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E-Book

Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung

Grundlagen, Konzepte und Umsetzungsstrategien

AutorKlaus Hurrelmann
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl500 Seiten
ISBN9783456755908
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Immer mehr chronische und degenerative Störungen und Krankheiten können nicht geheilt, sondern lediglich über einen langen Zeitraum begleitet und in ihren Auswirkungen eingedämmt werden. Strategien, die einer Erkrankung vorbeugen und Gesundheit fördern, gewinnen aus diesem Grund immer mehr an Bedeutung. Das Werk erklärt anschaulich die Grundlagen von Prävention und Gesundheitsförderung sowie spezifische Präventionskonzepte bei somatischen Störungen und Krankheiten (u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Atemwegserkrankungen, neurologische Erkrankungen), aber auch psychosomatischen und psychischen Störungen. Dieses Werk hat sich in der Ausbildung von Medizinern, Gesundheitswissenschaftlern, Pflegefachleuten und vielen anderen Gesundheitsfachleuten ebenso wie Sozialwissenschaftlern, Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeitern als Referenzwerk fest etabliert. Die 5. Auflage wurde unter einer neuen Herausgeberschaft vollständig überarbeitet, aktualisiert und ergänzt.

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Leseprobe

1 Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung


Klaus Hurrelmann, Matthias Richter, Theodor Klotz und Stephanie Stock

Überblick

  • Was charakterisiert die Begriffe „Krankheitsprävention“ und „Gesundheitsförderung“?
  • Was sind Risiko- und Schutzfaktoren für die Gesundheit?
  • Wie ergänzen sich „Krankheitsprävention“ und „Gesundheitsförderung“?
  • Welchen Stellenwert haben „Krankheitsprävention“ und „Gesundheitsförderung“ in der gesundheitlichen Versorgungsstruktur?

1.1 
Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung als komplementäre Interventionsformen


Die Begriffe „Krankheitsprävention“ und „Gesundheitsförderung“ werden in der internationalen Fachliteratur nicht einheitlich verwendet. Auch im deutschen Sprachraum bestehen unterschiedliche Definitionen nebeneinander.

1.1.1 
Historische Entstehung der Begriffe


Um eine Begriffsverwirrung zu vermeiden, ist eine Rückbesinnung auf die historische Entstehung der beiden Begriffe hilfreich (Hurrelmann, Laaser & Richter, 2016; Stöckel und Walter, 2002):

  • Der historisch ältere Begriff „Krankheitsprävention“, meist verkürzt als „Prävention“ bezeichnet, entwickelte sich in der Sozialmedizin des 19. Jahrhunderts aus der Debatte um soziale Hygiene und Volksgesundheit. Unter den Begriffen Vorbeugung, Vorsorge, Prophylaxe oder Prävention wurden alle Ansätze zusammengefasst, die eine Vermeidung des Auftretens von Krankheiten und damit die Verringerung ihrer Verbreitung und die Verminderung ihrer Auswirkungen zum Ziel hatten. Der entscheidende Ansatz dafür war, die Auslösefaktoren von Krankheiten zurückzudrängen oder ganz auszuschalten. Um 1900 verdichtete sich die Erkenntnis, dass vor allem unzureichende hygienische Lebensbedingungen und belastende Arbeitsbedingungen zu den Auslösefaktoren zählen und Lebensqualität und Lebensdauer der Bevölkerung schwer beeinträchtigen. Fachwissenschaftlich waren an der Aufdeckung dieser Zusammenhänge vor allem innovative Bereiche der Medizin und einige naturwissenschaftliche Disziplinen beteiligt. Aus ihren Reihen heraus wurden auch die ersten Ansätze eines vorbeugenden, prophylaktischen und präventiven Handelns formuliert (Abholz, 2006).
  • Der Begriff „Gesundheitsförderung“ (Health Promotion) ist erheblich jünger (Froom & Benbassat, 2000). Er entwickelte sich aus den gesundheitspolitischen Debatten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in die neben bevölkerungsmedizinischen auch ökonomische, politische, kulturelle und soziale Impulse eingingen. Der Begriff etablierte sich im Anschluss an die Definition von „Gesundheit“ in der Gründungskonvention der WHO: „Gesundheit ist der Zustand des völligen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ (WHO, 1946). Bei der Diskussion über Umsetzungsstrategien des Gesundheitsbegriffs wurde bei einer Konferenz in Ottawa (WHO, 1986) das Konzept „Gesundheitsförderung“ etabliert. Im Unterschied zur Krankheitsprävention mit ihrer im Vordergrund stehenden Vermeidungsstrategie geht es bei der Gesundheitsförderung um eine Promotionsstrategie, durch die Menschen eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und damit eine Stärkung der gesundheitlichen Entfaltungsmöglichkeiten („Empowerment“) erfahren sollen. Fachwissenschaftlich waren an der Entwicklung dieses Ansatzes sozial- und bevölkerungswissenschaftliche Disziplinen einschließlich der Epidemiologie maßgeblich beteiligt (Kickbusch & Altgeld, 2012).

Obwohl sich die beiden Begriffe auf unterschiedliche Bezugsrahmen beziehen, haben sie eine Gemeinsamkeit: Sowohl „Krankheitsprävention“ als auch „Gesundheitsförderung“ beschreiben begrifflich Handlungsschritte, also Formen der „Intervention“. Es handelt sich in beiden Fällen um das gezielte Eingreifen von Akteuren, meist öffentlich und/oder professionell autorisierter Personen und Institutionen, um sich abzeichnende oder bereits eingetretene Verschlechterungen der Gesundheit bei einzelnen Personen oder bestimmten Bevölkerungsgruppen zu beeinflussen.

1.1.2 
Definition von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung


Der Unterschied der beiden Interventionsformen liegt also in ihrer Eingriffslogik, die sich auf verschiedenartige theoretische Grundlagen bezieht. Hieraus lässt sich ihre Definition ableiten:

  • Krankheitsprävention (oft verkürzt auch nur „Prävention“ genannt) bezeichnet alle Interventionen, die dem Vermeiden des Eintretens oder des Ausbreitens einer Krankheit dienen. Das Eingreifen (Intervenieren) richtet sich auf das Verhindern und Abwenden von Risiken für das Eintreten und die Ausbreitung von Krankheiten. Voraussetzung eines gezielten Intervenierens ist eine Kenntnis pathogenetischer physiologischer und psychischer Dynamiken, also der Entwicklungs- und Verlaufsstadien des Krankheitsgeschehens.
  • Gesundheitsförderung bezeichnet alle Interventionen, die der Verbesserung der gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen der Bevölkerung dienen. Das Eingreifen richtet sich auf die ökonomischen, ökologischen, kulturellen und sozialen Bedingungen der Lebensgestaltung von einzelnen Personen und/oder bestimmten Gruppen der Bevölkerung. Voraussetzung eines gezielten Intervenierens ist eine Kenntnis salutogenetischer Dynamiken, also der Entwicklungs- und Verlaufsformen für das Gesundsein und Gesundbleiben.

Wichtig für Gesundheitsförderung und Prävention

Gemeinsames Ziel: Gesundheitsgewinn

Gemeinsames Ziel der beiden Interventionsformen „Krankheitsprävention“ und „Gesundheitsförderung“ ist, einen sowohl individuellen als auch kollektiven Gesundheitsgewinn zu erzielen – einmal durch das Zurückdrängen von Risiken für Krankheiten, zum anderen durch die Förderung von gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen. Die analytische Unterscheidung der beiden Begriffe ist auf Antonovsky zurückzuführen, der auch den neuen Begriff „Salutogenese“ als Gegenbegriff zu „Pathogenese“ prägte (Antonovsky, 1987). Die pathogenetische und die salutogenetische Dynamik folgen einer unterschiedlichen Sachlogik. Entsprechend bezeichnen die beiden Begriffe Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung bei gemeinsamer Zielsetzung unterschiedliche Interventionsformen mit verschiedenartigen Wirkungsprinzipien (Hurrelmann & Richter, 2013; S. 147).

1.1.3 
Wirkungsprinzip der Krankheitsprävention


Krankheitsprävention bedeutet im Wortsinn, einer Krankheit zuvorkommen, um sie zu verhindern oder abzuwenden. Zugrunde liegt die Annahme, dass die zukünftige Entwicklung des Krankheitsgeschehens individuell und kollektiv vorhergesagt werden kann. Die Interventionsform Prävention beruht damit auf einer Zukunftsprognose, die ihrerseits auf der Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit des unerwünschten Ereignisses „Krankheit“ aufbaut.

Die zentrale Annahme dabei ist: Werden die Voraussetzungen für das Eintreten der Krankheit früh erkannt und die Regeln des Krankheitsverlaufes antizipiert, können gezielte Interventionen zur Abwendung des Eintritts des Ereignisses „Krankheit“ und/oder seiner Folgen eingeleitet werden (Franke, 2012). Der Erfolg der präventiven Intervention wird daran gemessen, in welchem Ausmaß der zu erwartende Krankheitsausbruch und/oder der sich verschlimmernde Krankheitsverlauf gemindert oder sogar verhindert werden können (Dietscher & Pelikan, 2016).

Ausgelöst werden die Interventionshandlungen durch die Identifizierung von „Risikofaktoren“, die nachweislich bei der Entstehung und beim Verlauf der Krankheit im Spiel sind. Wichtige Risikofaktoren für die heute weit verbreiteten „Volkskrankheiten“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen und Demenz sind Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte, Übergewicht, mangelnde Bewegung, schlechte Ernährung und dauerhafte psychische Überlastung („Stress“). Durch die gezielte präventive Intervention wird zu einem Zeitpunkt, zu dem die Risikofaktoren deutlich identifiziert werden können, in die Dynamik der Pathogenese eingegriffen, die daraufhin einen anderen Verlauf nimmt, als es ursprünglich zu erwarten war (Schwartz & Walter, 2003). Es wird ein „Gesundheitsgewinn“ erzielt, der im Abbau einer zu erwartenden individuellen oder kollektiven Krankheitslast besteht.

Im Idealfall soll so früh eingegriffen werden, dass sich aus den identifizierten Risikofaktoren noch keine erkennbaren Krankheitssymptome gebildet haben („primäre Prävention“). Auch eine Intervention bei bereits manifesten Krankheitssymptomen im Erststadium gilt als aussichtsreich („sekundäre Prävention“). Es handelt sich hierbei um eine medizinische, psychologische oder therapeutische Intervention, deren Spektrum in der Regel von Aufklärung und Beratung über Vorsorgeuntersuchungen (Screening wie etwa Mammografie), Aufforderung zu Verhaltungsänderungen (etwa...

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