Wissenschaftler sieht eher in Depressionen, nicht in Videospielen,
die Ursache für gewalttätiges und aggressives Handeln bei Jugendlichen

New York / Heidelberg, 14. Dezember 2010

Wie aggressiv und gewalttätig junge Menschen werden können, hängt in hohem Maße davon ab, wie depressiv sie sind. Eine neue Studie von Dr. Christopher Ferguson von der Texas A&M International University erscheint jetzt online in der Springer Fachzeitschrift Journal of Youth and Adolescence. Ihr Ergebnis: Entgegen weitläufiger Meinung gibt es zwischen gewaltverherrlichenden Videospielen oder Filmen und dem gewalttätigen und aggressiven Handeln von jungen Menschen hispanischer Abstammung in den Vereinigten Staaten keinen wirklichen Zusammenhang.

Die potenziell negativen Auswirkungen von Videospielen auf das Verhalten Heranwachsender, speziell Gewalt unter Jugendlichen, wird zur Zeit unter Wissenschaftlern wie auch in der Öffentlichkeit und in der Politik heftig diskutiert. Bis heute ist jedoch die Forschung zu keinem wirklich schlüssigen Ergebnis gekommen, größtenteils liegt dies an methodologischen Problemen.

Als Teil einer größeren Studie zum Thema Jugendgewalt befragte Ferguson 302 zumeist hispanische Jugendliche im Alter zwischen 10 und 14 Jahren. Sie kommen aus einer kleinen Stadt an der mexikanischen Grenze mit überwiegend hispanischer Bevölkerung. Die Jugendlichen wurden zweimal interviewt, einmal zu Beginn der Studie und dann ein zweites Mal zwölf Monate später.

Untersuchungsgegenstand war der Kontakt der Jugendlichen mit Gewalt in Videospielen und im Fernsehen. Ferguson untersuchte aber auch negative Erfahrungen, darunter Nachbarschaftsprobleme, problematische Beziehungen zu Erwachsenen, antisoziale Persönlichkeitsmerkmale, Familienbeziehungen und kriminelles Verhalten in der Clique. Zudem befasste er sich mit der Art der familiären Interaktion und Kommunikation, häuslicher Gewalt, depressiven Symptomen, ernsthafter Aggression, Mobbing und straffälligem Verhalten.

Fergusons Analysen zeigen, dass 75 Prozent der Befragten in den vier Wochen vor der Befragung Videospiele auf Computern oder Spielkonsolen gespielt hatten. Jungen spielen häufiger als Mädchen, davon spielten 40 Prozent Spiele mit gewalttätigem Inhalt. Ein Jahr später berichteten sieben Prozent von mindestens einem kriminellen Gewaltakt während der vergangenen zwölf Monate, meistens handgreifliche Angriffe auf andere Studenten oder der Einsatz von körperlicher Gewalt, um an Gegenstände oder Geld zu kommen. Neunzehn Prozent berichteten von mindestens einem nichtgewalttätigen Akt im gleichen Zeitraum – ganz oben auf der Liste standen Ladendiebstahl und Diebstahl von Schuleigentum.

Ferguson stellte auch fest, dass depressive Symptome oft mit aggressivem und regelverletzendem Verhalten einhergehen; dies war besonders deutlich, wenn bereits antisoziale Charakterzüge vorhanden waren. Allerdings ließ der Kontakt zu Gewalt in Videospielen oder im Fernsehen zu Beginn der Studie keine Rückschlüsse auf aggressives oder regelverletzendes Verhalten der jungen Leute in den kommenden zwölf Monaten zu.

Dazu Ferguson: „Aus depressiven Symptomen lassen sich ganz deutlich Rückschlüsse auf späteres aggressives und gewalttätiges Verhalten junger Menschen ziehen. Das Ausmaß der Depression spielt darum möglicherweise eine Schlüsselrolle bei der Prävention aggressiven Verhaltens junger Menschen. Unsere Studie findet keinen Hinweis auf einen langfristigen Zusammenhang zwischen dem Anschauen gewaltverherrlichender Videos und dem Auftreten von Aggressionen. Sicherlich wird die Debatte um solche Videos und Jugendgewalt weitergehen, vor voreiligen Rückschlüssen sei hier jedoch gewarnt.“

Quelle
Ferguson CJ (2010). Video games and youth violence: a prospective analysis in adolescents. Journal of Youth and Adolescence; DOI: 10.1007/s10964-010-9610-x

Der vollständige Artikel steht Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
Kontakt: Joan Robinson, Springer, joan.robinson@springer.com, Tel. +49-6221-487-8130