Springer-Journal Behavioral Ecology and SociobiologyWenn die Eule kommt, verstummt die Drossel

Neue Studie: Hören Drosseln eine Eule, ändern sie ihren Gesang in der Dämmerung, damit sie nicht zur Beute werden

Wenn in der Abenddämmerung die Eule schreit, wird man in der Nähe kaum den flötengleichen Gesang der Drossel hören. Die nordamerikanische Drossel, auch „Veery“ genannt, stellt ihren Gesang weitgehend ein, wenn sie den Schrei einer Eule wahrnimmt. Auf diese Weise versucht sie sich davor zu schützen, nicht zur nächsten Mahlzeit der Eule zu werden.

Eine Studie von Kenneth Schmidt von der Texas Tech University und Kara Loeb Belinsky von der Arcadia University in den Vereinigten Staaten liefert neue Erkenntnisse darüber, wie akustische Wahrnehmungen zwischen Räuber und Beute in der Abenddämmerung das Kommunikationsverhalten der Tiere beeinflussen. Die Studie erscheint im Springer-Journal Behavioral Ecology and Sociobiology. Es ist die erste Arbeit, die mithilfe von Aufnahmen von Eulenrufen bei Sonnenuntergang untersucht, wie sich das Verhalten von Vögeln in Anwesenheit möglicher Feinde verändert.

Während der Gesangsphasen sind Singvögel generell eher Gefahren ausgesetzt. Sie sind weniger wachsam und ihr Gesang macht Räuber auf ihre Position aufmerksam. Trotz des Risikos ist Gesang in der Dämmerung üblich. Einer dieser Singvögel ist die Drossel (Catharus fuscescens), eine kleine braun-weiße Drosselart, die besonders tagsüber aktiv ist. Der englische Name „Veery“ leitet sich von ihrem typischen Ruf ab. Die Drossel ist besonders gesangsfreudig und häufig hört man den Chor ihres fröhlichen, flötenartigen Gesangs noch weit nach Sonnenuntergang. Dadurch kann sie für Räuber besonders leicht zur Beute werden.

Die Studie wurde auf dem bewaldeten Gebiet des Cary Institute of Ecosystem Studies in Millbrook, New York, durchgeführt, wo bis zu drei Paare von Streifenkäuzen leben, einer Eulenart, die Jagd auf die Drossel macht. Die Wissenschaftler spielten Aufnahmen von Eulenrufen ab und stellten fest, dass die Drosseln die Gesangsintensität daraufhin bis zu 30 Minuten lang reduzierten. Die Vögel sangen in der Dämmerung auch deutlich weniger und hörten abends viel früher auf.

„Sind in der Abenddämmerung Eulen in der Nähe, wird das Singen deutlich riskanter“, erklärt Schmidt. „Nehmen die Drosseln Eulen allerdings akustisch wahr, lässt sich das Risiko durch verändertes Singverhalten reduzieren.“

Das morgendliche Singverhalten ist laut Schmidt weit besser erforscht als das abendliche: „Weitere Untersuchungen zum Gesang in der Abenddämmerung können Aufschluss darüber geben, inwieweit die Gefahr durch Räuber zur Entwicklung des abendlichen Singverhaltens beigetragen hat“, erläutert Schmidt.

Quelle:
Schmidt, K.A., Belinsky, K.L. (2013) Voices in the dark: predation risk by owls influence dusk singing in a diurnal passerine, Behavioral Ecology and Sociobiology. DOI 10.1007/s00265-013-1593-7

Der vollständige Artikel und Audioclips sind für Journalisten auf Anfrage verfügbar.
Kontakt: Joan Robinson, Springer, Tel. +49 6221 487 8130, joan.robinson@springer.com