Unterwegs
Generell ist das Reisen in Thailand kinderleicht und bestens organisiert. Es gibt Flüge, Busse, Sammeltaxis, Taxis und Mopeds, Boote, Flöße, Kutschen und sogar Sänften, die einen in die entlegensten Winkel des Landes transportieren. Selbst wenn man von einem Pick-up mitten auf einer Dschungellichtung abgesetzt wird, kann man sicher sein, dass man zur vereinbarten Zeit von irgendeinem Gefährt abgeholt wird – und sei es ein Ochsenkarren. Und nichts bringt einem so viele Bekanntschaften ein wie ein Zugticket zweiter Klasse ohne Aircondition. Nur die Tuktuks in Bangkok sollte man tunlichst meiden.
Übrigens ist das Reisen auch für allein reisende Frauen angenehm unkompliziert. Ein Ehering oder eine Ehering-Attrappe macht eine Frau für einen thailändischen Mann unantastbar. Da Europäerinnen und Amerikanerinnen gern mit der Idee von freiem Sex verbunden werden, kann ein sittsames Auftreten dennoch nicht schaden, obwohl viele thailändische Männer gegenüber Europäerinnen ohnehin eher schüchtern agieren. In der thailändischen Gesellschaft wird die Rolle, welche die Frau zu spielen hat, durch ein Sprichwort verdeutlicht: »Stehe vorher auf, gehe später zu Bett.«
Mit anderen Worten: Frauen erledigen einen Großteil der Arbeit, was ihnen ein gesundes Selbstbewusstsein verleiht. Auch wenn Frauen in den Großstädten und vor dem Gesetz heute gleichberechtigt agieren, ist die Gesellschaft patriarchalisch geprägt. Die Faulheit der Männer, auf die sie einen natürlichen Anspruch zu haben glauben, geht manchmal bis zur Unsichtbarkeit, dafür haben die Frauen häufig zu Hause die Hosen an. Im Umgang mit Fremden sind sie oft flexibler als Männer. Wenn ich mir aussuchen darf, ob ich etwas von einem Mann oder einer Frau erledigen lasse, ziehe ich die Frau vor. Thailändische Frauen sind meist sorgfältiger und motivierter, da sie sich nicht einfach auf ihre Stellung als Mann verlassen.
Wer das erste Mal nach Thailand kommt, hat meist einen zehn- bis zwölfstündigen Flug in unbequemer Haltung hinter sich, leidet unter der Zeitverschiebung und sehnt sich nach einer Dusche. Ein Schwall feuchtwarmer Luft trifft ihn bei Verlassen des Flugzeugs, ein kurzer Vorgeschmack auf einen Urlaub in den Tropen, dann ist es wieder kalt, sehr kalt sogar. Wie alle öffentlichen Gebäude ist auch der Flughafen auf Pullitemperatur heruntergekühlt. Leicht benommen möchte man sich fallen lassen in eine Welt aus Traumstränden, Spas und goldenen Buddhas, doch zwischen dem Abstempeln der Einreisekarte und dem Hotelzimmer liegt eine weitere, mehr oder weniger beschwerliche Reise ins Zentrum von Bangkok. Bereits bei den ersten Schritten ins Land kann man jede Menge falsch machen – dabei ist doch eigentlich alles ganz einfach.
Wer nicht zu den privilegierten Gästen jener Luxushotels gehört, die ihre Gäste mit hauseigenen Limousinen und livrierten Fahrern abholen lassen, die sich um das Gepäck kümmern und den Check-in bereits auf der Fahrt in die Stadt abwickeln, sieht sich nach dem Zoll von einem Heer privater Taxifahrer und Limousinenvermieter umringt. Der erste Impuls des gestressten Reisenden ist, einem von ihnen die Taschen in die Hand zu drücken und sich zu entspannen, doch dieser Impuls ist falsch und kann teuer werden.
Vor meinem ersten Besuch in Thailand hatten mich landeskundige Freunde mit ihren Warnungen vor überteuerten Limousinen und kriminellen Taxifahrern so weit verunsichert, dass ich mich stattdessen für die billigste aller Varianten entschied, den öffentlichen Bus ohne Aircondition. Zweifellos ist auch das eine Möglichkeit, nach Bangkok zu kommen, aber vermutlich die nervenaufreibendste. Deshalb wird sie fast ausschließlich von Locals genutzt oder von Touristen, die entweder krankhaft geizig sind oder es mit dem Wunsch, es der heimischen Bevölkerung gleichzutun, etwas zu genau nehmen. Dieser Wunsch nach vermeintlicher Authentizität, dieses »Wenn die Einheimischen das machen, ist es auch gut für mich«, ist ohnehin eine Sackgasse, die das Reisen nicht nur beschwerlich machen kann, sondern einen auch in den Augen dieser Einheimischen etwas verrückt wirken lässt. Schließlich haben die Touristen ja sonst für alles Geld. Warum nehmen sie dann freiwillig etwas in Kauf, worauf die Einheimischen gern verzichten würden? Aber zurück zu den Bussen: Diese hochrädrigen Ungetüme, die ohne jede Stoßdämpfer auszukommen scheinen und pechschwarze Rußwolken ausstoßen, brettern durch die Straßen, als gelte es, eine Rallye zu gewinnen, wenn sie nicht gerade im Stau feststecken. Gewiss haben sie einen altmodischen Charme, und es kann Spaß machen, damit durch die Stadt zu fahren, diesen Reiz zu entdecken empfehle ich jedoch nur fortgeschrittenen Thailand-Reisenden.
Ich hievte also meine Tasche in einen solchen Bus und ergatterte einen Stehplatz zwischen palavernden Hausfrauen, die scheinbar einen kompletten Umzug mithilfe jener karierten Gewebeplastiktüten organisierten, ohne die in Asien gar nichts geht, und einem Mann, der mehrere Putzeimer in Neonfarben nebst Schrubbern mit sich führte. Der Bus war voll, und in jeder Kurve fürchtete ich, einen Schrubberstiel ins Auge zu bekommen. Alle Fahrgäste starrten mich an, da ich der einzige Ausländer war, und ich starrte hilflos in das Gesicht der Schaffnerin, die auf mich einredete und hektisch mit einer Blechdose klapperte, in der sie die Rolle mit den Fahrscheinen aufbewahrte. Ich vermutete, dass sie mein Fahrtziel wissen wollte, und murmelte irgendwas von Bangkok City Center, was sie offenbar nicht verstand. Ich beendete die für uns beide peinliche Situation damit, dass ich ihr einen 100-Baht-Schein in die Hand drückte und dafür ein Ticket erhielt. Akribisch zählte ich das Wechselgeld nach und rechnete. Mit zwölf Baht, umgerechnet also 25 Cent, konnte ich, zumindest finanziell gesehen, nicht viel falsch machen.
Sonst dafür umso mehr. Die anschließende Odyssee führte mich durch gesichtslose und hässliche Vororte Bangkoks, vorbei an riesigen Baustellen, Wellblechhütten und Straßenzügen mit maroder Bausubstanz, bis der Fahrer mir schließlich bedeutete, wir seien an der Endstation angekommen. Die Straße war vielspurig; am Straßenrand standen ein paar Garküchen. Darüber spannte sich ein Highway, es war unerträglich heiß und stickig. Am liebsten wäre ich im Bus sitzen geblieben. Schließlich hatte ich keinen Schimmer, wo ich mich befand. Ich vermute mal, es war irgendwo am oberen Ende der Sukhumvit Road, wo sich der Busbahnhof für den Osten befindet. Heute ist dieser Busbahnhof in unmittelbarer Nähe der Skytrain-Station Ekkamai und ausgesprochen gut organisiert. Hier wie auch am nördlichen Busbahnhof Mo Chit und am südlichen Sai Tai Mai verkehren die Busse oft sogar im Stundentakt. Das wusste ich damals jedoch noch nicht, und der Tuktuk-Fahrer, der plötzlich auftauchte, erschien mir wie ein rettender Engel.
Ebenso wenig ahnte ich, dass ich die kommenden Stunden in den Shops irgendwelcher Cousins und Schwäger des freundlichen Tuktuk-Fahrers verbringen würde, die rein zufällig und gerade heute wahnsinnig günstige Edelsteine und Seidenstoffe anzubieten hatten. Tuktuks, diese dreirädrigen Gefährte, die man aus allen Bangkok-Reportagen kennt, sind ein Thema für sich. Sie sehen zwar lustig aus, sind es aber nicht. Schon die Sitzhöhe und das Dach sind so ungünstig, dass man als normal großer Europäer eigentlich nur den Straßenbelag sieht. Natürlich muss man einmal damit fahren, so wie man sich, wenn man in St. Petersburg ist, das Bernsteinzimmer oder in Berlin die Mauerreste ansehen muss. Tuktuks sind laut, sie stinken, und man ist den Abgasen ungeschützt ausgesetzt. Eine Viertelstunde im Tuktuk bringt einen an den Rand der Kohlenmonoxyd-Vergiftung, da sie im Stau (und Stau ist eigentlich immer) meist genau ein paar Zentimeter hinter dem Auspuff eines Lkw zum Stehen kommen. Zudem verhandelt man so lange um den Fahrpreis, bis man entnervt aufgibt und meist genauso viel bezahlt wie für das klimatisierte Taxi.
Aber es geht auch anders! Gehen wir zurück auf Anfang, zurück in die Halle des zumindest unter designerischem Aspekt (Einheimische verfluchen die endlosen Wege) sehr gelungenen neuen Flughafens Suvarnabhumi, zurück zur Situation direkt nach dem Zoll: Folgen Sie hier, ohne sich von Limousinen-Services und privaten Taxifahrern ablenken zu lassen, einfach dem Wegweiser »Public Taxi«. Ich weiß, das fällt schwer nach dem langen Flug und bei all den ungewollten Helfern, aber schon nach wenigen Minuten steht man vor einem Schalter, an dem des Englischen kundige Mitarbeiter das Fahrtziel auf Thai notieren und einen in die Obhut eines zuverlässigen Taxifahrers übergeben, der einen genau dahin bringt, wo man auch hinwill. Dieser Service kostet umgerechnet etwa einen Euro. Den sogenannten Insider-Tipp, dass man die Taxis lieber auf der Abflugsebene nehmen solle, weil sie da viel billiger seien, kann man getrost vergessen. Meistens bringt das nichts als Ärger und unnötige Diskussionen über den Fahrpreis.
Das Einzige, worauf man jetzt noch achten muss, ist, dass der Fahrer tatsächlich das Taxameter einschaltet und den Highway in die Stadt nimmt. Der kostet zwar ein paar Baht extra, und der Fahrer wird es automatisch vorschlagen, aber zumindest theoretisch gibt es auch die Möglichkeit, eine gebührenfreie Straße zu nehmen. Wären wir beim Monopoly, entspräche das der Ereigniskarte »Gehe nicht über Los. Ziehe keine 4000 Baht ein«, sprich, man quält sich unberechenbar und stundenlang durch den Verkehr. Mit dem Highway hingegen kann man die Fahrtzeit vom Flughafen in die Innenstadt ziemlich genau auf eine halbe Stunde kalkulieren – und das für umgerechnet acht Euro. Jetzt kann man sich in die Polster sinken lassen und die Fahrt...