Empört Euch!
So lautet der Titel eines Buches, in dem der Autor Stéphane Hessel zum Widerstand aufruft gegen die Ungerechtigkeiten und Verschleierungen in unserer Gesellschaft.
(ullstein-verlag ISBN 978-3-550-08883-4)
Mit Begeisterung habe ich das kleine Buch von Stéphane Hessel gelesen!
Weil auch ich mich immer wieder auf’s Neue dafür einsetzen will, Fragen zu stellen und Forderungen auszusprechen. Mir geht es dabei um den sensiblen Bereich der Bestattung, hier insbesondere um die Urnenbeisetzung.
Seit 2004 engagiere ich mich auf dem Spezialgebiet der ökologischen Urnengestaltung. Immer wieder weise ich darauf hin, dass nach wie vor unverrottbare Urnen den Menschen verkauft werden. Diese sind nach Ablauf der Gräber fast unversehrt und werden dann wieder ausgegraben und entsorgt! (siehe Foto oben: Aschenkapsel befüllt mit der Asche und die so genannte Schmuckurne). War und ist das so gewollt?
Neues schaffen im Sinne der Menschen… so bin ich einst angetreten, wohl wissend, dass die Veränderungen auch bedeuten würden, Widerspruch leisten zu müssen.
Die von mir geschaffene Bestattungsurne das frEI ist das Symbol für unser Kommen und Gehen. In meiner naiven Vorstellung als Urnenmacherin dachte ich damals wohl, die Welt hätte darauf gewartet, einen Urnenkörper zu bekommen, der die Erde nicht belastet, weil er biologisch abbaubar ist und keine zusätzliche Aschenkapsel braucht. Die Friedhofver-waltungen würden jubeln, weil es nicht mehr notwendig wäre, Urnen nach 15 oder 20 Jahren wieder auszubuddeln und irgendwo zu entsorgen.
Erst allmählich begriff ich, auf was ich mich da eingelassen hatte. Kaum jemand jubelte. Aus der Bestattungsbranche nur wenige sehr zögerlich, niemand aus den Friedhofverwaltungen und Kommunen.
Irgendwie wirkte es eher, als hätten sie Angst, man würde ihnen die Förmchen stehlen. Irritation, Belächeltwerden und Ablehnung strömten mir entgegen.
Nur die Bevölkerung zeigte sich sehr interessiert. Immer wieder hörte ich: „Endlich eine gut durchdachte und optisch ansprechende Alternative!“ Während meiner Vorträge und Diskussionsrunden empörten sich die Menschen mit mir gemeinsam über das Lobbyistentum und das Festhalten am verschleierten Geldverdienen.
Wie bei jedem Berufsstand muss jedoch auch bei der Bestattungsbranche differenziert werden. Es gibt Bestatter, etwa ein Drittel, die offen sind für zukunftsweisende Veränderungen. Allerdings ist mir bisher niemand begegnet, der bereit gewesen wäre, mit letzter Konsequenz danach zu handeln.
„Wir halten uns an die Vorschriften“ – sagen sie und meinen aber das Geld. Doch wo es um materielle Interessen geht, geht es kaum um das Gemeinwohl.
Seit Jahrzehnten wird den Menschen mit Nachdruck erzählt, die ihnen verkauften Urnen seien in der Erde vollständig vergänglich. Das ist unwahr, wie das Foto zeigt! Wir alle haben uns aber darauf verlassen, dass diese Information stimmt.
Vertrauen ist ein uraltes gutes Gefühl — keine neue Geschäftsidee!
Wenn nur noch Wirtschaftsinteressen die Politik bestimmen – wozu brauchen wir sie dann an dieser Stelle noch?
Dazu hat Magdalena Köster in ihrem Ratgeber „Den letzten Abschied selbst gestalten – Alternative Bestattungsformen“ folgendes ge-schrieben: (ISBN 978-3-86153-497-6)
Bei der Überarbeitung der deutschen Friedhofgesetze war die Diskussion zuletzt stark vom Friedhofzwang für die Asche bestimmt. Angehörige sollten sie auf Wunsch mit nach Hause nehmen können – überall in Europa eine Selbstverständlichkeit, bei uns von den Lobbyisten erfolgreich abgeschmettert. Verschlafen hat man dabei den Umweltgedanken, eigentlich doch ein ureigenes deutsches Anliegen. So behinderten Eichensärge und kunststoffhaltige Kleidung den Verwesungsprozess, liegen unter der Erde zig Millionen Urnen und Sarggriffe aus unverrottbaren Materialien. Die sollten stattdessen biologisch abbaubar sein und Aschenkapseln könnten auf Wunsch vor der Beisetzung entfernt werden.“
„Wo bleibt die offene Empörung der Menschen über diese Sachverhalte?“, frage ich mich.
Die Bestattungsbranche – durch mehrere negative Medienberichte und Bücher ins Gerede gekommen – reagierte relativ schnell. In dem Versuch, die Menschen zu beruhigen, wurden von der Industrie flugs Bio-Pötte ins Angebot genommen.
Jetzt ist das Chaos perfekt und für den Bürger noch undurchsichtiger:
… nun versenkt man Bio-Aschenkapseln aus dem Krematorium zusammen mit unvergänglichen Schmuckurnen oder umgekehrt … Metall-Aschenkapseln aus dem Krematorium mit biologisch abbaubaren Überurnen.
Ist das nur eine kleine Schummelei oder ein Skandal?
Glück hat der, dessen Bio-Aschenkapsel aus dem Krematorium auch auf eine vergängliche, gekaufte Schmuckurne trifft. Dabei ist nur ein einziges Gefäss wirklich nötig, das die Asche aufnimmt und sich in der Erde tatsächlich auch zersetzen kann!
Dem Eigennutz der Branche kann nur der etwas entgegensetzen, der sehr genau informiert ist.
Das setzt aber Eigeninitiative voraus und Mut, zu widersprechen!
Der Aufruf, zwischenzeitlich von vielen Mitmenschen aus allen Lebensbereichen gefordert, genauer hinzuschauen und Transparenz zu verlangen, liegt auf dem Tisch und findet einen fruchtbaren Boden –
überall immer mehr!
Wir sind mündige Bürger und haben das Recht und die Pflicht, unsinnige Vorschriften und Gesetze zu hinterfragen und uns für sinnvolle Veränderungen einzusetzen. Denn wir alle sind die Gestalter unserer Welt!
Ich fordere Entscheidungsfreiheit!
Warum müssen wir in Deutschland erst über die Grenzen fahren wie Diebe in dunkler Nacht, um unsere Entscheidungen zu realisieren? Jeder soll die Freiheit haben, seine eigenen Entscheidungen zu diesem Thema treffen zu können. Wovor hat die Gesetzgebung Angst? Offensichtlich traut man uns Bürgern in Deutschland nicht zu, weiterhin respektvoll mit unseren Verstorbenen umzugehen. Abschiednehmen können –zu Hause oder anderswo– und wenn die Zeit gekommen ist, entscheiden, was mit der Asche geschehen soll – so stelle ich mir Freiheit für die Asche vor!
Die Politik ist aufgefordert, hier endlich Klarheit zu schaffen und diesen wichtigen Lebensbereich bürgernah zu öffnen –. Es abzutun als „NICHT SYSTEMRELEVANT ist eine Ausrede!
Empören Sie sich, wann immer Ihnen wieder mal vorgeschrieben wird, wie Sie Ihre Liebsten verabschieden DÜRFENsollen!
Urnenmacherin
Rita Capitain
Schmiedestraße 7
24405 Mohrkirch
atelier@rita-capitain.de
www.rita-capitain.de/urnen.html