Eindruck eines totalen Erlebnisses entsteht. GEBHARDT (2000, 19ff) äußert sich zu Events als etwas Außergewöhnlichem, das man nicht jeden Tag erlebt, das die alltäglichen Erfahrungen sprengt und übersteigt.
Als weitere Merkmale von Events werden von ihm nachfolgend herausgestellt:
- Die planmäßige Erzeugung von Ereignissen aus wirtschaftlichen Interessen (z.B. ein von einem Unternehmen ausgerichtetes Golf-Turnier).
- Die Vernetzung von unterschiedlichen ästhetischen Ausdrucksformen wie Musik, Tanz, Licht etc. (z.B. Cheerleader).
- Die monothematische Fokussierung auf einen im Zentrum stehenden Inhalt (z.B. ein Fußball-Spiel).
Um abschließend den Begriff des „Sport-Events“ definieren zu können, muss zuvor noch geklärt werden, was aus einem Sportereignis oder einer Sportveranstaltung ein Sport-Event macht, oder ob es überhaupt Unterscheidungen gibt.
Oftmals werden in der Literatur die Begriffe Sportveranstaltung und Sport-Event gleichbedeutend benutzt. Nach KRUSE (1991, 26) kann eine Sportveranstaltung als eine zeitlich kompakte Sporteinheit beschrieben werden, die nach außen hin sowohl wirtschaftlich als auch sportlich geschlossen und abgrenzbar in Erscheinung tritt. Zudem setzt eine Sportveranstaltung die darin stattfindenden Sportereignisse gezielt in Szene, beinhaltet Rahmenprogramme und basiert auf einem Konzept.
Folgt man der Auffassung von HERMANNS&MARWITZ (2003, 135) bereiten Sport-Events die Inhalte eines oder mehrerer Sportereignisse für unterschiedliche Nachfragegruppen in einer geschlossenen, zeitlich abgrenzbaren Einheit, wie z.B. ein Turnier, auf. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Aufbereitung, welche durch eine klare Orientierung auf Nachfrager und eine entsprechende zielgruppenorientierte Planung, Organisation und Durchführung charakterisiert ist. Das Kardinalziel von Sport-Events ist hierbei die Erstellung einer für die Zielgruppe hochwertigen und attraktiven Veranstaltung, verbunden mit der Erreichung eines hohen Aktivierungspotentials.
Über die wirtschaftlichen, sportlichen und soziologischen Definitions- und Erklärungsversuche von Events bzw. Sport-Events zeichnet sich ein Konsens über vier zentrale Punkte ab, die im Folgenden als Arbeitsdefinition gelten werden, wenn von Sport-Events die Rede ist. Von einem Sport-Event wird dann ausgegangen, wenn es
(a) ein aus dem alltäglichen Leben herausstechendes Erlebnis ist, (b) in eine Sportveranstaltung als zentrales Element integriert ist, (c) für spezielle Zielgruppen zum Ereignis bzw. zum emotionalen Erlebnis wird und (d) ein Element in der Kommunikationspolitik von Wirtschaftsunternehmen ist.
Des Weiteren ist es für den Verlauf der Arbeit wichtig die darin zu Grunde gelegten Zuschauer-Events (z.B. Fußballbundesliga-Spiel) von den Teilnehmer-Events (z.B. Puma-Streetball-Event) zu unterscheiden. Diese Abgrenzung gestaltet sich schwierig durch die Eigenheit, dass Zuschauer durchaus auch zu Akteuren innerhalb des Sport-Events (z.B. Sprechchöre oder „Laola-Welle“) werden können, und die Grenzen somit durchaus fließend sind (Brehm, 2005, 94). Dennoch werden in dieser Arbeit Zuschauer-Events so definiert, dass die Zuschauer nicht direkt...