Es geht wieder gen Süden
Donnerstag,
11. November 2010
Bei Stefanie in der NightSkyLodge sind wir nach etlichen Tagen Wildnis schön bequem untergebracht. Auf der I-Site in Kaitaia haben wir bei der Rückfahrt reservieren lassen und sind über viele Kurven auf dem Twin-Coast-Highway in Kohukohu eingetroffen.
Von der Terrasse aus geht der Blick über den flachen, mit Mangroven gesäumten, Meerarm. Noch am späteren Nachmittag steigen wir auf die Anhöhe hinter dem Haus um uns einen Überblick zu verschaffen.
Freitag,
12. November 2010
In Kohukohu scheint die alte Welt erhalten: nette Holzhäuschen, an den Hang geschmiegt, von Hecken eingefasst, Blumen und Zwerge im Vorgarten; ferner sind da zwei Kneipen an der Durchgangsstraße unten an der Bucht entlang - in einer testen wir Fish and homemade Chips - auch ein Postamt und ein winziger Laden, dem ein Garagenverkauf mit Selbstbedienung Konkurrenz macht. Das abgezählte Geld wirft man einfach in den Schlitz der kleinen Kasse. Behäbige, altmodische Ruhe strahlt das Örtchen aus.
In der Gemeinschaftsküche treffen wir am Abend zwei Schwaben auf Reisen: er Abenteurer zur See, sie die etwas abenteuermüde Ehefrau. Mit dem Segelboot haben sie die halbe Welt umrundet und dabei kritische Situationen aber auch viele öde Stunden mit Himmel, Wasser und Einsamkeit bestanden, allerdings auch Südseestrand und Hula Hoop. Mit dem Flugzeug reisen sie heim. Er aber will auf alle Fälle sein bis dahin generalüberholtes Boot nach Hause führen, sobald die Zyklonensaison überstanden ist. Ob seine Frau das noch mitmacht?
Samstag,
13. November 2010
Am Parkplatz auf der Passhöhe, wo die A1 sich in vielen Kurven wieder nach unten Richtung Kaitaia windet, zweigt sehr versteckt hinter Leitplanken und vermülltem Straßenrand ein Urwaldpfad ab nach Westen. Laut Karte soll er uns auf den höchsten Punkt der Umgebung führen. Gerade noch erkennbar, wandelt sich der Weg in eine rumpelige, oft beinahe zugewachsene steinige und schmierige Trittspur. Drei, viermal stoßen wir auf schon halb verweste, stinkende, Possumkadaver. Nach zwei Stunden weitet sich der Pfad oben zu einer winzigen Lichtung. Drei verschlissene Rucksäcke stehen hier, von tausenden Schmeißfliegen umschwärmt. Kein lebender Mensch weit und breit. Uns ist nicht ganz geheuer ... Besser, wir geben Fersengeld!
Stefanie verständigt die Polizei.
Sonntag,
14. November 2010
Vor Jahrhunderten, bedeckte dichter Urwald das ganze Land. Mächtige Baumriesen schützten mit ihren lichten Kronen die darunter sprießende Vegetation. Viel ist von diesen Giganten über die Jahre nicht übrig geblieben. Die bescheidenen Rodungen der ersten Maori-Siedler aus der Südsee konnten den Bestand nicht nachhaltig schädigen. Das Eintreffen der Europäer aber läutete deren Ende ein. Kaum vorstellbar, aber in wenigen Jahrzehnten blieb von den Kauris, außer ein paar Relikten, nichts mehr übrig. Besinnungslose Geldgier zusammen mit immensem Holzbedarf für den Siedlungs- und den Schiffsbau ließen Gedanken an nachhaltige Forstwirtschaft nicht aufkommen.
Jetzt ist man sich in NZ langsam bewusst, welcher Schaden angerichtet wurde und versucht, in ganz begrenztem Umfang wieder einige Kauris anzupflanzen. Zur Erinnerung und Mahnung wurde ein Museum erbaut, gleichzeitig ein Ort für die Geschichte der Landnahme und Besiedlung.
Im Waipoua Forest lassen sich ohne Mühe auf kurzen, gut eingeebneten Wegen, leicht auch mit edleren Stadtschuhen, ein paar der übriggelassenen Waldriesen bestaunen: ein mächtiger Stamm mit graubrauner, abblätternder Rinde, leicht über 20 Meter Umfang, überragt alles mit einem kleinblättrig belaubten auf wuchtigen Ästen thronenden Baldachin.
Die Nacht auf dem nahegelegenen, feuchten und düsteren Camp bleibt nicht nur wegen ihres Moskitobesatzes in Erinnerung. Elisabeth meint, in der Abenddämmerung einen Kiwi durchs Unterholz huschen gesehen zu haben!
Montag,
15. November 2010
Abseits vom üblichen Touristenpfad, über Schotterstraßen erreicht man das Traunson Kauri Reserve. Kein Mensch ist dort am frühen Morgen. Die Stille und das heller werdende Licht verstärken den tiefen Eindruck, den dieser Kauriwald hinterlässt. Wunderbar! So also hat es hier früher ausgesehen.
Der Hiace bringt uns nach Matakohe, wo sich das erwähnte Kauri Museum befindet. Nach einer Stippvisite am Abend wollen wir uns morgen für die Besichtigung Zeit nehmen.
Dienstag,
16. November 2010
Die Siedlungsgeschichte ist für die Kauris eine ganz besonders traurige, für die Siedler eine Zeit ungeheurer Herausforderungen: So gewaltige Bäume in oft unwegsamem Gelände zu fällen, mit größten Transportproblemen herauszuschaffen und schließlich in Sägemühlen zu zerkleinern, nötigt dem Betrachter, trotz Distanz zur Tat, auch aus heutiger Sicht Bewunderung ab. Die Geschichte der Besiedlung ist jung, die Fotografie bereits erfunden. Auf Schwarz-Weiß sieht man die Männer an der Zweihandsäge, mit Winden und Ochsengespannen hantieren, die Frauen an der Gulaschkanone, ihre Kinder um sie herum.
Möbel, Wandtäfer, Dachstühle, Butterfässer, Schiffsrümpfe, all dies wurde aus Kauriholz produziert, und das ist nur eine kleine Auswahl. Inzwischen steht der Baum unter strengem Naturschutz. Nur Holz von Moorkauris, Bäumen, die manchmal in Sümpfen oder unter Sanddünen vergraben, aufgespürt werden, darf man noch verarbeiten.
Auf der Galerie findet sich eine besondere Vitrinenwand. Flaschen ganz unterschiedlicher Form und Größe aus blauem, weißem und grünem Glas sind dort aufgereiht, aber alle haben denselben Ursprung.
Es sind Strandgutflaschen, die Hilda McCarroll, inzwischen 100 Jahre alt, im Lauf ihres Lebens an allen möglichen Stränden ausgebuddelt und gesammelt hat. Jede einzelne Flasche erzählt eine Geschichte.
Mittwoch,
17. November 2010
Es ist Frühsommer, trocken an der Ostküste. Der Sonne ausgesetzte Wiesenflächen im Tawharanui Camp, von wo wir vor fünf Wochen zur Nordlandfahrt aufgebrochen waren, sind ganz hellgelb ausgedörrt. Am Eingang begrüßte uns gestern Abend der Ranger gleich mit Namen, wie alte Bekannte eben. Wir fühlen uns als Heimkehrer.
Wir erweisen den Muscheln am Strand, den Seevögeln, den Schafen oben auf den grünen Hügeln unsere Reverenz, und das Wappentier, den kurzsichtigen, fluglahmen, hässlichen Nachtvogel, den Kiwi, der dem Neuseeländer seinen Namen geliehen hat, den wollen wir diesmal wenn nicht sehen, so doch wenigstens hören. Der Ranger, der selbst auch noch keinen gesehen hat, imitiert für uns sein schnarrendes Pfeifen, wir wissen also Bescheid.
Die erste Dämmerung ist die richtige Zeit zum Aufbruch in den Wald. Und da, wir trauen unseren Augen nicht, wie wir so im fahlen Licht des halben Mondes über einen Grasweg schleichen, tapsen doch tatsächlich zwei junge Kiwis die heckenbewachsene Böschung herab, sichern, wittern wohl die vermeintliche Gefahr und verschwinden wieder in den Sträuchern. Was sind wir stolze Birdwatcher!
Obendrein entbietet uns auf dem Heimweg am Waldrand über Farmland auch noch einer dieser flugunfähigen Laufvögel seinen rauhen Gesang. Das müssen wir dem nächsten Kiwi, der uns über den Weg läuft, erzählen. Der wird uns kaum glauben!
Donnerstag,
18. November 2010
Abschied von Tawharanui. Ob wir wohl noch einmal zurückkommen?
Wer in den Süden will, muss durch Auckland über das Nadelör Hafenbrücke.
Von größeren Staus verschont, trudeln wie am Nachmittag in Raglan ein und beziehen Quartier auf einem an gestalterischer Phantasielosigkeit schwerlich zu überbietenden Platz. Im Ort macht es sich Elisabeth auf dem Friseursessel bequem, ich gehe zu Blacksmith, Klebeband kaufen, denn es gibt immer was zu tun.
Freitag,
19. November 2010
Weder Ortschaft noch Campingplatz haben uns hierher gelockt, vielmehr eine Tour auf den am Meer gelegenen Mount Karioi, deren Startpunkt über eine kurvenreichen Schotterpiste erreichbar ist. Zu Fuß unterwegs auf dem steilen Pfad über Wiesenhänge und durch Wald, immer der Bergschulter entlang, überholt uns konditionsstark eine Damengruppe. Nach der nächsten Biegung kommt den etwas schwerer Schnaufenden eine kleine Pause sehr zupass, uns allerdings auch, denn man packt eine große Dose erntefrischer Erdbeeren aus und lässt uns gerne an dem Segen teilhaben. Klimatisch auf südeuropäische Verhältnisse umgebrochen, ist ja Mai, also beginnende Erdbeerzeit. Das werde ich beim nächsten Einkauf berücksichtigen!
Samstag,
20. November 2010
Uns beschleicht beim Betreten der I-Site in Taupo am gleichnamigen See sofort das unangenehme Gefühl: Hier bist du fehl am Platz! Hektik, lange Schlangen, Massenabfertigung. Alles sei voll, auch die Campingplätze. Die Saison beginne, dazu nahe ein Weekend-Event.
Eine Option sei noch die Reids Farm, Geheimtip vom Lonely Planet, sogar kostenlos. Bei Sonne mag der an sich schön am Fluss gelegene Platz ganz hübsch sein, bei Regen nein! Freedom Camping, so verkündet in alternativen Reiseführern, sei in Neuseeland kein Problem, das mag einmal so gewesen sein, dass heute „fully selfcontained“ verlangt ist, wird geflissentlich...