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Reise um die Welt 1594

Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz

AutorFrancesco Carletti
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783843805469
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Im Jahr 1594 segelt Francesco Carletti im Alter von 21 Jahren mit seinem Vater zu den Kapverdischen Inseln um dort Sklaven zu kaufen. Seine Reise führt ihn weiter nach Kolumbien, Peru, Mexiko, zu den Philippinen, nach Japan und China. In Macao stirbt sein Vater, bei St. Helena gerät Carletti in die Fänge von holländischen Piraten und verbringt gezwungenermaßen drei Jahre erfolglos für sein Eigentum prozessierend in Middleburg. 1606 kehrt er nahezu mittellos nach Florenz zurück, wo er dem erlebnishungrigen Großherzog Ferdinand de Medici von seiner Reise berichtet - von den Festtagstänzen der Indios in Lima, den sexuellen Bräuchen der Bisaios auf Luzon und dem Hurrikan auf Macao. Der für alle Eindrücke aufgeschlossene Welt- und Menschenbeobachter Carletti berichtet von exotischen Begebenheiten, verschließt seine Augen aber auch nicht vor der harten Realität und wird beim Sklavenhandel vom eigenen Gewissen geplagt.

Francesco Carletti, (1573-1636), war ein Kaufmann aus Florenz, der 1594 mit seinem Vater zu den Kapverdischen Inseln segelte um dort Sklaven zu kaufen. Im Laufe seiner Reise um die Welt entdeckte er beim Sklavenhandel sein Gewissen, verlor seinen Vater und seine Waren. 1606 kehrte er mittellos nach Florenz zurück, berichtete dem Großherzog von seiner Reise und verfasste diesen einzigartigen Bericht.

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Leseprobe

ERSTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN


Schildert die Abreise von Florenz nach Spanien und von dort nach den Kapverdischen Inseln, sowie einige frühere Begebenheiten.

Ich habe, Durchlauchtigster Fürst, zugleich mit meiner ganzen Habe auch alle Schriften und Notizen verloren, in denen ich die von mir durchgeführte Reise um die Welt beschrieben hatte. Das ist der Grund dafür, dass ich Eurer Hoheit nicht mit der gleichen eingehenden Genauigkeit über jede Einzelheit berichten kann, die ich in den von mir erwähnten Aufzeichnungen beobachtet und festgelegt hatte. Ich kann also nur das berichten, was mir – trotz dem mir widerfahrenen Unheil – im Gedächtnis geblieben ist. Das aber werde ich jetzt nach bestem Wissen nochmals überdenken und mir dabei nur jene Dinge in Erinnerung rufen, die ich auf meinen Reisen getan und gesehen habe, ebenso wie alles, was mir widerfahren ist, bis ich in die Stadt Florenz zurückkehrte, wo ich mich heute, am 12. Juli 1606, bei Eurer Durchlauchtigster Hoheit befinde.

Zunächst möchte ich, Durchlauchtigste Hoheit, damit beginnen, dass ich am 20. Mai des Jahres nach unserer Erlösung 1591 – ich war damals achtzehn Jahre alt – die Stadt Florenz verließ, um mich nach Spanien zu begeben. Das geschah in Begleitung und im Dienste von Nicolò Parenti, eines Florentiner Kaufmanns. Wir gingen in Livorno an Bord einer Galeone des Pietro Paolo Vassallo aus Genua. Nach zwanzigtägiger günstiger Seefahrt kamen wir in Alicante an, von wo aus wir auf dem Landweg nach Sevilla fuhren. In dieser in der Provinz Andalusien gelegenen Stadt wollte Parenti sich niederlassen, während ich – auf Anordnung meines Vaters – in seinen Diensten stand, um bei ihm den Kaufmannsberuf zu erlernen. Ich blieb in Sevilla, bis 1593 mein Vater, Antonio Carletti, von Florenz her ebenfalls dort eintraf. Nach gründlicher Überlegung beschloss er, mich nach Cabo Verde zu schicken, das heißt nach den Kapverdischen Inseln, die man sonst auch die Hesperiden nennt. Auf den Inseln sollte ich schwarze Sklaven kaufen, diese dann nach Westindien bringen und sie dort wieder verkaufen.

Nachdem ich alles, was für eine solche Reise und ein solches Geschäft erforderlich ist, geregelt hatte und gerade die Ausreise antreten wollte, entstanden derartige Schwierigkeiten, dass sich mein Vater entschloss, gleichfalls an der Fahrt teilzunehmen. Denn eigentlich war es ja seine Absicht gewesen, dass ich allein fahren sollte.

Solche Reisen und die Schifffahrt nach Indien dürfen nämlich nur von Angehörigen der spanischen Nation durchgeführt werden. Wir – als Italiener und Ausländer – liefen Gefahr, unser ganzes Hab und Gut, das wir in ein solches Geschäft steckten, zu verlieren, wenn es jemals bekannt werden sollte, dass die Ware unser Eigentum war. Um diese Hindernisse zu beseitigen, ordnete mein Vater an, dass alles im Namen einer dritten Person abgewickelt werden sollte. Diese dritte Person war die Ehefrau des Cesare Baroncini, Pisanerin von Herkunft, aber in Sevilla verheiratet. Sie gab mir Prokura und die Vollmacht, dieses Geschäft als ihr Agent durchzuführen. Insgeheim wurden andere Papiere ausgestellt, die den wahren Sachverhalt klarlegten.

Zur Durchführung unserer Reise mieteten wir ein kleines Schiff von etwas mehr als 400 Tonnen, das uns völlig zur Verfügung stand. Nachdem wir durch die in Sevilla ansässige Vertragsfirma für Westindien die Segelanweisung erhalten hatten, begab ich mich, unter Wahrung aller Förmlichkeiten, mit meinem Vater an Bord. Er aber musste das heimlich tun, weil er keine Lizenz für die Überfahrt nach Indien hatte. Ich selbst ließ mich anheuern und in die Mannschaftsliste eintragen.

Nachdem dann am 8. Januar des Jahres 1594 Beamte des Königs die auf dem Schiff befindlichen Personen überprüft hatten, liefen wir aus dem Hafen Sanlucar de Barrameda aus. Dieser Hafen ist an der Mündung des Betis-Flusses gelegen, der im Allgemeinen Guadalquivir genannt wird. Der Name bedeutet in maurischer Sprache »Großer Fluss«. Nachdem wir die Segel gesetzt hatten, nahmen wir – allein und ohne Geleitschutz – Kurs auf die Kapverdischen Inseln.

Nach neunzehntägiger Seefahrt kamen zunächst die »Glücklichen Inseln« in Sicht, die man auch die Canarias nennt. Es sind sieben Inseln, die folgende Namen tragen: Lanzarote, Fuerteventura, La Gomera, Ferro, La Gran Canaria, Teneriffa und La Palma. Sie alle haben eine spanische Bevölkerung und befinden sich auch in spanischem Besitz. Auf den Inseln baut man sehr viel Wein an, und außerdem betreibt man dort viel Viehzucht.

Vor dem afrikanischen Festland hatten wir uns, auf der Höhe des Kap Bianco, etwa vier Stunden lang aufgehalten und in einer Tiefe von sechs bis sieben Ellen sehr große und gute Fische von rosa Farbe gefangen, die von den Spaniern pagros (Meerbrassen – d. Übers.) genannt werden. Dann setzten wir unsere Fahrt fort und erreichten die Kapverdischen Inseln, wo wir in den Hafen der Insel São Thiago einliefen. Von den größeren Inseln, deren es sechs gibt, kam zuerst jene mit dem Namen Sal in Sicht. Dann folgte Bõa Vista. Nahe bei São Thiago liegen die Inseln Maio, Fogo und Viana. Eine Gruppe von vier weiteren Inseln, die zwischen dem 17. und 18. Grad nördlich des Äquators gelegen sind, führen die Namen: São Antão, São Vicente, São Nicolão und Santa Luzia.

Die Insel São Thiago, auf der wir landeten, liegt 16 Grad nördlich der Äquatorlinie. Sie ist etwa 1500 Meilen von Spanien und 300 Meilen von Cabo Verde auf dem afrikanischen Festland entfernt. Auf dieser Insel gibt es eine kleine Stadt, die »Name Gottes« heißt (heutige Hauptstadt: Praia – d. Übers.). Ihr nicht sehr großer Hafen liegt im Süden der Insel. Die Stadt hat ihren Bischof, und die etwa 50 Häuser werden von verheirateten Portugiesen bewohnt. Sie haben entweder weiße Frauen aus Portugal oder schwarze aus Afrika. Andere wieder leben mit Mulattinnen, also mit Frauen, die von einem Weißen und einer Mohrin – wir sagen wohl richtiger: einer Schwarzen – abstammen. Die Portugiesen ziehen die schwarzen Frauen ihren portugiesischen vor, denn für sie ist es eine erwiesene Tatsache, dass der Umgang mit den Schwarzen viel weniger nachteilig und dabei unterhaltsamer ist. Die Portugiesen sagen, dass diese Frauen eine viel regere und gesündere Natur haben. In diesem Klima können Europäer kaum eine Stunde lang frisch und lebhaft bleiben (Im Originaltext steht statt »lebhaft«: »gesund«. Das schlechte Klima der Kapverdischen Inseln ist bekannt, trotzdem wirkt Carlettis Behauptung übertrieben. Eine unglückliche Formulierung bei der Rekonstruktion des Originaltextes? – d. Übers.). Man hat den Eindruck, dass sich portugiesische Männer und Frauen gleichsam taumelnd durch die Straßen bewegen – fast bei jedem Schritt scheinen sie zu stolpern. Dabei haben sie eine ganz blasse – richtiger gesagt: eine gelbe – Gesichtsfarbe, sodass sie eher tot als lebendig aussehen. Am schlimmsten ist es während der Regenzeit, die vier Monate hintereinander anhält. Sie beginnt Anfang Mai und dauert bis Ende August. Während dieser Zeit verlassen die Portugiesen die Stadt, um auf dem Land oder in den höher gelegenen Teilen der Insel zu leben, wo sie ihre Villen haben. Dort genießen sie die frische, kühle Luft und den Schatten der Palmen. Die Palmen tragen Früchte von der Größe eines Männerkopfes. Die Früchte nennt man dort cochos oder einfach »indische Nüsse«.

Auch die Früchte einer anderen Pflanze sind schmackhaft und erfrischend. Diese hat sehr grüne Blätter, und jedes von ihnen ist so groß, dass eine Person darunter Schatten finden kann. Die Pflanze trägt Früchte, die etwa die Länge einer Handfläche – zuweilen auch weniger – haben. Man nennt sie hier badanas. Die Früchte haben die Dicke einer Gurke und eine glatte Schale, die man so wie bei unserer einheimischen Feige abzieht. Sie sind aber größer und fester. Das Innere wird gegessen. Es hat ein süßes Aroma und ist angenehm für die Zähne – fast wie eine sehr reife Melone, aber trockener und ohne Saft. Man isst die Früchte auch geröstet oder über glühenden Kohlen bereitet, so wie Birnen, und dann gießt man etwas Weißwein darüber, was einen sehr herzhaften Geschmack gibt. Wenn diese Frucht grün ist, röstet man sie, nachdem man zuvor die Schale abgezogen hat. Während man sie roh – des bitteren Geschmacks wegen – nicht genießen kann, mundet sie nach dem Rösten so gut, dass man sie anstelle von Brot verwendet. Schließlich kann man aus dieser Frucht auch verschiedene Speisen bereiten, so wie das die Kastilier in Westindien tun, wo man die gleichen Früchte platanos nennt. Die Portugiesen in Ostindien nennen sie figos, und es gibt ihrer eine ungeheure Anzahl von Sorten – darunter so kleine, dass man sie mit einem Bissen verzehren kann.

In der Regenzeit wird sehr viel gefischt, denn es gibt in den Flüssen und Bächen mancherlei Fischarten,...

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