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E-Book

Gebrauchsanweisung für Myanmar · Burma

AutorMartin Schacht
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492965521
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Lange Zeit geheimnisvoll und verschlossen, wurde Myanmar über Nacht zur boomenden Reiseregion. Martin Schacht streift durch das zauberhafte Reich der Stupas und Pagoden, zu verwunschenen Stränden und durch die Millionenstadt Rangun. Er ergründet das Wesen eines Landes, in dem 135 Völker leben, und in dem Bankautomaten und Shoppingmalls aus dem Boden schießen - während Ochsenkarren, Pferdekutschen und Trishaws noch immer gängige Verkehrsmittel sind. Er berichtet von Minderheiten, besucht Edelsteinschürfer und die legendären tätowierten Frauen. Er erläutert, wie der Buddhismus sich mit der Geisterwelt der Nats arrangiert, und wo man bei Sonnenuntergang den Einheimischen am besten beim Ballspielen zusehen kann.

1965 in Rendsburg geboren, arbeitet als Autor von Büchern und Fernsehreportagen für »ARTE« und »Pro 7« sowie als Drehbuchautor und Reisejournalist. Seine Romane erschienen bei Rowohlt (»Mittendrin«, »Straßen der Sehnsucht«, zuletzt »Mandalay Moon«), bei Argon sein Sachbuch »Die ewige Zielgruppe«. Schacht lebt in Berlin und Bangkok. Nach seiner 'Gebrauchsanweisung für Thailand' hat er eine 'Gebrauchsanweisung für Burma/Myanmar' geschrieben.

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Leseprobe

Ein Land mit 135 Völkern

Myanmar ist ein Flickenteppich unterschiedlicher Ethnien, Religionen und Klimazonen. Das nach Indonesien zweitgrößte Land Südostasiens ist von der Fläche her etwa doppelt so groß wie Deutschland. Es erstreckt sich von den schneebedeckten Gipfeln des Himalajas über eine trockene Halbwüste im Zentrum des Landes und das etwa tausend Meter hohe Shan-Plateau bis hin zur fruchtbaren tropischen Deltaregion und dem Myeik-Archipel mit seinen über achthundert Inseln. Ein schmaler Streifen an der Andamanensee ragt tief in die Halbinsel von Malakka hinein, vom benachbarten Thailand getrennt durch den Tenasserim-Gebirgszug. Im Nordwesten grenzt Myanmar ebenfalls mit Bergzügen an Bangladesch und Indien, im Norden an die Volksrepublik China, im Osten an Laos und eben Thailand.

Zwischen dem Hochland der Shan im Osten und den Gebirgszügen im Westen liegt die fruchtbare Ebene des Ayeyarwady-Beckens. Der Ayeyarwady, mit einer Länge von rund zweitausend Kilometern der längste Fluss Myanmars, ist die Lebensader des Landes und bildet an seiner Mündung in den Indischen Ozean ein riesiges Delta, das zu Zeiten der Briten als »Reisschüssel Südostasiens« galt. Myanmar war damals das reichste Land der Region.

Das tropische Klima in Myanmar wird durch den Monsun bestimmt. Zwischen November und Februar bringt der Nordwestmonsun kalte, trockene Luft aus Innerasien heran – natürlich ist »kalt« relativ und in diesem Fall für europäische Reisende sehr angenehm –, in der Regenzeit zwischen Mai/Juni und Oktober führt der Südwestmonsun zu großen Niederschlagsmengen und sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Dazwischen liegt als dritte Jahreszeit die heiße Trockenzeit von März bis Mai/Juni. Jedoch können Niederschlagsmenge und Temperatur regional sehr unterschiedlich sein. Während es in der Regenzeit im Süden häufig tagelang schüttet, kann es zur gleichen Zeit in der sonst trockenen und oftmals unerträglich heißen Zentralebene sehr angenehm sein. So ist die kalte Jahreszeit zwar die Hauptreisesaison, doch je nachdem, wohin man fährt, bieten sich auch andere Reisezeiten an. Bagan, Mandalay oder das trockene Zentrum um die Hauptstadt Naypyidaw lassen sich gerade in der Regenzeit, die in etwa dem europäischen Sommer entspricht, wunderbar bereisen.

Über fünfzig Prozent der Landfläche Myanmars nehmen Wälder ein. Immergrüne Regenwälder bedecken große Teile der Gebirge im Westen des Landes; neben Teak wächst hier vor allem Bambus. Auf dem Shan-Plateau im Osten und im Norden sind überwiegend Pinien und Eichen zu finden. Im Ayeyarwady-Becken im Zentrum des Landes herrschen Trockenwald und Dornstrauchsavanne vor.

Die dichten Wälder bieten Lebensraum für zahlreiche Tiere. An größeren Säugetieren finden sich unter anderem Panther, Bären und wilde Wasserbüffel. Auch der Kleine Panda, Schleichkatzen und der Schabrackentapir leben im Dschungel, in den Mangrovengebieten an der Küste zahlreiche Krokodile. Die Zeiten, in denen Tiger um die Schwedagon-Pagode strichen, wovon noch im 19. Jahrhundert berichtet wurde, sind jedoch lange vorbei. Marco Polo glaubte seinerzeit sogar, das legendäre Einhorn gefunden zu haben, als er in Myanmar ein Java-Nashorn sah. Inzwischen gilt diese Art als ausgestorben.

Dafür entwickelt sich der äußerst seltene Irawadi-Delfin – so benannt nach der alten Schreibweise des Ayeyarwady – zur Touristenattraktion. Die intelligenten Tiere kommunizieren angeblich mit Fischern und treiben ihnen für einen Anteil an der Beute Fische in die Netze. Inzwischen werden sie wohl eher angelockt, weil sie wissen, dass es etwas zu fressen gibt. Bei Mingun, nördlich von Mandalay, werden sogar Delfintouren angeboten – allerdings ohne Sichtungsgarantie. Kein Wunder, schließlich wurden bei der letzten Zählung auf dem über fünfhundert Kilometer langen Flussabschnitt zwischen Mandalay und Bhamo gerade mal 72 Tiere erfasst. Im Chindwin River sollen sie etwas häufiger sein, doch die Wassersäuger sind durch die Elektrofischerei und die Wasserverschmutzung stark gefährdet.

Rund 54 Millionen Menschen leben derzeit in Myanmar, ein Großteil davon im zentralen Tiefland, nur etwa ein Viertel in den Städten. Die einzige Millionenmetropole ist Yangon/Rangun mit etwa fünf Millionen Einwohnern, Mandalay hat etwa eine Million, Mawlamyine um die 250 000.

Größte Volksgruppe mit einem Anteil von knapp siebzig Prozent sind, wie schon dargelegt, die Burmesen oder Bamar. Neben ihnen leben sieben Minderheitenvölker in Myanmar, die sich aus weiteren 134 Volksgruppen zusammensetzen: Shan zehn Prozent, Karen (Kayah) neun Prozent, Arakan fünf Prozent, Mon zweieinhalb Prozent, Chin zwei Prozent, Kachin eineinhalb Prozent, Karenni 0,8 Prozent.

Eine Besonderheit ist, dass sich Myanmar entsprechend seiner Völker in »States« und »Divisions« gliedert. Die sieben Landesteile, die überwiegend von Bamar besiedelt sind, heißen »Divisions«, und die sieben Regionen, die hauptsächlich von ethnischen Minderheiten bewohnt werden, nennt man »States«. Die Minderheitenvölker bewohnen hauptsächlich die gebirgigen Randgebiete des Landes – ihr Siedlungsgebiet umfasst etwa 65 Prozent der Gesamtfläche Myanmars –, sodass die »Staaten« zum überwiegenden Teil die Außengrenzen des Landes bilden. Im Uhrzeigersinn sind das:

Rakhine (früher Arakan), Hauptstadt: Sittwe (früher Akjab)

Chin, Hauptstadt: Hakha

Kachin, Hauptstadt: Myitkyina

Shan, Hauptstadt: Taunggyi

Kayah, Hauptstadt: Loi-kaw

Kayin oder Karen, Hauptstadt: Hpa An

Mon, Hauptstadt: Mawlamyine

Dieses seltsame Konstrukt und nicht zuletzt auch die Autonomiebestrebungen der Minderheiten gründen auf dem willkürlichen Gebilde der Kolonie Britisch-Indien, das die Engländer erfunden hatten und das auch Burma mit einschloss, das ursprünglich aus unabhängigen Staaten bestand. Das Abkommen von Panglong von 1947 räumte den Minderheiten die Möglichkeit ein, die Union von Burma zu verlassen – theoretisch, denn in der Praxis ließ man sie nicht gehen. Die mögliche Sezession des Shan-Staates war sogar einer der vorgeschobenen Gründe für die Machtübernahme des Militärs, die wiederum zu jahrzehntelangen Guerilla-Kriegen führte.

Mit dem Argument, nur eine starke Zentralregierung könne das Land befrieden, unterdrückte die Militärregierung in Rangun die Minderheiten viele Jahre mit äußerster Härte und Brutalität, was ein Grund für die Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze ist. Jetzt, da mit den meisten Rebellenarmeen Waffenstillstandsabkommen geschlossen wurden, sollen die Lager, in denen immer noch etwa 150 000 Menschen leben, die meisten Karen und Mon, aufgelöst werden und ihre Bewohner nach Myanmar zurückkehren. Derweil verschlechtert sich die Situation in den Lagern, da internationale Hilfsorganisationen die Unterstützung der Lagerbewohner zugunsten von Projekten in Myanmar einstellen. Das hat unter anderem zur Folge, dass viele junge Flüchtlinge ihre Schul- oder Berufsausbildung in Thailand nicht abschließen können.

Lange wurde befürchtet, dass die erneute Eskalation eines alten Konflikts zwischen der Mehrheit der buddhistischen Rakhine und der Minderheit der muslimischen Rohingya im Rakhine-Staat im Jahr 2012 den Hardlinern im Militär Argumente liefern könnte, eine weitere Demokratisierung des Landes zu verhindern, doch auch die Zivilregierung fährt gegen die Muslime im Norden eine harte Linie.

Die Rohingya selbst behaupten, sie lebten schon immer im Land, für die buddhistische Mehrheitsbevölkerung dagegen sind sie illegale Einwanderer aus Bangladesch. Nachdem Ende Mai 2012 drei Muslime eine Buddhistin vergewaltigt und getötet hatten, nahm ein buddhistischer Mob Rache und lynchte zehn Muslime. Daraufhin brach eine beispiellose Welle der Gewalt auf beiden Seiten los. Den »bengalischen Muslimen« wird fast unisono die Schuld an den blutigen Auseinandersetzungen zugeschoben. Myanmars Regierung würde sie am liebsten des Landes verweisen, wenn sich ein Land fände, das sie aufnehmen würde, aber auch Bangladesch oder andere muslimische Länder wie Malaysia und Indonesien wollen die Rohingya nicht.

Anführer der Anti-Muslim-Bewegung Ma Ba Tha ist der Mönch Wirathu, der immer wieder mit aggressiver Rhetorik gegen den Islam auftritt. Die Mönche fordern ein Heiratsverbot zwischen Muslimen und Buddhisten und eine Beschränkung der Familiengröße. Auch die allseits verehrte Aung San Suu Kyi vermeidet es geflissentlich, das böse R-Wort in den Mund zu nehmen und den Konflikt zu kommentieren, der den liberalen Kräften ausgesprochen ungelegen kommt. Zu sensibel ist die politische Situation, und religiös motivierte Gewalt passt nicht ins Bild des neuen Myanmars. International hat ihr Schweigen der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi viel Kritik eingetragen.

Auch dass die Taliban und indonesische Islamisten schon mit Dschihad drohten, kann Myanmar nicht gebrauchen. Schließlich ist die Küste des Rakhine-Staates wegen ihrer Strände bei den Touristen äußerst beliebt. Wie im benachbarten Thailand, das an der südlichen Grenze zu Malaysia ebenfalls unter Problemen mit der muslimischen Minderheit leidet, kann nicht sein, was nicht sein darf. Im Moment sieht es so aus, als ob Myanmar auf eine ähnliche Strategie setzt wie die Thais. Eine starke Militärpräsenz in den betroffenen Gebieten soll weitere Unruhen verhindern, und solange keine Touristen zu Schaden kommen, wird das Problem totgeschwiegen. Nachdem der Rakhine-Staat längere Zeit für...

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