275 Millionen Jahre alte Reptilien mit Kieferinfektionen zeigen, weshalb bleibende Zähne von Nachteil sein können
New York / Heidelberg, 18. April 2011
Unsere Anfälligkeit für Infektionen im Mundraum hat gewisse Parallelen zu Reptilien der Urzeit, die sich von reinen Fleischfressern zu Allesfressern entwickelten. Robert Reisz von der University of Toronto und Kollegen wiesen bei Reptilien des Paläozoikums, die sich im Übergang zum Leben auf dem Land befanden, durch Infektionen verursachte Schäden im Kieferknochen nach. Damit wird das erstmalige Auftreten von Oral- und Dentalerkrankungen bei Wirbeltieren um fast 200 Millionen Jahre zurückdatiert. Die Ergebnisse ihrer Studie erscheinen jetzt in der Online-Ausgabe des Springer-Journals Naturwissenschaften – The Nature of Science.
Die Wissenschaftler untersuchten die Kiefer einiger gut erhaltener Exemplare des Labidosaurus hamatus, eines 275 Millionen Jahre alten Landreptils aus Nordamerika. Vor allem ein Exemplar fiel durch fehlende Zähne und damit einhergehende starke Abnutzung des Kieferknochens auf. Mithilfe einer Computertomografie konnten Reisz und Kollegen eine massive Infektion nachweisen, die zum Verlust mehrerer Zähne geführt hatte. Sie verursachte außerdem Schäden am Kieferknochen in Form eines Abszesses und führte zum inneren Verlust von Knochengewebe.
Als die Vorfahren weiter entwickelter Reptilien zum Leben an Land übergingen, entwickelten viele besondere Dental- und Schädelmerkmale, die es ihnen ermöglichten, sich nicht nur effizienter von anderen Tieren, sondern auch von ballaststoffreichen Blättern und Zweigen zu ernähren. Aus den primitiven wurzellosen Zähnen, die nur lose im Kiefer steckten und ständig ersetzt wurden, entwickelte sich nun bei einigen Spezies ein fest verankertes Gebiss, bei dem einzelne Zähne nur selten oder nicht mehr ersetzt wurden. Dies war ein deutlicher Fortschritt gegenüber einigen frühen Reptilien. Sie waren nun in der Lage, ihre Nahrung zu kauen und die Nahrungsaufnahme deutlich zu verbessern. Die weltweite starke Verbreitung des Labidosaurus und seiner Verwandten sprechen für den evolutionären Erfolg dieser Strategie.
Reisz und seine Kollegen gehen allerdings davon aus, dass dieses Reptil mit dem Verlust seiner Fähigkeit, Zähne zu ersetzen, wahrscheinlich vermehrt von Kieferinfektionen durch Zahnschäden geplagt war. Die Nerven stark abgenutzter oder beschädigter Zähne waren oft Bakterien in der Mundhöhle stärker ausgesetzt als dies bei anderen Tieren der Fall war, deren Zähne schnell wieder ersetzt wurden.
Die Autoren: „Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Mensch mit einem einmaligen Zahnwechsel vom Milchgebiss zu einem bleibenden Gebiss zwar sicherlich verschiedenste Nahrungsmittel besser kauen und verarbeiten kann, dafür aber anfälliger ist für Infektionen als unsere entfernten Vorfahren, deren Zähne kontinuierlich ersetzt wurden.“
Quelle
1. Reisz R R et al (2011). Osteomyelitis in a Paleozoic Reptile: ancient evidence for bacterial infection and its evolutionary significance. Naturwissenschaften – The Nature of Science. DOI 10.1007/s00114-011-0792-1
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