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E-Book

Gebrauchsanweisung für Südkorea

3. aktualisierte Auflage 2021

AutorMartin Hyun
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492991858
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Willkommen im »Land der Morgenstille«! Wer schon immer wissen wollte, wie Südkorea wirklich tickt, sollte diesen besonderen Reiseführer von Martin Hyun lesen.?? Als Sohn zweier in Deutschland lebender Südkoreaner, erkundet er für uns die Heimat seiner Vorfahren.   Dabei stößt er auf jahrhundertealte Tempel und weiße Sandstrände ebenso wie auf pulsierende Millionenmetropolen und eine ausgeprägte Popkultur, die derzeit als koreanische Welle »Hallyu« über Europa schwappt. Dass Südkorea aber mehr ist als nur Kimchi und K-Pop, beschreibt Martin Hyun ebenso ehrlich wie humorvoll.   Hyun lässt den Leser tief in den Alltag der Südkoreaner eintauchen und verbindet seine Familiengeschichte auf kluge und unterhaltsame Weise mit persönlichen Anekdoten und Beobachtungen.?   Wie lassen sich Fettnäpfchen im Urlaub oder auf Geschäftsreise vermeiden??Spannende und unterhaltsame Einblicke eines deutsch-koreanischen Grenzgängers?.?  Als Deutscher mit koreanischen Wurzeln hat Martin Hyun einen ganz besonderen Bezug sowohl zu Südkorea als auch zu Deutschland. Das sorgt für überraschende Vorfälle, von denen Hyun mit viel Witz und Verve berichtet.  »Überzeugt mit humorvoll-unbestechlichem Blick.« - FAZ Ob als Einstimmung für den Urlaub oder gedankliche Fernreise: Dieses Buch ist ein absolutes Muss für alle, die Südkorea schon immer von seiner ganz eigenen Seite kennenlernen wollten.?? 

Martin Hyun, 1979 in Krefeld geboren und Sohn koreanischer Gastarbeiter, studierte Politik, International Business und International Relations in den USA, Belgien und Bonn. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) sowie Junioren-Nationalspieler Deutschlands. Seit 2002 bereist er Südkorea, wo er 2005 für ein Jahr lebte und im koreanischen Parlament arbeitete. Zudem war er 2018 als Deputy Sport Manager für Eishockey und Para-Eishockey im Organisationskomitee der Olympischen Winterspiele tätig. Er ist Gründer des interkulturellen Vereins »Hockey is Diversity e.V.« und veröffentlichte u.a. den Band »Ohne Fleiß kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde«. Zuletzt schrieb er bei Piper gemeinsam mit Wladimir Kaminer die »Gebrauchsanweisung für Nachbarn«. Er lebt mit seiner Frau in Berlin.

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Leseprobe

Als Alien in Korea

Marzahn mit Bergen

Im Januar 2015 landete ich mit zehn Gepäckstücken und einem Gesamtgewicht von über 150 Kilogramm im Heimatland meiner Eltern. Von Frankfurt war es nonstop nach Seoul Incheon gegangen. Elf Stunden in einem Flugzeug voller Landsleute und mit einem Piloten namens Kim Jong-un – bei seiner Ansprache war allerdings scheinbar nur ich kurzzeitig irritiert gewesen. Bald sollte ich also, als einer der wenigen Eishockeyspieler mit koreanischen Wurzeln weltweit, meine Stelle als Deputy Sport Manager für Eishockey und Para-Eishockey beim koreanischen Organisationskomitee der Olympischen und Paralympischen Spiele antreten. Denn nach langem Ringen war es den Koreanern endlich geglückt, die Winterspiele in ihr Land zu holen. Bis zu deren Eröffnung 2018 lag aber noch ein langer Weg vor mir.

Meine Eltern hatten 1969 und 1971 den entgegengesetzten Weg auf sich genommen und kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. Im Zuge eines Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und Südkorea wurden damals koreanische Bergarbeiter und Krankenschwestern in das Land der Dichter und Denker entsandt. Mein Vater wuchs in Daegu auf, einer Stadt in der Provinz Gyeongsangbuk-do. Geburtsstadt der koreanischen Folk-Rock-Legende Kim Kwang-seok. Meine Mutter verbrachte ihr Leben bis 1971 in Hadong, einer Stadt in der Provinz Gyeongsangnam-do.

Mein neuer Arbeitsplatz lag zweieinhalb Stunden von Seoul entfernt im Landkreis Pyeongchang in der Provinz Gangwon-do. Ich hatte mich für eine Wohnung in Gangneung entschieden. Dort sieht es in etwa so aus wie in Berlin-Marzahn, nur dass die Plattenbauten sich zwischen Bergen in die Lüfte recken. Meine Frau Dani, eine Berliner Pflanze, und ich lebten also fortan in einem solchen sozialistischen Architekturwunder inmitten malerischer Gebirgshänge. Zudem liegt Gangneung direkt am Japanischen Meer, das die Koreaner aber lieber Ostmeer nennen. Schuld ist die koloniale Vergangenheit Japans in Korea (1910–1945), eine Zeit, in der die Koreaner unter den Japanern sehr leiden mussten. Der Namensstreit um das Japanische Meer beziehungsweise Ostmeer dauert seit 1992 an. Die Nordkoreaner plädieren sogar für den Namen Koreanisches Ostmeer, geben sich aber auch mit Ostmeer zufrieden.

In Gangneung leben rund 230.000 Einwohner. Es gibt hier keine nennenswerte Industrie, dafür aber die Fußballmanschaft Gangwon FC, die in der K-League, der südkoreanischen Profiliga, spielt. Seit der Saison 2017 trägt die Mannschaft ihre Spiele auf dem Rasen aus, der bei den Olympischen Winterspielen 2018 als Auslauf der Skisprungschanze dienen sollte. Die meisten Menschen in dieser Gegend arbeiten als Landwirte, Fischer oder Taxifahrer. Ein recht beschaulicher Ort also, obwohl es durchaus vorkommen kann, dass an der Küste nordkoreanische U-Boote auf Grund laufen, die sich bei ihrer Spionagemission zu weit in feindliche Gewässer vorgewagt haben, wie es im Jahr 1996 geschah. Das betreffende nordkoreanische U-Boot ist im »Gangneung Unification Park« ausgestellt.

Anfänglich lag unser Büro im »Alpensia Resort«, dessen Name für Alpen in Asien (Alps in Asia) steht, in der Nähe findet sich auch das Restaurant »Alpenliebe«. Die Koreaner sind verrückt nach »Made in Germany«-Produkten und lieben den deutschen Wortschatz. Wenn ich mich Koreanern vorstelle, dann sage ich meist: »Ich heiße Martin. Ihr könnt es nicht sehen, aber ich bin ›Made in Germany‹ mit Korean engineering.« Damit löse ich eine Lawine an Komplimenten aus. Alle deutschen Automarken werden mir genannt, so als würde ich die Autos selbst bauen, und mir wird der Wunsch vorgetragen, man wolle so gern einmal auf der deutschen Autobahn fahren. Wie aus der Kanone geschossen wird zudem der gesamte Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft aufgesagt. In gebrochenem Deutsch ruft man mir entgegen: »Iche liebe diche!«, deutsche Personalpronomen werden mir aufgesagt und Passagen eines Rammstein-Songs vorgesungen. Das deutsche Bier wird für sein Reinheitsgebot und seine Qualität in höchsten Tönen gelobt.

Deutsches Bier gilt als das Nonplusultra in Korea. Bei der koreanischen Biermarke OB Premier Pilsner wird auf den Bierdosen mit »Rich Taste with German Noble Hop« geworben, womit man dem Konsumenten ein koreanisches Bier mit deutscher Qualität offerieren will. Auch die koreanische Biermarke Kloud wirbt damit, deutsche Technik und Qualitätshopfen zu verwenden.

Manchmal bin ich verblüfft, wenn ich Menschen in T-Shirts mit deutscher Aufschrift wie »Bundeseigentum« sehe oder sich Firmen deutsche Namen geben wie »Klarwind«, »Autobahn« oder »Karl Max«. In unserer Wohngegend in Gangneung gab es Kneipen mit den Namen »Einen Heben« oder »Zum Wohl«, und fast alle Bierkneipen in Südkorea tragen den Beinamen »Hof« (koreanisch ausgesprochen »hopeu«), abgeleitet von »Hofbräuhaus«. Bei einem Abendessen im »Seoji Chogadael«-Restaurant in Gangneung sang die Besitzerin einmal für meine Frau und mich in bestem Deutsch »Am Brunnen vor dem Tore«, als sie erfuhr, dass wir aus Deutschland kamen. Wir waren peinlich berührt, weil wir nur die erste Zeile in der ersten Strophe wiedergeben konnten.

Als ich 2015 für dreieinhalb Jahre nach Korea kam, ahnte ich bereits, worauf ich mich in der nächsten Zeit würde einstellen müssen – denn 2005 hatte ich bereits ein Jahr im koreanischen Parlament gearbeitet und viele merkwürdige Arbeitssitten kennengelernt. Zum Beispiel die Kampftrinkabende mit Arbeitskollegen (Haeshik). Und nicht nur das, auch unzählige Überstunden würden wieder auf mich zukommen. Meine Frau sollte in der nächsten Zeit besser lernen, auf mich zu verzichten. Denn laut einer Studie der OECD arbeiten die Koreaner mit 2113 Stunden im Jahr (Stand: 2015) nach den Mexikanern (2246 Stunden) und Costa Ricanern (2230 Stunden) am meisten. Die Deutschen gelten dagegen fast als faul – mit ihren mickrigen 1371 Stunden arbeiten sie ganze 742 Stunden weniger als die Koreaner. Während die Italiener das Wort domani kultivieren, was übersetzt »morgen« bedeutet, nutzen die Koreaner ständig ihr bballi, bballi (schnell, schnell). Und trotzdem gelten die Koreaner als die Italiener Asiens, vor allem wegen ihres fast südländischen Temperaments. Laut Weltglücksberichts 2017 belegt Südkorea den 55. Platz von insgesamt 155 aufgelisteten Ländern. Deutschland liegt hier auf Platz 16.

Wenn man es einmal geschafft hat, das Gemüt eines Koreaners zum Kochen zu bringen, dann kann man sich auf ein Feuerwerk gefasst machen. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich Demonstranten mit Benzin übergießen und selbst anzünden, um ihren politischen Standpunkt zu zementieren. Oder sich den kleinen Finger mit einem Messer abschneiden, wie es einmal zwanzig junge koreanische Männer vor der japanischen Botschaft in Seoul gemacht haben, um auf das Schicksal der koreanischen Trostfrauen, die von der japanischen Armee als Zwangsprostituierte missbraucht wurden, aufmerksam zu machen. Ein anderer versuchte, die japanische Flagge mit seinen Zähnen zu zerreißen. Und nachdem die südkoreanische Fußballnationalmannschaft bei der Fußball-WM in Deutschland in der letzten Runde der Gruppenphase unglücklich 2:0 gegen die Schweiz verloren hatte, legten aufgeregte koreanische Fans die World-Cup-Webseite lahm, indem sie über drei Millionen E-Mails schrieben.

Was bedeutet das also? Ein Koreaner sollte immer bei guter Laune gehalten und seine Wünsche sollten stets erfüllt werden. Ich erinnere mich, wie meine Arbeitskollegen im koreanischen Parlament jeweils aufstanden und sich verbeugten, wenn der Abgeordnete das Büro betrat, und sich erst dann wieder aus der Verbeugung lösten, wenn er die Tür hinter sich schloss. Solch eine fast schon dienerhafte Huldigung eines Volksvertreters wäre im Deutschen Bundestag undenkbar. Auch hatte ich erlebt, wie unser Sekretär im Monsunregen auf die Ankunft des Abgeordneten wartete, nur um ihm den Regenschirm zu halten, während er selbst bis auf die Knochen durchnässt war. In Deutschland wäre das ein Skandal und der Abgeordnete wohl die längste Zeit Abgeordneter gewesen. Und generell galt im koreanischen Parlament: Meine Kollegen und ich konnten erst dann nach Hause gehen, wenn der Abgeordnete selbst Feierabend machte. Und das geschah meist nicht vor 23 Uhr. Immerhin: Mit gutem Beispiel geht das koreanische Gesundheitsministerium mittlerweile voran. Nachdem eine Studie der Oxford University prophezeit hat, dass die Südkoreaner das erste Volk sein werden, das vom Aussterben bedroht ist, sind die Mitarbeiter der Regierung nun dazu verpflichtet, zumindest einmal im Monat frühzeitig nach Hause zu gehen – um was zu tun? Genau: um Nachwuchs zu zeugen und der niedrigen Geburtenrate entgegenzuwirken. Das nenne ich einmal eine ausgewogene Work-Sex-Balance. Aber vielleicht hilft nur ein Stromausfall wie damals 1965 in New York.

1987: Meine erste Reise nach Korea

Im Jahr 1987, ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen in Seoul, besuchte ich gemeinsam mit meinen Eltern Korea. 1987 gilt in Südkorea als bedeutender Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie. Im Juni kam es zu landesweiten prodemokratischen Massenprotesten, die in Südkorea als »6.10 Minju Hwangjaeng« (Juni-Demokratie-Bewegung) bekannt sind. Aufgrund der Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele stand Korea im Fokus der Aufmerksamkeit der gesamten Welt. Der Zeitpunkt war also günstig, den Diktator Chun Doo-hwan vor den Augen der Öffentlichkeit in die Knie zu zwingen. Er galt als »Schlächter von Gwangju«, seitdem er im Mai 1980 den Gwangju-Aufstand blutig niedergeschlagen hatte. Nun...

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