Aus operativer Sicht ist der klassische Marketing-Mix (Product, Price, Promotion und Place) um die drei im Dienstleistungsbereich relevanten „P’s“ (Personnel, Processes und Physical Facilities) zu erweitern. Diese sieben Instrumente nehmen aufgrund der Besonderheiten des Gesundheitsmarkts allerdings einen unterschiedlichen Stellenwert für Einrichtungen im Gesundheitswesen ein und unterliegen mehr oder weniger gesetzlichen Bestimmungen.
Der Großteil leistungspolitischer Maßnahmen ist stark reglementiert. Für das Angebot und die Gestaltung von Kernleistungen, die von der privaten Krankenversicherung abgedeckt werden, liegen gesetzliche Bestimmungen vor, sodass hier der Spielraum für Marketingmaßnahmen begrenzt ist. Im Bereich der Zusatzleistungen, also Leistungen, die nicht zum Spektrum der privaten Krankenversicherung zählen und vom Patienten selbst zu tragen sind, eröffnen sich dagegen vielfältige Möglichkeiten. Vor allem prophylaktische Leistungen, d. h. Beratungsleistungen und für den Erhalt der Gesundheit erforderliche Maßnahmen (z. B. Stressbewältigungstherapien oder Ernährungsberatungen), bieten Ansätze, um sich Vorteile gegenüber dem Wettbewerb zu verschaffen.[64]
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer steigenden Gesundheitsorientierung in der Bevölkerung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich durch das Angebot besonderer Serviceleistungen von der Konkurrenz abzugrenzen.
Die Art der Behandlungsleistungen ist von zentraler Bedeutung für die Stellung des Gesundheitsunternehmens im Marktumfeld. Daher sollte das Leistungsangebot möglichst attraktiv und zweckmäßig für die Kunden aufgebaut sein.[65]
Um eine Marktstellung zu sichern, ist es notwendig, Leistungsangebote stetig zu untersuchen und zu bearbeiten. Um sich gegenüber anderen Marktteilnehmern auf dem Heilpraktikermarkt abzugrenzen, ist die Produktinnovation eine Möglichkeit. Neue Leistungsangebote werden häufig eingeführt, weil es Patienten wünschen, neue Entwicklungen eintreten oder neue Studien vorliegen.
Leistungsinnovationen können auf dem Markt erstmals verfügbar sein oder lediglich für die Praxis ein neues Angebot darstellen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Praxis diese Leistung im Gegensatz zu anderen Unternehmen bislang nicht im Angebot hatte. Dann besteht die Möglichkeit einer Abschöpfungspreisstrategie, zugleich aber auch ein Risiko aufgrund der gegebenen Ungewissheit über die weitere Entwicklung des entsprechenden Patientenmarktes.[66]
Das Risiko lässt sich durch einen zeitlich verzögerten Markteintritt begrenzen. Damit verbunden gibt es die Möglichkeit, Marktnischen zu besetzen, Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zu reduzieren oder Anfangsfehler zu vermeiden. Typische Leistungsinnovationen sind neue Therapiemethoden oder neben schulmedizinischen Methoden neu eingeführte Naturheilverfahren. Häufig werden auch Leistungen ergänzt, die über die eigentliche Tätigkeit des Heilberufes hinausgehen, so beispielsweise mit Applikationen oder das Angebot von CD´s.
Als weitere Option auf dem sich verändernden Markt steht die Leistungsvariation als alternative Reaktionsmöglichkeit der Produktpolitik zur Verfügung. Variationen können erfolgen, indem das bisherige Leistungsangebot durch zusätzliche Patientenserviceleistungen ergänzt- oder vorhandene Leistungen verändert werden.[67] Ein beispielhaftes Modell für die Leistungsvariation sind Kombinationsangebote von klassischen Therapien mit alternativen Therapieformen (Hypnosetherapie).[68]
Eine weitere Form der Leistungsvariation und Ergänzung bestehender Leistungsangebote um neue Varianten stellt auch die Leistungsdifferenzierung dar. Sie wird genutzt, um unterschiedliche Bedürfnisse einzelner Patientengruppen gezielter abzudecken. Deren Ziel ist es, die Kunden stärker an die Praxis zu binden und die Zielgruppe stetig zu erweitern. Bei einer Leistungsdifferenzierung werden beispielsweise neben standardmäßigen Behandlungsleistungen meist auch spezielle Sonderleistungen angeboten. Differenzierte Leistungspaletten stellen mit Bezug auf ein bisheriges Leistungsspektrum die Einführung neuer Leistungen auf neuen Märkten dar.[69]
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Abbildung 22: Leistungserweiterung Modellpraxis
Quelle: Eigene Darstellung
Bei der Eigenentwicklung generiert das Gesundheitsunternehmen das neue Leistungsangebot selbst, während es bei einer Übernahme Services von einem anderen Mitbewerber adaptiert oder neu einkauft. Bei einer Kooperation wird das neue Leistungsangebot mit Partnern entwickelt. Die horizontale Leistungsdiversifikation, also die Ausweitung von Serviceangeboten, ist dadurch gekennzeichnet, dass ein sachlicher Zusammenhang zum bisherigen Leistungsprogramm besteht. Bei der vertikalen Leistungsausweitung ist die Erweiterung des Angebots um Services aus vor- und nachgelagerten Prozessen gemeint.
Bei einer lateralen Diversifikation handelt es sich um, für den Gesundheitsbetrieb völlig neue, Leistungsangebote, die in keinem direkten Zusammenhang mit den bisherigen Leistungen beziehungsweise Angeboten des Unternehmens stehen.
Die Leistungseliminierung, also der Ausschluss oder die Reduzierung von bisher angebotenen Leistungen, bedeutet, dass bisherige Leistungen aus dem Angebot der Praxis nicht weiter verfügbar sind. Dabei handelt es sich üblicherweise um Leistungen mit geringen Deckungsbeiträgen, Markt- oder Umsatzanteilen, die von Patientenzielgruppen weniger nachgefragt werden.[71]
Eine Reduzierung bisheriger Leistungsangebote ist dann üblich, wenn die Nachfrage nach bestimmten Leistungen sinkt oder die Kosten für die Bereithaltung und Anschaffung von Praxisgegenständen und Materialien in keinem Verhältnis mehr zu deren Nutzungsgrad stehen.
Modeerscheinungen können zu Angebotserweiterungen, aber auch zum langfristigen Abbau von Leistungen führen. Das betrifft beispielsweise Behandlungen von Burnout oder bestimmten Abhängigkeiten. Für diese Leistungen lassen sich in Anlehnung an den bekannten Produktlebenszyklus entsprechende Vergleiche ziehen.
Daraus lässt sich auch für Therapieangebote ein Leistungszyklus mit den Phasen Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung, Degeneration und Eliminierung erstellen, bei dem Umsatz und Gewinn zunächst ansteigen und spätestens in der Sättigungsphase abnehmen.[72]
Die dienstleistungsspezifischen Merkmale beeinflussen auch die unternehmerische Preisgestaltung. Mehr noch als bei physischen Produkten stellt der Preis einer Dienstleistung aus Kundensicht ein Qualitätssignal dar. In der Dienstleistungspraxis trifft man – je nach Branche – auf unterschiedliche „Preis“-Begriffe, wie Courtage bei Maklern, Eintritt in Theatern, Gebühren bei Telefonanbietern oder Honorar bei Therapeuten.
Die Problematik bei der Entwicklung und Anwendung von Preisstrategien für Dienstleistungen liegt vor allem darin, dass es sich hierbei um schwer zu bewertende Leistungen handelt, die in ihrer Qualität durchaus Schwankungen unterworfen sein können.
Kostenrechnerisch sind es vor allem die hohen Fixkosten, welche die Preissetzung erschweren. Eine verursachungsgerechte Verteilung dieser Kosten bei schwankenden Auslastungsgraden ist häufig problematisch. Die Preissetzung wird auch durch die fehlende Standardisierbarkeit von Dienstleistungen beeinflusst. Ist der Leistungsumfang bei allen Kunden gleich, kann dieser vor der Erbringung einer Dienstleistung eingeschätzt werden, woraufhin die Preisfestlegung analog zum Konsumgüterbereich erfolgen kann.[73]
Variiert jedoch der Leistungsumfang je nach Kunde, ist das auf die verschiedenen Voraussetzungen und Bedürfnisse des Kunden zurückzuführen, diese können also den Preis der Dienstleistungen entscheidend beeinflussen.[74] Beispielsweise benötigt ein Patient mit hoher Suggestibilität weniger Therapiestunden, um den Behandlungserfolg herbeizuführen, als ein weniger suggestibler Patient. In diesen Fällen wird häufig ein Vertrag vereinbart, in dem der Preis für die Dienstleistung durch die zeitliche Beanspruchung (z. B. Kosten pro Stunde) geregelt wird.[75]
In Folge fehlender sichtbarer Leistungsmerkmale und einer im Vorfeld kaum möglichen Beurteilbarkeit der Dienstleistung kann der Preis einer solchen auch zum Indikator für Qualität werden. Relativ hohe Preise wie bei Luxushotels können dann das Vertrauen der Kunden in die Dienstleistung stärken. Hierbei ist aber sicherzustellen, dass die damit aufgebauten Erwartungen beim Kunden auch tatsächlich erfüllt werden.[76]
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