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E-Book

Reisen, Band 3 - Südsee

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Gerstäcker
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl293 Seiten
ISBN9783849615604
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dies ist Band drei von fünf in denen der große Reise- und Abenteuerschriftsteller von seinen Erlebnissen berichtet. Friedrich Gerstäcker war ein deutscher Schriftsteller. Er ist vor allem durch seine Bücher über Nordamerika bekannt

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Leseprobe

4. Maiao.


 


Das schlanke Boot, von den elastischen Riemen vorwärts getrieben, schoß förmlich durch das fast spiegelglatte Meer, und schon konnten wir mit bloßen Augen die Palmen am Ufer erkennen. Erst ganz in der Nähe bekamen wir aber die Außenriffe zu Gesicht, die, wie bei allen übrigen Inseln der Südsee, das eigentliche feste Land in einem großen, oft meilenweit entfernten Bogen umgeben, und über die sich die Brandung in weißschäumenden Wogen donnernd bricht. Nur schmale Eingänge sind gewöhnlich in diesen Riffen, um zum Land zu gelangen, und große Schiffe finden nur an wenigen Ankergrund.

 

Was mich jedoch wunderte, war, daß sich noch nicht ein einziges Canoe blicken ließ, obgleich diese sonst den Schiffen oft auf zehn und mehr englische Meilen in See entgegenfahren sollen. Erst dicht zu der Brandung gelangt, an der wir jetzt hinfuhren den Eingang zu finden, kamen von innen heraus zwei Canoes mit Eingebornen, und weiter oben wurden zu gleicher Zeit noch zwei andere sichtbar, die jetzt auf den Riffen eine kleine Flagge als Zeichen der Einfahrt aufpflanzten.

 

Die erstern, als sie sahen daß wir nicht zu ihnen hinwollten, und nicht einmal auf ihr Winken besonders achteten, zogen ihre Canoe rasch durch die Brandung, und kamen scharf hinter uns hergerudert. Es waren lichtbraune, kräftige Gestalten, in Cattun-Hemden, ein Tuch um den Kopf, ein anderes noch um die Lenden geschlagen, und ihr freundliches Joranna! Joranna bo-y! tönte schon von weitem zu uns herüber.

 

Wir lagen jetzt auf den Rudern, sie zu erwarten; auch nicht lange, so glitten sie an unsere Seite, und einer von ihnen, der etwas gebrochen englisch sprach, schien sich der allerdings quer genug herauskommenden Wörter mit ungemeinem Stolz zu bedienen.

 

Der erste Bootsheader des Alexander Barkley, der sich lange in der Südsee herumgetrieben und die neuseeländische wie die Sandwichs-Sprache verstand, suchte mit Hülfe dieser eine etwas mehr genügende Unterhaltung anzuknüpfen, die Dialekte waren aber zu verschieden, und wir mußten wohl oder übel wieder zu dem das Englische auf eine schauerliche Art mißhandelnden Wilden als Unterhändler zurückkommen.

 

»Plenty fruit here?« frug der Mate den jetzt dicht an unserer Seite Rudernden.

 

»Good morni morni,« lautete die freundliche Antwort.

 

»Plenty fruit?« schrie der Mate zum zweitenmale.

 

Der Indianer hielt den einen Finger in die Höhe und sagte: »Aita, one mile!«

 

»Hol dich der Teufel!« brummte der Seemann – »Cocosnüsse?«

 

»Eh! eh!« rief jetzt freudig begreifend der Insulaner; »heari, heari, too much, too much.«

 

»Zuviel? eh!« lachte der Mate–»und Bananas?«

 

»Eh, eh! meja, meja – too much, too much!«

 

»Und Orangen?«

 

»Eh, eh-anani, anani-too much, too much.«

 

»Und Brodfrucht?« – Das Resultat blieb dasselbe; die Leute hatten hier, dieses Burschen Aussage nach, in der That zu viel (too much) von allen Früchten, und seinen Winken nach, da er uns jetzt über die Erfüllung aller unserer Bedürfnisse vollkommen zufrieden gestellt glaubte, sollten wir ihm nach dem Eingang in dem Riff folgen. Das thaten wir denn auch, und bald darauf stieß der eisenbeschlagene Bug des scharfgebauten Bootes in den weißen groben Korallensand des Ufers von Maiao, wie die Insulaner ihre Insel nannten.

 

Und so war denn mein Wunsch, mein heißer, lang ersehnter Wunsch erfüllt: über mir wölbten sich die wundervollen, fruchtgefüllten Kronen der Cocospalmen, unter mir brannte der heiße Korallensand, um mich her standen die bronzefarbenen neugierigen Insulaner, und plapperten wild und fröhlich in ihrer wunderlichen Sprache, und ich hatte endlich wirklich das Land betreten, das, seit ich als Kind den Robinson Crusoe – nicht gelesen, nein förmlich verschlungen, einen so unendlichen Zauber für mich gehabt, daß ich die Sehnsucht hierher wohl für Zeiten unterdrücken, nie aber ganz und gar bezwingen konnte.

 

Und sollten sich nun hier die Bilder meiner Phantasie realisiren? Ein stilles, heimliches Gefühl, das ich bis dahin immer für eine Art Ahnung gehalten, hatte mir stets zugeflüstert: wenn du die palmrauschenden Inseln der Südsee einst erreichst, so hält es dich dort mit unsagbaren Banden, und reißest du dich auch wieder von ihnen los, du mußt und mußt dahin zurückkehren.« War ich im Stande hier, abgeschnitten von jeder Verbindung mit der civilisirten Welt, selbst wenn ich die Meinigen um mich hätte, mich glücklich zu fühlen? Konnte mir die herrliche, üppige Natur vollkommenen Ersatz für alles das bieten, was ich dafür aufgeben mußte?

 

Lieber Leser, der Gedanke zuckte mir, als ich zuerst das Land betrat, durch Hirn und Seele; ich war aber weit entfernt ihm gerade viel Raum zu geben. Sehen wollt' ich, sehen und genießen, und das Schicksal hatte dann für seine bisherige Leitung mein Vertrauen so vollkommen verdient, daß ich gar nicht im geringsten zögerte, ihm die meines künftigen Lebens ebenso unbedingt wie meines frühern zu überlassen.

 

Mit dem rasch gefaßten Entschluß ergriff ich den mir nächststehenden, erschreckt herumfahrenden Insulaner ohne weiteres bei seiner rechten Finne, schüttelte ihm dieselbe auf das herzlichste, und setzte den guten Mann durch mein geläufiges Joranna, Joranna bo-y in unbegränztes Erstaunen. Von allen Seiten kamen dort gelagerte Indianer jetzt um uns her, und ihr Willkommen war wirklich so freundlich, wie es nur irgend seyn konnte.

 

Von dem englisch sprechenden Maiaoer hatten wir indessen auch herausgebracht, daß ein Weißer auf dieser Insel lebe, und während der Mate mit den Insulanern seinen Fruchthandel besprach, und ebenfalls einen Akkord für Brennholz abzuschließen suchte, nahm ich mir einen der jungen Burschen zum Führer, mich zu des Weißen Haus zu bringen, und wanderte mit diesem, der mich sogleich freundschaftlich bei der Hand faßte und seinen Tuba oder Freund nannte (was späterhin seiner Meinung nach unbestimmte Folgen von baumwollenen Hemden, Glasperlen, Tabak, Messern ec haben sollte), landein.

 

Wir durchschritten ein kleines Dickicht von Pandanus, Casuarinen und einigen andern der tropischen Strandgewächse, die sich meist alle durch ihre wunderlichen, armähnlichen Wurzelfasern auszeichnen, mit denen sie sich nach allen Richtungen hin in den sonst lockeren Korallensand festklammern, und traten dann auf eine ganz offene, von hohen Cocospalmen eingefaßte Korallensandfläche, die eine Lagune, einem kleinen Inlandsee nicht unähnlich, umschloß, und von der, neben dem die Augen blendenden Weiß der Korallen, eine so furchtbare Hitze ausströmte, daß ich die ersten zehn Minuten in der That keinen Schritt vor mich sehen konnte, sondern die Augen total schließen mußte. Erst nach und nach gewöhnten sich diese daran, so daß ich wenigstens im Stande war, die Gegend etwas besser zu überschauen und zu sehen, wo ich mich eigentlich befand.

 

Es hatte übrigens alle Ursache, hier heiß zu seyn, denn die Sonne stand gerade in diesen Tagen genau im Zenith – sie kam von dem südlichen Wendekreis und wanderte – natürlich und scheinbar – der Linie zu, während wir am Tag vorher, schon 80° Altitude hatten. Selbst die Indianer, doch gewiß an ihr Klima gewöhnt, schienen von den glühenden Sonnenstrahlen auf die weißen Korallen zu leiden, denn fast alle trugen breite Augenschirme von Pandanusblättern geflochten, und denen ganz ähnlich in der Form, die auch bei uns von Augenkranken getragen werden. Meine gute Natur bewährte sich aber auch hier, und obgleich ich den schädlichen Einfluß des blendenden Strahls auf die Sehnerven in dieser Hitze weit mehr empfand, als auf den Schneegefilden der Cordilleren, weil hier noch die Gluth mit dem Strahl korrespondirte, fühlte ich schon nach dem ersten Tag nicht die geringste fatale Wirkung mehr davon, und brauchte nicht einmal einen solchen Schirm zu tragen, obgleich mir der von fast allen Indianern dringend anempfohlen wurde. Ich hatte noch meinen alten, sehr leichten kalifornischen Filzhut, und der that mir auch hier vortreffliche Dienste.

 

Die Scenerie war übrigens nicht, besonders rühmenswerth, der Blick wurde überall durch den dichten Streifen von Pandanus und Cocospalmen umhemmt, in welchem sich die seichte, förmlich dampfende, Lagune ausbreitet, und der Boden, einzig und allein aus Korallensand bestehend, schien auch viel zu unfruchtbar, eine üppige Vegetation hervorzurufen. Der Himmel spannte sich dabei in wolkenloser Bläue über uns hin, und kein Lüftchen regte selbst die äußersten Wipfel der Bäume. – Es war eine entsetzliche, drückende Schwüle.

 

Kein Wunder, daß mir die Zunge bald am Gaumen klebte, mein neuer Freund aber, dem ich die Sache auseinandersetzte, als ob ich Zeit meines Lebens nichts anderes gesprochen hätte, als dessen Sprache, wußte dafür augenblicklich Rath. Er stieg, und zwar ungemein geschickt, was ich ihm in seinem läßigen, etwas behaglichen Wesen im Anfang gar nicht zugetraut hätte, auf die niedrigste Cocospalme, die kaum höher als vierzehn bis fünfzehn Fuß seyn mochte, und warf etwa ein halbes...

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